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Situation der Minderheiten im Kosovo lässt immer noch viel zu wünschen übrig

17. Mai 2002

- Die deutsche Flüchtlingsorganisation PRO ASYL mahnt eine deutliche Verlängerung der Aufenthaltsfristen für Flüchtlinge aus dem Kosovo an

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Köln, 17.5.2002, DW-radio / Erik Albrecht

Minderheiten haben einen schweren Stand im Kosovo. Das Zusammenleben der verschieden Volksgruppen wird häufig von gegenseitigem Misstrauen und Ablehnung bestimmt. Die deutsche Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat am Mittwoch (15.5.) über die Situation von Minderheiten im Kosovo informiert.

Drei Jahre nach dem Krieg sind Serben, Roma, Bosniaken und andere Minderheiten im Kosovo immer noch Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Zwar beginnt die Arbeit von Polizei und Justiz langsam Wirkung zu zeigen, Gewalt und Kriminalität nehmen ab. Trotzdem ist immer noch jeder vierte Mord im Kosovo ethnisch motiviert.

Minderheiten trauen sich oft nicht, auf der Straße ihre eigene Sprache zu sprechen. Selbst ein Gang ins Krankenhaus kann Anlass für Einschüchterungen sein, berichtet Rainer Mattern von der schweizerischen Flüchtlingshilfe.

"Dann steht vielleicht jemand am Eingang des Krankenhauses und fragt diese Person, was sie hier will und was sie hier sucht und macht ihr deutlich, dass sie nicht erwünscht ist und vielleicht lässt diese Person sich abschrecken. Also das wäre ein Beispiel, das ich immer wieder gehört habe."

Die ethnische Landkarte Kosovos hat sich verändert seit Anfang der 90er Jahre. Damals war Kosovo ein Flickenteppich; Minderheiten lebten über die ganz Provinz verteilt. Heute leben sie vielfach in Enklaven, bewacht von KFOR-Soldaten, eingezäunt. Wer die Enklave verlassen will, wird am Checkpoint von der KFOR durchsucht, auf seiner Fahrt durch die Provinz verrät schon sein Nummernschild seine Herkunft. Nicht alle Angehörige von Minderheiten leben so abgeschottet, mache wohnen auch heute in den Städten, Tür an Tür mit Albanern, so Rainer Mattern:

"Was aber für alle gilt, das ist ,dass sie sich nicht frei im Kosovo bewegen können. Sie können also nicht frei nach Prishtina gehen, sie können nicht dort eine Arbeit suchen. Das schränkt ihre Lebensmöglichkeiten weitgehend ein."

Die Arbeitslosigkeit ist hoch im Kosovo - 65 Prozent, so Schätzungen. Und mangelnde Bewegungsfreiheit macht es den Minderheiten noch schwerer, Arbeit zu finden.

Zwei Drittel aller Minderheitsangehörigen haben das Kosovo verlassen. Der Großteil ist in die Nachbarländer Serbien, Montenegro und Bosnien geflüchtet. Rund 50.000 von den Flüchtlingen leben in Deutschland. Sie dürfen - als Angehörige einer Minderheit - nicht in das Kosovo abgeschoben werden, so der Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern. Im Juni werden die Minister erneut über den Abschiebeschutz entscheiden. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl rechnet mit einer Verlängerung - für einige Monate. Zu wenig für Pro Asyl: Für so kurze Zeit sei es schwierig, eine Arbeit zu finden. Den Menschen aus dem Kosovo würde keine Perspektive in Deutschland gegeben, so die Kritik. Und eine Rückkehr ins Kosovo? Bernd Mesovic von Pro Asyl:

"Es würde bedeuten, dass die Menschen dort in militärisch geschützten Enklaven leben müssten, das heißt, die Leute hätten faktisch keine Bewegungsfreiheit, sie hätten keinen Zugang zu sozialen Diensten, sie könnten mangels Bewegungsfreiheit nicht arbeiten, sie wären angewiesen auf eine Mangelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen."

Zumal eine Rückkehr für viele Flüchtlinge nicht automatisch "zurück nach Hause" bedeuten würde. Allein in Prishtina halten bis zu 20.000 Personen Grundstücke besetzt. 1999 schuf die UN-Verwaltung eigens eine Stelle, die sich nur mit Eigentumsfragen befassen sollte, doch bislang fehlen noch Außenposten vor Ort. Noch einmal Rainer Mattern von der schweizerischen Flüchtlingshilfe:

"Die rechtliche Situation insoweit ist nicht klar genug und die Infrastruktur ist ebenfalls nicht gegeben, um hier die Eigentumsverhältnisse sofort wieder regeln zu können. Das wird etliche Jahre dauern."

75.000 Prozesse um Grundstücke gilt es für die UN und die kosovarische Justiz abzuarbeiten. Bis dahin werden wohl noch mindestens sechs Jahre vergehen. (fp)