SPD auf Europakurs
26. Januar 2014Die SPD hat ihre Kandidaten für die Europawahl aufgestellt. Bei einem Sonderparteitag in Berlin kürte sie den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, mit großer Mehrheit zu ihrem Spitzenkandidaten. Von den 193 abgegebenen Stimmen entfielen 183 auf ihn. Das sind 97,3 Prozent. Schulz zeigte sich bewegt von dem Votum der Delegierten. "Das ist ein Vertrauensbeweis der mich berührt und für den ich dankbar bin", sagte er. Die große Zustimmung empfinde er aber auch als Verpflichtung. Er wolle ihr gerecht werden, indem er dafür sorge, dass die SPD nicht nur "die Europapartei Deutschlands" sei, sondern in Zukunft auch die meisten Stimmen hole. Bei der letzten Europawahl war die SPD auf ein historisches Tief von 20,8 Prozent der Stimmen gefallen und hatte 23 Abgeordnete in das Europarlament entsandt.
"Keine antieuropäische Stimmung"
Der Deutschen Welle sagte Schulz, er rechne mit einer erhöhten Wahlbeteiligung im Vergleich zur letzten Europawahl im Jahr 2009. Damals gingen in Deutschland 43,3 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen, etwa so viel wie in der gesamten Europäischen Union. Er könne keine Ablehnung der EU erkennen, so Schulz. Die Mehrheit der Bürger in Europa sei für die Europäische Union. Sie fordere aber Reformen bei den europäischen Institutionen. Dafür wolle er sich einsetzen. "Wenn wir Vertrauen zurück gewinnen wollen, müssen wir die EU ändern", sagte der SPD-Politiker. Es gehe nicht um ein Ja oder Nein zu Europa, sondern es gehe darum, welches Europa man wolle.
EU als Vermittler in der Ukraine
Im Interview mit der DW äußerte sich Schulz auch zu der angespannten Lage in der Ukraine. "Ich glaube, dass wir über Sanktionen gegenüber Kiew nachdenken müssen", sagte er. Dies könne zum Beispiel Reisebeschränkungen für Mitglieder der Führung einschließen. Darüber hinaus plädiere er dafür, den Dialog mit beiden Seiten des Konflikts aufrecht zu erhalten und Druck auf Regierung und Opposition auszuüben. Er habe den Eindruck, dass die Führung der Opposition Teile der Demonstranten nicht mehr unter Kontrolle habe. Die Europäische Union könne in dem Konflikt beratend oder vermittelnd zur Seite stehen. Bei der Orangenen Revolution im Jahr 2004 hätten der damalige EU-Außenbeauftragte Javier Solana und der polnische Präsident Alexander Kwasniewski vermittelnd gewirkt. Dieses Modell könne auch in der jetzigen Krise Beispiel geben.
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier rief am Rande des Parteitags die Konfliktparteien in der Ukraine zur Zurückhaltung auf. Die täglichen Fernsehbilder aus Kiew und anderen Landesteilen zeigten, dass sie Lage sehr ernst und angespannt sei. Die Möglichkeiten für eine Lösung der Krise seien aber noch nicht ausgeschöpft und die Ansatzpunkte dafür lägen auf der Hand. So müsse die Gesetzgebung revidiert werden, mit der in den letzten Wochen die Demonstrationsfreiheit eingeschränkt worden sei. Die Führung der Ukraine müsse zeigen, dass sie es ernst meine mit ihren Angeboten an die Opposition. Steinmeiers Appell an die Konfliktparteien: "Keine Gewalt!"
Zukünftiger Kommissionspräsident?
Im März soll SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz auch der gemeinsame Kandidat aller sozialdemokratischen Parteien im Europaparlament werden. Dies soll ihm den nötigen Rückenwind geben, um nach der Wahl im Mai für das Amt des Kommissionspräsidenten zu kandidieren. Denn zum ersten Mal soll das Europäische Parlament ein Mitspracherecht erhalten. Schulz habe Europa "in den letzten Monaten ein anderes Gesicht gegeben, ein sozialdemokratisches Gesicht", betonte der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel.
Parteitag bestimmt neue Generalsekretärin
Am Nachmittag werden die Delegierten des Parteitages über drei Personalien entscheiden. Sie sollen dann die designierte neue Generalsekretärin Yasmin Fahimi wählen. Die Gewerkschafterin aus Hannover folgt Andrea Nahles, die in der großen Koalition ins Amt der Arbeitsministerin gewechselt ist. Außerdem soll der neue Schatzmeister der Partei, Dietmar Nietan, gewählt werden. Er folgt der langjährigen Schatzmeisterin Barbara Hendricks, die im neuen Kabinett Umweltministerin geworden ist. Außerdem soll das Parteipräsidium erweitert und der schleswig-holsteinische Parteichef Ralf Stegner zum sechsten Stellvertreter des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel gewählt werden.