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Sind Trumps Zölle eine Chance für die Türkei?

11. April 2025

Trumps Zölle scheinen die Türkei zu schonen - im Vergleich zur EU und China. Die türkische Wirtschaft will daraus Kapital schlagen und ihre Exporte steigern. Dazu muss die Regierung aber ihre Karten richtig spielen.

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Handelsschiffe
Kann Ankara diese neue Zollpolitik wirtschaftlich zu seinem Vorteil nutzen? Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

"Ich habe tolle Beziehungen zu einem Mann namens Erdoğan" - so beschrieb US-Präsident Donald Trump zu Beginn der Woche im Oval Office seine Gefühle gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, während er neben Erdogans politischem Feind Benjamin Netanjahu saß. "Ich mag ihn, und er mag mich. Wir haben nie ein Problem gehabt", ergänzte er.

Das stimmt nicht ganz: Am 7. Oktober 2019 drohte Trump, "die türkische Wirtschaft zu zerstören", und ergänzte, er habe das schon einmal getan. In einem Brief vom 16. Oktober 2019 direkt an Erdoğan forderte Trump den türkischen Präsidenten auf, ein "gutes Geschäft" mit ihm zu machen, und warnte: "Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, die türkische Wirtschaft zu zerstören."

Die türkische Wirtschaft hat in den vergangenen sechs Jahren einiges einstecken müssen: Die Türkische Lira verlor erheblich an Wert. Ein US-Dollar war im März 2007 etwa 1,30 Türkische Lira wert - im Oktober 2019 dann 5,79 und heute sind es 38,06 Lira.

Obwohl Trump der türkischen Wirtschaft möglicherweise doch geschadet hat, scheinen sich die beiden Staatschefs heute besser zu verstehen als damals. Tatsächlich gehört die Türkei zu den Ländern, die von Trumps Zollpolitik am wenigsten betroffen sind: Für türkische Waren wurde ein Zoll von 'nur' zehn Prozent verhängt. Trumps 90-Tage-Pause für die Zölle und die generelle Reduzierung auf 10 Prozent für alle Länder außer China bringen vorläufig erstmals alle auf dasselbe Niveau wie die Türkei.

Eine neue Hoffnung?

Im Gegensatz zur negativen Stimmung in Europa sehen türkische Wirtschaftsvertreter in den Zöllen keine Krise, sondern eine Chance. Sie sind überzeugt: Mit der richtigen Handelspolitik kann die Türkei von der neuen Situation profitieren.

Die neuen Spielregeln Trumps könnten insbesondere türkischen Exporteuren helfen, sich auf dem wettbewerbsintensiven US-Markt Vorteile zu verschaffen, so Bülent Aymen, stellvertretender Präsident des Verbandes der Exporteure von Möbel-, Papier- und Forstprodukten am Mittelmeer (AKAMIB). "Die USA sind seit drei Jahren unser heißer Markt. Unsere Exporte steigen monatlich. Die Verschärfung des Zollkriegs ermöglicht der Türkei, in Bereichen wie Chemie, Automobil, Möbeln und Elektronik Marktanteile in den USA zu gewinnen. Diesen Vorteil müssen wir unbedingt gut nutzen", sagt Aymen.

Erdogan und Trump sitzen im Oval Office
Die beiden verstehen sich gut, und Experten sind sich einig: Eine vielversprechende Gelegenheit steht der Türkei bevor. Doch ob sie diese nutzen kann, hängt von konkreten Schritten der türkischen Regierung ab. Die Frage bleibt: Wird Erdogan die Chance ergreifen?Bild: Alex Wong/Getty Images

Die Türkei und die USA handeln im Umfang von über 30 Milliarden US-Dollar. Die USA sind derzeit der zweitwichtigste Handelspartner der Türkei - nach Deutschland. Die türkischen Exporte in die USA sind in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich um 16 Prozent gestiegen - während die US-Exporte in die Türkei um neun Prozent zunahmen. Laut dem Türkischen Exporteurenverband (TİM) exportierte die Türkei 2023 Waren im Wert von rund 21,1 Milliarden US-Dollar nach Deutschland - und verdiente etwa 14,8 Milliarden durch Exporte in die USA. Laut dem Türkischen Statistikamt (TÜİK) stiegen die Exporte in die USA Ende 2024 auf 16,3 Milliarden US-Dollar.

