Schattenkrieg gegen Deutschland: Desinformation und Sabotage
13. Februar 2025Für Nachrichtendienste und die Politik sind es Tage voller Anspannung und Sorge. "Wir haben offensichtlich ein Problem mit Desinformation und Sabotageaktionen", sagt Konstantin von Notz im Gespräch mit der DW wenige Tage vor der Bundestagswahl am 23. Februar. "Jeden zweiten Tag sehen wir Drohnen über Deutschland, auch militärische Drohnen. Das ist ein ernstes Problem." Der Grünen-Politiker ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) - einer Institution, die im Auftrag des Parlaments die Nachrichtendienste kontrolliert.
Neben Drohnen und verdächtigen Ausfällen in der Infrastruktur gibt es weitere mutmaßliche Sabotageakte. Kürzlich wurden die Auspuffrohre von 270 Autos mit Bauschaum verstopft. Die Täter hinterließen auf den Autos Aufkleber, die die Tat als Werk von Klimaaktivisten ausweisen und wohl die Grünen belasten sollten. Nach Erkenntnissen aus Sicherheitskreisen bekamen die Täter Geld aus Russland. Wer die Ukraine unterstütze, gerate "ins Fadenkreuz des Kremls und seiner Schergen", sagte Außenministerin Annalena Baerbock als Reaktion auf die Sabotage.
Ziel: Spaltung und Diskreditierung
Im Visier haben die Behörden neben Russland auch China, Nordkorea und den Iran. "Wir sehen viele Spionageaktivitäten, aber die Beeinflussung dieser Wahl ist ein Hauptziel Russlands. Wir sehen, dass sie Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) unterstützen", sagt von Notz.
Eine erste große Desinformationskampagne in Deutschland wurde mit "Doppelgänger" identifiziert. Sie begann 2022, wenige Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Internetseiten seriöser Medien wurden imitiert und darüber gefälschte Nachrichten verbreitet. Ziel war es, Regierungen vor allem in Frankreich, den USA, Deutschland und Polen zu diskreditieren.
Inzwischen gibt es Nachfolgekampagnen, die sich meist ähneln: Fakes werden im Internet platziert und über Fake-Accounts in sozialen Medien verbreitet, die dann von Nutzern sofort geteilt und kommentiert werden können. "Sobald falsche oder irreführende Informationen zirkulieren, werden die Webseiten von den Urhebern wieder gelöscht. Was bleibt, sind die Desinformationen. Abgewandelt und modifiziert, werden sie teils auch noch nach Jahren online weiterverbreitet", heißt es auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums.
"Schläfer" und andere Phänomene
In jüngster Zeit machen Warnungen vor "Schläferseiten" die Runde. Mehr als 100 Pseudo-Nachrichtenwebseiten wurden inzwischen identifiziert, die alle nach der gleichen Methode vorgehen: "Diese Seiten werden als eine Art Kulisse aufgesetzt und oft mit KI-generierten Inhalten gefüllt", erklärt Ralf Beste, zuständig im Auswärtigen Amt für Kultur und Gesellschaft.
Auf den zunächst inaktiven Seiten, die Namen wie "Narrativ" oder "Berliner Aktuelle Nachrichten" tragen, soll zu einem bestimmten Zeitpunkt eine erfundene Geschichte platziert werden, die dann über soziale Medien und Influencer schnell verbreitet wird. "Wir müssen davon ausgehen, dass diese Websites vorbereitet wurden, um sie im Umfeld der Bundestagswahl zu aktivieren", sagt Beste.
Parallel dazu gibt es ein zweites Muster: "Overload". Behörden und Organisationen, die gegen Desinformation vorgehen, werden mit Anfragen und Prüfaufträgen überhäuft. Es seien Überlastungsangriffe, die die Faktenchecker überfordern sollen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. "Mit solchen Kampagnen werden öffentliche Diskurse manipuliert und demokratische Prozesse wie Wahlen attackiert", sagt Konstantin von Notz, der in den aktuellen Angriffen "nur die absolute Spitze des Eisbergs" sieht.
Neue Sicherheitsbehörde
Neu sind solche Muster allerdings nicht. Schon vor der letzten Bundestagswahl hieß es im Verfassungsschutzbericht, dass "einige Staaten - insbesondere die Russische Föderation - ihren Medienapparat einschließlich dessen Kanäle in sozialen Medien für eine tendenziöse und teils diskreditierende Darstellung bestimmter Parteien und Personen nutzten".
Bewegt hat sich trotzdem wenig. "Wir sind spät dran", sagt von Notz. "Wir haben in den vergangenen dreienhalb Jahren oft darüber diskutiert, aber wir haben nicht genug getan."
In der 2023 verabschiedeten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung wurde der Kampf gegen die Desinformation erstmals als Ziel definiert. Inzwischen wurde eine "Zentrale Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation" (ZEAM) im Bundesinnenministerium aufgebaut. Die ZEAM soll den Schutz der Bundestagswahl vor hybriden Bedrohungen und Desinformation koordinieren.
Deutsche Nachrichtendienste Papiertiger?
"Besonnen handeln" heißt es aus dem Außenministerium. Die zuständigen Stellen beobachten das Netz, und solange eine Desinformation nur als "Grundrauschen" bewertet wird, greift man nicht ein, um nicht selbst schädliche Narrative zu verbreiten. Erst wenn sich eine Kampagne so massiv verbreitet, dass ein Schaden absehbar ist, soll reagiert werden.
Im Ausland sei man weiter, sagt Konstantin von Notz vom Parlamentarischen Kontrollgremium gegenüber der DW. "Was wir brauchen, ist eine Agentur, wie sie zum Beispiel Schweden hat. Mit Leuten, die tatsächlich Desinformation verfolgen und erkennen und dagegen arbeiten." Deutschland werde auf vielfältige Weise angegriffen. "Wir müssen unsere Nachrichtendienste stärken, um die Desinformation zu bekämpfen", so der Grünen-Politiker.
Mehr Befugnisse nach der Wahl?
Doch die Politik lässt sich mit dem Umdenken Zeit. Nicht das Erkennen von Desinformation sei die größte Herausforderung, sondern der Umgang damit, heißt es aus Geheimdienstkreisen. In der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR wurden die Behörden willkürlich gegen unliebsame Bürger eingesetzt. Als Lehre aus dieser Zeit haben die Dienste in Deutschland weit weniger Befugnisse als in vergleichbaren anderen Ländern.
Auch Geheimdienste, die proaktiv spionieren und ihre Erkenntnisse schnell mit anderen Behörden austauschen können, gibt es in Deutschland nicht. Hierzulande gibt es "nur" Nachrichtendienste, die Informationen sammeln dürfen, aber schon bei der Weitergabe sehr hohe gesetzliche Hürden haben.
"Aus der Erfahrung der deutschen Geschichte heraus wird der Bürger in Deutschland vor einem übergriffigen Staat geschützt", erklärt ein Insider und meint: "Im Vergleich zu unseren Partnern sind wir ein Papiertiger. Dabei müssten wir uns seit dem 24. Februar 2022 (dem russischen Angriff auf die Ukraine, d. Red.) längst ganz neu auf das Thema einstellen."
Nach der Bundestagswahl könnte es deshalb neue Gesetzesinitiativen für mehr Befugnisse für die Nachrichtendienste geben.