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Strom-Skandal in Bosnien-Herzegowina zieht Kreise

31. Juli 2003
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Köln, 31.7.2003, DW-radio/Bosnisch

DW-radio/Bosnisch, den 30.7.2003

Die kantonale Staatsanwaltschaft in Mostar erhob Anklage gegen das derzeitige kroatische Präsidiumsmitglied von Bosnien und Herzegowina, Dragan Covic, und gegen andere jetzige und ehemalige hohe Funktionäre der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft von Bosnien und Herzegowina (HDZ). Polizeiermittler fanden Beweise für Veruntreuung in Millionenhöhe beim Kraftwerksbetreiber Elektroprivreda. Slavko Kukic, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Post und Telekom spricht über Covics Verwicklungen in dubiöse Geschäfte beim Mobilfunkanbieter Eronet. Die föderale Finanzpolizei hat Anklage gegen Covic erstattet. Mehr von unserem Korrespondenten, Mustafa Alendar:

Die kantonale Staatsanwaltschaft in Mostar hat nun die Aufgabe zu ermitteln, inwiefern die Kraftwerksbetreibergesellschaft Elektroprivreda von Herceg-Bosna mit der Firma Mondo verknüpft ist, die nach Medienberichten in den Jahren 1998 und 1999 der Führung der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) bei der Finanzierung ihrer Wahlkampagne geholfen hat. Die Ermittlungsbehörden haben unter anderem Beweise dafür, dass aus den Mitteln der Elektroprivreda über die Firma Monda Stromgebühren dazu verwandt wurden, um Ministern und ihren Freunden Autos und Wohnungen zu kaufen. In dieser Zeit war das jetzige kroatische Präsidiumsmitglied Dragan Covic Vorsitzender und Mitglied des Verwaltungsrates von Monda und wird verdächtigt nicht gewissenhaft gearbeitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft wird sich auch bemühen zu beweisen, dass hohe Funktionäre der HDZ, Valentin Coric und Miroslav Prce dank Mondo Eigentümer von Mercedes- bzw. BMW-Limousinen geworden sind. Dragan Covic, war seinerzeit auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der kroatisch dominierten Post und Telekom Mostar. Gegen ihn wird in diesem Zusammenhang auch im Falle des Mobilfunkanbieters Eronet [wegen des Verdachts der Veruntreuung] ermittelt. Covic übt bereits seit Jahren von seiner hohen [politischen] Position Druck auf die Justizorgane aus, sagt ein anderer ehemaliger Vorsitzender des Aufsichtsrates der Post und Telekom Mostar Slavo Kukic: "Bis vor zwei Jahren hat er das gemacht. Er versuchte, dies zu bewahren, förmlich zu konservieren. Ich denke, dass das, was Herr Covic bei Eronet und Sokol gemacht hat erfolgreich [bewiesen] werden kann und ihm damit sein Mandat aberkannt wird."

Anfang dieses Jahres hat die Föderationspolizei erfolgreich der föderalen Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen Präsidiumsmitglied Covic wegen Machtmissbrauch vorgelegt. In dieser wird auch Vladimir Soljic, ein anderer langjähriger hochrangiger Politiker der HDZ angeklagt. Covic wird beschuldigt Straftaten in seiner Funktion als Finanzminister, stellvertretender Premierminister der Föderation und als Aufsichtsratsvorsitzender zwischen Dezember 1998 und September 1999 begangen zu haben.

DW-radio/Bosnisch, 31.7.2003

Die Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina erhielt eine schriftliche Bitte des deutschen Konzerns DaimlerChrysler, damit sie darauf hinwirkt, dass ein Stromlieferungsvertrag mit dem Kraftwerksbetreiber Elektroprivreda fortgeführt wird. Ansonsten stünde der Betrieb des Mostarer Aluminiumwerks in Frage. Kroatisches Aluminium und muslimischer Strom - Diese Formel könnte dem Land von Nutzen sein. Doch die Deutschen befürchten kleinliche nationalistische und politische Interessen könnten die Beschäftigung von Tausenden gefährden. Ein Bericht von Mustafa Alendar.

Die Mostarer Firma Aluminium produziert jährlich Exportgüter im Wert von 150 Millionen Euro. Der Kraftwerksbetreiber Elektroprivreda führt im Jahr Strom im Wert von etwa 80 Millionen Euro aus, bei 250 Millionen Gewinn und einer Gesamtproduktion von 5 120 Gigawattstunden Strom. Beide Firmen haben keine Konkurrenten in der Föderation, aber es gibt eine kleine Störung: Aluminium arbeitet dort, wo die Kroaten in der Mehrheit sind und die HDZ an der Macht ist. Die Elektroprivreda liegt im muslimisch dominierten Gebiet, wo die Partei der Demokratischen Aktion (SDA) am stärksten ist.

"Das Problem ist in den Köpfen der Menschen. Das Problem besteht in den Ansichten, den Positionen und den Gedanken, in politischen Positionen und dergleichen. Und das löst sich nicht über Nacht" sagt Mario Brkic, Vorsitzender der Kroatischen Volksgemeinschaft und Professor an der Philosophischen Fakultät in Sarajevo, über den Streit der beiden Firmen. Elektroprivreda möchte den Preis des Stroms erhöhen, den sie mit der deutschen Firma Debis ausgehandelt hat, und den diese wiederum Aluminium, ihrem Vertragspartner, zur Verfügung stellt. Deren Produktion hängt vor allem von elektrischer Energie ab.

Der deutsche Konzern DaimlerChrysler, zu dem Debis gehört, intervenierte nun bei der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina und warnte davor, dass durch die Preiserhöhung die allgemeinen Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit Bosnien und Herzegowina in Gefahr geraten. Die Regierung der Föderation schlug sich über

Nacht auf die Seite der kroatischen Vertreter. Elektroprivreda versucht die Kündigung des Abkommens mit Debis durch den Kursverfall des Dollar zu rechtfertigen.

Brkic erklärt das Problem: "Strom, der hier für Aluminium produziert wird, muss administrativ nach Deutschland verkauft werden und dann administrativ nach Mostar

reimportiert werden. Uns ist überhaupt nicht klar, wozu wir dafür einen Vermittler brauchen. So kann man keine günstige Lösung für die eine, wie die andere Firma finden, und auf diese Weise zur Integration von Bosnien und Herzegowina beitragen."

Steuermann der beiden konkurrenzlosen Betriebe, die einen Beitrag für die Zukunft von Bosnien und Herzegowina leisten sollen, ist die Politik der einheimischen Elektroprivreda und die einflussreiche europäische Geschäftswelt, mit Millionen von Investitionen, die die Westdeutsche Landesbank, DaimlerChrysler und andere in Aluminium investiert haben. Am Ende wird die Regierung der Föderation entscheiden, wie es weitergeht, aber nicht im Sinne der Einheit der beiden Betriebe, sondern nur zur Lösung eines Konfliktes von vielen. (Übersetzung: Fabian Schmidt) (md)