Die Türkei exportiert vor allem chemische Produkte, Automobilteile, Kleidung, Teppiche und Elektronik in die USA. Zugleich importiert sie über die Hälfte der Baumwolle aus den USA - für Textilien, die dann wiederum in die USA exportiert werden.

Trumps hohe Zölle gegen China und die EU könnten laut Seref Fayat, dem Textilbeauftragten bei der Union der Kammern und Börsen der Türkei (TOBB), die Sichtbarkeit türkischer Produkte auf dem US-Markt steigern. "Wir müssen jetzt rasch handeln. Wir können die Probleme, die China, Vietnam und Kambodscha voraussichtlich haben werden, zu unserem Vorteil nutzen", meint Fayat.

Kritik an der türkischen Handelspolitik

Fayat ist optimistisch, was die Zukunft des Handels mit Trumps Amerika betrifft. "Ich erwarte nicht, dass die Türkei von der neuen Lage negativ beeinflusst wird." Er schlägt vor, einen begrenzten zollfreien Handel mit den USA auszuhandeln.. "Das ist eine sehr wichtige Chance. Wir müssen aber genau beobachten, wie unser wichtigster Handelspartner EU von der amerikanischen Zollpolitik betroffen sein wird", warnt er.

Hakan Fidan und Marco Rubio
Dass die USA über die Verhaftung des Erdogan-Herausforderers Ekrem Imamoglu größtenteils schwieg, wurde in der türkischen Gesellschaft mit Frustration aufgenommen. Die Regierungen von Erdogan und Trump pflegen weiterhin eine pragmatische Partnerschaft, die weitgehend von ideologischen Werten distanziert ist. Im Bild sind die Außenminister Hakan Fidan und Marco Rubio zu sehenBild: Rod Lamkey/AP

Doch bei manchen herrscht vorsichtige Euphorie: Es gebe zwar genug Potenzial, aber viele türkische Firmen seien nicht bereit, es zu nutzen, meint Murat Akyüz, ehemaliger Präsident des Verbands der Exporteure chemischer Produkte in Istanbul (IKMIB). "Ich sehe die neue US-Zollpolitik als große Gelegenheit für die Türkei. Gleichzeitig halte ich die Exporteure in der Türkei für unzureichend vorbereitet." In der Vergangenheit habe man viele Chancen nicht genutzt, weil "keine nachhaltige Handelspolitik verfolgt wurde", so Akyüz.

Auch Fayat sieht Versäumnisse: Der Zugang amerikanischer Kunden zu türkischen Produkten sei begrenzt - wegen fehlender Handelszentren und Lagerhäuser. Er kritisiert die Politik: "Obwohl Trump diese Zölle schon seit langer Zeit angekündigt hatte, haben wir die notwendigen Vorbereitungen leider nicht getroffen."

Türkei als Produktionshub?

Neben dem Export könnte sich die Türkei noch auf einem anderen Feld als strategischer Akteur etablieren: als Produktionsstandort für asiatische Firmen. Konkret könnte die Türkei Unternehmen etwa aus China einladen, ihre Produkte in der Türkei fertigen zu lassen - um so hohe Zölle zu umgehen. Die geopolitische Lage als Brücke zwischen Ost und West spricht dafür.

"Wir müssen diesen Ländern - besonders China - die Vorteile einer Produktionsverlagerung in die Türkei erklären", fordert Akyüz. "Wir sollten aktiv Investitionen hierzulande fördern. Die Türkei ist mit ihrer Infrastruktur und dem Fachkräftepotenzial dafür gut aufgestellt. Besonders das Handelsministerium ist hier gefragt", so Akyüz.

DW Mitarbeiter l Burak Ünveren, DW-Journalist
Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.