Studierende aus Südostasien - Chance für Unis in Europa?
11. August 2025Vergangene Woche kündigte die australische Regierung an, dass sie ihre Obergrenze für ausländische Studierende um 9 Prozent auf 295.000 anheben und Bewerbern aus Südostasien Vorrang einräumen wird.
Gleichzeitig strebt Japan an, die Anzahl von ausländischen Studierenden bis 2033 auf 400.000 zu erhöhen, während Südkorea bis 2027 einen Zuwachs auf 300.000 anstrebt. In Taiwan kündigte die Regierung im vergangenen Jahr Pläne an, jährlich 25.000 südostasiatische Studierende anzuwerben, um dem Arbeitskräftemangel in Schlüsselindustrien entgegenzuwirken.
Ein Bericht der internationalen Bildungsberatung Acumen aus dem Jahr 2023 ergab, dass etwa 132.000 Vietnamesen im Ausland studieren. Das entspricht fast 40 Prozent aller südostasiatischen Auslandsstudierenden. Aus Malaysia und Indonesien gehen jeweils über 50.000 Studierende ins Ausland, Thailand steuert rund 32.000 bei.
Im Jahr 2022 wurde Südostasien nach China und Indien zur weltweit drittgrößten Region mit Auslandsstudierenden - 350.000 Studierende seien an Universtäten im Ausland immatrikuliert, so Acumen.
Europa sucht Talente
Europäische Universitäten, die mit chronischer Unterfinanzierung zu kämpfen haben und sich bewusst sind, dass die demografischen Herausforderungen auf dem gesamten Kontinent höher qualifizierte Arbeitsmigranten erfordern, haben begonnen, den Blick verstärkt nach Südostasien zu wenden.
Im Juni stellte die deutsche Botschaft in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi Geld für einen "Karriere-Truck" bereit, der durch Vietnam fährt und für Studienmöglichkeiten in Deutschland wirbt. Nur einen Monat zuvor hatte der französische Präsident Emmanuel Macron bei einem Staatsbesuch eine Rede an der University of Science and Technology in Hanoi gehalten.
Unterdessen forderte der indonesische Präsident Prabowo Subianto im Juli in Brüssel mehr Indonesier auf, eine Hochschulbildung in Europa zu absolvieren. Rund 3.300 Indonesier studieren jährlich in Europa.
Studierende aus Südostasien sind aber nach wie vor unterrepräsentiert. Von den 1,66 Millionen internationalen Studierenden, die derzeit an Universitäten in der EU eingeschrieben sind, ist nur ein kleiner Teil Südostasiaten. So gibt es in Deutschland nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nur rund 7.060 vietnamesische Studierende im Grundstudium.
"Trotz der wachsenden Bedeutung Südostasiens ist die Region in der europäischen Wissenschaft noch wenig in den Fokus gerückt", sagt Alfred Gerstl, Leiter eines Projekts für europäisch-südostasiatische Beziehungen am Think Tank Central European Institute of Asian Studies.
Europäische Universitäten unter finanziellem Druck
Viele europäische Universitäten stehen unter wachsendem finanziellem Druck. Im Mai berichtete das britische Office for Students, dass 40 Prozent der englischen Universitäten in diesem Jahr voraussichtlich ihre Arbeit unter einem finanziellen Defizit fortsetzen müssen.
In Deutschland hat der DAAD im Februar 2.500 Stipendien gestrichen - aus Budgetgründen. Auch an der Freien Universität Berlin und anderen Einrichtungen wurden die Mittel stark gekürzt.
Auch im französischen Staatshaushalt sind 2025 die Ausgaben für Bildung und Forschung im Vergleich zum Vorjahr gekürzt worden, um eine Milliarde Euro.
Die European University Alliance schrieb in einem Bericht vom März, dass die Universitäten in ganz Europa mit einer "neuen Normalität" der Unterfinanzierung konfrontiert seien. Da die Kosten steigen und die Einnahmen stagnieren würden, sähen sich viele Institutionen dazu gedrängt, mehr internationale Studierende anzuwerben.
"Es gibt starke Anreize, eine größere Anzahl ausländischer (Nicht-EU-) Studierende in Systeme einzuschreiben, die es den Universitäten ermöglichen, Gebühren für diesen Sektor festzulegen", heißt es in dem Bericht.
Die Befragten der Studie stellten fest, dass die Rekrutierung ausländischer Studierenden "ein Schlüsselfaktor für die Generierung dringend benötigter Einnahmen" sei. Diese Einschätzung deutet darauf hin, dass sich der Wettbewerb um diese Bevölkerungsgruppe nur noch verschärfen wird.
