Schicksalstag für Mazedonien
26. Februar 2004Bonn, 26.2.2004, DW-RADIO/Mazedonisch, Nada Steinmann
"Der gute Hirte Mazedoniens", wie ihn einmal die "Berliner Zeitung" nannte, der mazedonische Staatspräsident Boris Trajkovski ist tot. Er starb ausgerechnet an dem Tag, an dem Mazedonien seinen Weg nach Europa untermauern wollte: Am Donnerstag (26.2.) sollte der Antrag auf EU-Mitgliedschaft offiziell in Dublin der irischen Ratspräsidentschaft übergeben werden. Dafür hatte sich Präsident Trajkovski besonders eingesetzt: Das Dokument ist das letzte Papier, das seine Unterschrift trägt. Trajkovski starb bei einem Flugzeugabsturz auf dem Weg von Mazedonien nach Bosnien.
Mazedonien verliert einen Präsidenten, der sich stets dafür stark machte, dass sein Land ein gemeinsamer Staat aller Bürger wird. Boris Trajkovski löste vor fünf Jahren den charismatischen Vater der mazedonischen Nation, den ersten Präsidenten des unabhängigen Mazedoniens, Kiro Gligorov ab. Mit seinem Vorgänger teilte Trajkovski die Einsicht, dass Mazedonien ohne einen Interessenausgleich zwischen mazedonischer Mehrheit und albanischer Minderheit nicht überleben kann. Er wurde Präsident des Landes im Oktober 1999, als in dem Vielvölkerstaat Mazedonien das Misstrauen zwischen der slawischen Mehrheit und der albanischen Minderheit - den beiden großen Volksgruppen des Landes - wuchs. Es waren auch die Stimmen der Albaner im Westen Mazedoniens, die Trajkovski zum Sieg verhalfen.
Trajkovski, der sich schon immer in den Konflikten auf dem Balkan um einen Ausgleich bemühte, wurde international bekannt während des Kosovo-Krieges 1999, als er als stellvertretender Außenminister das Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft kritisierte. Er warf den internationalen Politikern vor, dass sie Mazedonien alleine ließen mit den 350.000 Flüchtlingen aus dem Kosovo.
Mut und Weitsicht bewies er vor allem, als er 2001 in einer Rede das mazedonische Parlament aufforderte, das Reformpaket von Ohrid zu ratifizieren, um den Konflikt zwischen Albanern und Mazedoniern zu lösen. Es sei der einzige Weg, um das Land vor einer Katastrophe zu bewahren. Trajkovski würdigte das Ohrider Abkommen als den bestmöglichen Kompromiss: Er erhalte die territoriale Integrität des Landes, fördere die Entwicklung des Landes zu einem Bürgerstaat, reduziere den ethnischen Charakter seiner Institutionen und überwinde bestehende Ungleichheiten zwischen den Volksgruppen im Bereich der Sprachenpolitik und im Bildungsbereich. Dazu käme ein Ausbau der Demokratie auf lokaler Stufe, die den Gemeinden mehr Mittel und mehr Verantwortung übertragen werde.
Trajkovski hatte sich wiederholt die Kritik seiner mazedonischen Landsleute zugezogen, weil er sich um die Probleme der albanischen Minderheit im Lande gekümmert hatte. Dabei hat er sich von einem anfänglich extremen Nationalisten zu einem geachteten Verhandlungspartner der Albaner gewandelt:
"Es ist weder möglich noch angebracht eine hierarchische Beziehung zu schaffen, die den einen über den anderen stellen würde. Es gibt keine hochwertigen und minderwertigen Kulturen, es gibt keine hochwertigen und minderwertigen Zivilisationen. Es gibt keine hochwertigen und minderwertigen Sprachen oder Religionen, weil es keine hochwertigen und minderwertigen menschlichen Wesen gibt."
Boris Trajkovski war ein zurückhaltender und bescheidener Mann. Der 1956 in Strumica geborene Präsident wusste genau, dass er als Präsident zur Schlüsselfigur in einem Drama geworden war. Schon bei den Parlamentswahlen 1998 hatte seine Partei, die VMRO-DPMNE, die Sozialisten aus der Regierung verdrängt und überraschend mit den scheinbar schärfsten Widersachern, der Albanerpartei DPA, eine Koalition geschlossen.
Trajkovski war erst spät in die Politik eingestiegen. Als Vater von zwei Kindern hatte er sich nach dem Jurastudium zunächst in einer großen Baufirma nach oben gearbeitet. Seine anfängliche politische Unerfahrenheit und seine sympathische Ausstrahlung trugen gelegentlich dazu bei, dass man ihn als Politiker kaum ernst nahm. Er gehört der methodistischen Kirche an und galt als Prediger. Und was sollte ein Prediger gerade in den kriegerischen Zeiten auf dem Balkan schon ausrichten? Trajkovski stellte aber seinen Optimismus zur Schau, wenn er den westlichen Gesandten begegnete. "Ich habe Solana und all den anderen gesagt: 'Ich bin ein reicher Präsident, ich bin der Präsident von acht verschiedenen Ethnien. Diese Vielfalt macht mich reich'", pflegte Trajkovski zu sagen.
Zu dieser Zeit hielten Balkan-Experten angesichts der anhaltenden Gewalt in Mazedonien einen fünften Krieg in Südosteuropa für unvermeidlich. Ohne Trajkovski gäbe es heute das Abkommen zwischen Mazedoniern und Albanern nicht. Vehement setzte er sich auch für den EU-Beitritt seines Landes ein. Er glaubte an Mazedonien als einen Teil Europas. Bei seinem letzten Besuch in Deutschland erhielt er von Bundeskanzler Gerhard Schröder das klare Signal, dass Deutschland Mazedonien auf seinem Weg nach Europa unterstützt.
"Alle Gesprächspartner, mit denen ich geredet habe, haben bestätigt, dass die Republik Mazedonien in vielen wichtigen Gebieten und besonders bei den strukturellen Reformen Fortschritte gemacht hat. Von der deutschen Seite haben wir Unterstützung bekommen, diesen Weg weiter zu gehen. Bundeskanzler Schröder hat betont, dass Mazedonien sehr wichtige grundlegende Fortschritte mache und sich in einer positiven Richtung bewege. Die deutsche Seite signalisierte Zustimmung zu unserer Absicht, formell den Antrag auf EU-Beitritt zu stellen."
Leider kann Trajkovski die Früchte seiner Politik nicht mehr genießen. Das mazedonische Volk und Europa verlieren ein Staatsoberhaupt, das still und bescheiden große Zeichen in der Balkan-Politik gesetzt hat. (fp)