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Schlüsselfrage im Kosovo

14. Oktober 2002

- Diskussion um 7-Punkte-Plan für Mitrovica

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Köln, 14.10.2002, DW-radio, Adelheid Feilcke Tiemann

Zwei Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Am 26. Oktober finden im Kosovo Kommunalwahlen statt, am 5. November ist in Brüssel eine Geber-Konferenz von EU und Weltbank geplant. Bei beiden Ereignissen geht es um Schlüsselfragen für die weitere Normalisierung in der Region: die politische und wirtschaftliche Konsolidierung. Der politische Prozess gelingt nur über die Einbindung aller ethnischen Gruppen, der wirtschaftliche Aufschwung nur mit der Schaffung von Arbeitsplätzen. Beide Fragen sind besonders akut in der nord-kosovarischen Stadt Mitrovica, in der Serben und Albaner in getrennten Vierteln leben. Deshalb hat UN-Verwalter Michael Steiner jetzt einen Sieben-Punkte-Plan vorgestellt, der zur Überwindung der Teilung der Stadt und zur Normalisierung der Lage beitragen soll. Ein Background von Adelheid Feilcke-Tiemann:

"Der Steiner- Plan insgesamt ist nicht verhandelbar. Er beinhaltet sieben Punkte, von denen nur über zwei - und das seitens der lokalen Vertreter - diskutiert werden kann. Diese zwei Punkte sind die Dezentralisierung und die Bildung von Koalitionsregierungen zwischen der albanischen und serbischen Parteien."

Susan Manuel, Sprecherin der UNMIK, gibt sich entschieden: An dem Steiner-Plan wird nicht gerüttelt. Statements dieser Art sind in diesen Tagen von Seiten der UN-Verwaltung immer wieder zu hören. Denn seitdem Michael Steiner am 1. Oktober in Nord-Mitrovica einen Sieben-Punkte-Plan zur Überwindung der Probleme in der Stadt vorgestellt hatte, schlagen die Wellen der Empörung hoch. Steiner sieht in seinem Plan vor, dass serbische und albanische Politiker gemeinsam die Stadt regieren und sogar Koalitionen bilden sollten.

Während die albanischen Politiker insgesamt positiv auf den Plan reagierten, wird er von serbischer Seite überwiegend kritisch aufgenommen. Vor allem der serbische Vize-Premier und Kosovo-Beauftragte Belgrads Nebojsa Covic hat abgelehnt, den Plan als unverrückbar zu akzeptieren. Er hat selbst ein Acht-Punkte-Papier erarbeitet, das den Steiner-Plan ergänzen soll. Dreh- und Angelpunkt seiner Kritik ist die Forderung nach stärkerer Dezentralisierung, um die serbische Selbstverwaltung zu stärken.

Die kosovo-serbische Politikerin Rada Trajkovic erläutert in einem Interview mit der Deutschen Welle ihre Bedenken an Steiners Ansatz:

"Ich habe die Befürchtung, dass Steiner unter dem Druck der albanischen Seite das Ziel hat, die Enklaven aufzulösen und Albaner in diese Enklaven hineinzulassen, anstatt umgekehrt die Städte - Pec, (albanisch Peja – MD) Prishtina oder andere - zu öffnen, damit sich Serben dort frei bewegen können. Steiner spricht über Koalitionen zwischen Serben und Albanern. Die Realität ist, dass wir in Mitrovica zwei parallele Systeme haben. Es existiert ein absolutes Misstrauen zwischen den ethnischen Gemeinschaften. Jetzt haben wir Kommunalwahlen. Keiner der albanischen Führer ist in der Lage und hat den Mut, den Serben irgendeine Koalition anzubieten."

Anders die Reaktion der albanischen Politiker: Premierminister Bajram Rexhepi, der in Mitrovica geboren ist und aufgrund der derzeitigen Situation sein Haus im Norden nicht bewohnen kann, begrüßt den Steiner-Plan, kritisiert jedoch den Covic-Vorschlag. Denn der sei ein Spiel der Kosovo-Serben, mit dem Ziel, mehr finanzielle Unterstützung zu erhalten, so Rexhepi:

"Der Steiner-Plan stützt sich auf ein realistisches Fundament. Dieser Plan wird alle Beteiligten zufrieden stellen. Es ist letzten Endes ein Kompromiss-Plan, da, wie wir wissen, die Wünsche nicht unbedingt mit der Realität vereinbart werden können. Ich bin aber der Meinung, dass er einen guten Anfang darstellt. Falls dieser auch durchgesetzt wird, werden Wege für die Integration von Mitrovica eröffnet und Bewegungsfreiheit ermöglicht. Was die Vorschläge des serbischen Koordinierungszentrums angeht, so sind sie für uns inakzeptabel, in erster Linie weil er neue ethnische Gemeinden vorsieht - und das kommt für uns nicht in Frage."

Steiners Sieben-Punkte-Plan bietet eine Sonder-Förderung des Nordens bei der Geberkonferenz im November ebenso wie die spätere Diskussion an einer Dezentralisierung an. Allerdings knüpft er beides an die Bedingung, dass sich die Serben an der Kommunalwahl und der Bildung eines gemeinsamen Stadtparlaments mit den Albanern beteiligen.

In der Diskussion um die Teilnahme der Serben an der Wahl wird im Kosovo häufig eine Parallele zu den Parlamentswahlen 2001 gezogen: Damals hatte Steiners Vorgänger Hans Haekkerup mit Covic ein gemeinsames Abkommen geschlossen. Dieses wurde von albanischer Seite äußerst scharf kritisiert, war jedoch die Bedingung für die serbische Wahlbeteiligung. Vor diesem Hintergrund ist die heftige Diskussion um den Steiner-Plan und Covics Entwurf zu verstehen. Steiner beharrt darauf, dass sein Mitrovica-Plan, der international von der UN, EU und USA unterstützt wird, unverändert bleibt. Ein modifiziertes Steiner-Covic-Papier werde es nicht geben. (MK)