Wie kann Europa mehr Studierende gewinnen?
Seit dem Putsch in Myanmar im Jahr 2021 hat Kristina Kironska von der Palacky-Universität Olomouc in der Tschechischen Republik dazu beigetragen, prestigeträchtige Stipendien für burmesische Studierende zu sichern, die vor der Militärjunta geflohen sind.
Viele hätten Zugang zu prestigeträchtigen EU-Fonds und anderen Zuschüssen erhalten, aber die größte Herausforderung blieben die Visa- und Aufenthaltsdokumente, sagt Kironska im Gespräch mit der DW. Die europäischen Regierungen könnten ihre Visa- und Langzeitaufenthaltsanforderungen für Dokumente für südostasiatische Staatsbürger durchaus einer Überprüfung unterziehen und das Verfahren vereinfachen, sagt Kironska.
Das Hauptproblem scheint aber immer noch die Finanzierung zu sein: "Um mehr Studierende aus Südostasien anzuziehen, ist es unerlässlich, mehr Mittel für Mobilitätsaustausch und Stipendien, insbesondere für Doktoranden, bereitzustellen", sagt Gerstl vom Central European Institute of Asian Studies.
Mehrere europäische Länder beginnen nun damit, ihre Politik anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.So hat Norwegen im vergangenen Monat die Anforderungen an die Sprachkenntnisse in Norwegisch für die Hochschulzulassung gelockert und die Beschäftigungsbedingungen für internationale Doktoranden vereinfacht. Auch die Studiengebühren für ausländische Studierende wurden angepasst, nachdem eine Erhöhung zu einem starken Rückgang der Immatrikulationen geführt hatte.
Im Mai startete die Europäische Kommission die "Choose Europe Initiative", ein mit 500 Millionen Euro ausgestattetes Programm, das Spitzenforscher im weltweiten Kontext anziehen soll.
Es umfasst erweiterte langfristige Zuschüsse über den Europäischen Forschungsrat und eine Verdoppelung der Aufstockungszuschüsse für die Entsendung von Wissenschaftlern.
Studieren in Ostasien ist beliebt
Südostasiatische Studierende bleiben aber offenbar lieber in der Nähe ihre Heimatländer. Eine kürzlich durchgeführte Studie des British Council ergab, dass seit 2015 die Zahl der Studierenden aus Malaysia, Singapur und Thailand, die sich an britischen Hochschulen einschreiben, rückläufig ist. Gleichzeitig sind an Japans Universitäten heute mehr vietnamesische Studierende immatrikuliert als in jedem englischsprachigen Land.
Diese Verschiebung lässt sich zum Teil auf die Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung in ganz Asien zurückführen. Im Jahr 2024 schafften es 23 ostasiatische Universitäten in das QS-Ranking der 100 besten Universitäten der Welt, was einem Anstieg von 35 Prozent im Vergleich zu 2015 entspricht. Das QS-Ranking wird jährlich von einer britischen Beratungsgesellschaft veröffentlicht und gilt als das wichtigste Ranking der Welt.
Restriktionen in den USA – Chance für Europas Universitäten?
Die derzeitige politische Landschaft in den Vereinigten Staaten könnte aber Chancen für die europäischen Institutionen bieten. Seit seiner Rückkehr ins Amt im Januar verfolgt US-Präsident Donald Trump einen restriktiveren Ansatz, wenn es um die Finanzierung von akademischen Einrichtungen und Studierenden aus dem Ausland geht.
Berichten zufolge wurden die prestigeträchigen Fulbright-Stipendien der USA gekürzt, was über 7.400 ausländische Wissenschaftler betrifft. Das Weiße Haus hat außerdem 400 Millionen Dollar an Mitteln für die Columbia University und 800 Millionen Dollar für der Johns Hopkins University gekürzt. Berichten zufolge wurden Zehntausende von internationalen Studierendenvisa widerrufen. Die Zahlen blieben aber von offizieller Seite unbestätigt. Im März ergab eine Umfrage von Wissenschaftsmagazin "Nature", dass drei Viertel der in den USA ansässigen Wissenschaftler erwägen, das Land zu verlassen.
Während viele europäische Universitäten versuchen, desillusionierte amerikanische Akademiker anzulocken, nutzen einige auch die Instabilität in der US-Wissenschaft, um Studierende aus Asien, insbesondere China und Südostasien, für sich zu gewinnen.
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand