Rumäniens "Prigoschin": Wer ist der Söldnerführer Potra?
11. Februar 2025Keine Spur von Enthusiasmus, kein Anzeichen dafür, dass sie jemals Kämpfer waren. Nur eine lange Schlange von Männern, die aussehen wie Besiegte und Gedemütigte. Sie gehen durch die Pforten, dann durch das Spalier der Journalisten, bleiben neben ihren Familien stehen, die sie herzlich umarmen. Auf Fragen antworten sie nicht.
Der internationale Flughafen Henri Coanda der rumänischen Hauptstadt Bukarest am ersten Samstag im Februar (1.02.2025): Gegen 20:00 Uhr Ortszeit kommen 288 rumänische Staatsbürger an - Söldner, die zuvor nach einer raschen Runde internationaler Verhandlungen aus dem Konfliktgebiet um die Stadt Goma in der Demokratischen Republik Kongo herausgeholt wurden. Sie sind in einem gecharterten Airbus auf der "Luftwaffenbasis 90" nahe dem zivilen Flughafen gelandet und haben mehrere Kontrollen durchlaufen, unter anderem einen sogenannten "epidemiologischen Filter". Es gab wohl auch Befragungen rumänischer Sicherheits- und Geheimdienste.
Die Ankömmlinge gehören zu einer Truppe des rumänischen Söldnerführers Horatiu Potra. Der 55-Jährige ist einer größeren Öffentlichkeit in Rumänien und im Ausland seit Anfang 2023 bekannt, unter anderem durch Recherchen internationaler Medien, darunter der Berliner tageszeitung (taz). Potra, eine Art "Prigoschin Rumäniens", der dem 2023 verstorbenen russischen Söldnerführer auch äußerlich ähnlich sieht, ist seit Beginn der 1990er Jahre als Fremdenlegionär, Leibwächter, Security-Dienstleister, Militärausbilder und Söldnerführer in afrikanischen und arabischen Ländern tätig.
Ende 2024 machte er während der rumänischen Präsidentschaftswahlen Schlagzeilen, weil er dem rechtsextremen Wahlsieger der ersten Runde, Calin Georgescu, nahesteht und zusammen mit diesem - so behaupteten es jedenfalls rumänische Behörden - einen Umsturz und einen Staatsstreich vorbereitet haben soll. Nun kommen immer mehr seiner dubiosen Aktivitäten ans Tageslicht.
Parallelen zur Wagner-Armee
Im Zuge der jüngsten militärischen Auseinandersetzungen in der Demokratischen Republik Kongo sollen zahlreiche von Potras Männern von der so genannten M23, einer berüchtigten kongolesischen Miliz der ethnischen Gruppe der Tutsi, gefangen genommen worden sein. Von ihrem anschließenden Transfer aus der ostkongolesischen Stadt Goma nach Ruanda kursieren zahlreiche Videos in sozialen Medien. Ihre Rückreise nach Rumänien wurde offenbar von einem Team einer UN-Mission in der Region vermittelt. Auch das rumänische Außenministerium war an der Rückführungsmission beteiligt, Einzelheiten dazu wollte ein Sprecher des Ministeriums der DW jedoch nicht mitteilen.
Vor Ort in der DR Kongo wurden Potras Männer lange Zeit offenbar nur "die Russen" genannt - weiße europäische Soldaten galten in der Bevölkerung pauschal als Söldner der russischen Wagner-Truppe, jener Privatarmee, die von Jewgeni Prigoschin gegründet worden war. Die Wagner-Truppe war in zahlreichen afrikanischen Ländern aktiv gewesen. Seit dem Tod Prigoschins wurde sie weitgehend in die Strukturen der russischen Armee eingegliedert.
Security-Chef für rumänische Geschäftsleute in Afrika
Rumäniens Prigoschin, Horatiu Potra, hat jedoch seine eigene Söldner-Vereinigung. Ihr Name: RALF, ein Akronym für "Rumänen, die in der französischen Legion dienten". Potra selbst diente in den 1990er Jahren in der französischen Fremdenlegion und war anschließend Leibwächter für verschiedene politische und Militärführer im Nahen Osten und in Afrika. Später arbeitete er als Ausbilder für Spezialtruppen und bewachte Edelmetall- und Diamantminen rumänischer Geschäftsleute in afrikanischen Ländern, unter anderem des rumänisch-australischen Bergbau-Milliardärs Vasile Frank Timis.
Laut einer im Dezember 2024 von der rumänischen Investigativplattform PressOne veröffentlichten Recherche begann Potra im Jahr 2022, rumänische Söldner für die DR Kongo zu rekrutieren. Die ersten knapp 100 der sogenannten "Romeos" sollten den Flughafen der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa schützen und mit den Regierungstruppen trainieren. Einige von ihnen waren zuvor Potras Kameraden in der französischen Fremdenlegion. Aber er rekrutierte laut PressOne auch Angestellte staatlicher rumänischer Sicherheitsdienste und Ministerien und lockte sie mit einem Vielfachen ihrer Gehälter.
Von Moskau bezahlt?
Lange bevor Potra einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, hatte er mit der rumänischen Justiz zu tun. Unter anderem ermittelte die rumänische Sonderstaatsanwaltschaft DIICOT, zuständig für politische Korruption und organisierte Kriminalität, 2010/11 gegen ihn wegen Drogen- und Waffenhandels. Verurteilt wurde er jedoch nur wegen illegalen Waffenbesitzes.
Verbindungen zur Wagner-Truppe konnten Potra bisher nicht nachgewiesen werden. Laut der Berliner taz soll Potra aber 2016 einen von Moskau bezahlten Auftrag erhalten haben, die Leibwächter von Faustin Touadera auszubilden, seit 2016 Staatspräsident der Zentralafrikanischen Republik. Potra selbst macht aus seinen guten Beziehungen zur russischen Botschaft in Bukarest keinen Hehl. Er ist auf mehreren Fotos von Veranstaltungen in der Botschaft zu sehen, auch noch nach Beginn des vollumfänglichen russischen Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022.
Drohungen gegen Staatspräsident
Anfang Dezember 2024, zwei Tage nach der Annullierung der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen, wurde Potra in der Nähe von Bukarest verhaftet. Der Verdacht: Er habe angeblich in die rumänische Hauptstadt kommen wollen, um wegen der annullierten Wahl zu Unruhen anzustiften. Im Kofferraum von Potra fanden die Ermittler unter anderem Hieb- und Stichwaffen, Funkgeräte sowie ein Fernrohr. Ein Ermittlungsverfahren gegen Potra läuft seitdem. Unter der Auflage einer Meldepflicht wurde die Untersuchungshaft gegen ihn jedoch ausgesetzt.
Potra selbst machte nach seiner Freilassung mehrfach ebenso abstruse wie unzusammenhängende Aussagen: Rumänien werde von den "Dienern des Globalismus" regiert. Solange die Polizei nicht diese, sondern statt dessen Leute wie ihn selbst verhafte, werde sich im Land nichts ändern - und "unsere Kinder müssen in den Krieg in der Ukraine ziehen". Dem - diese Woche zurückgetretenen -rumänischen Staatspräsidenten Klaus Iohannis, im Zivilberuf Physiklehrer, drohte er indirekt: Er sei nach Bukarest gekommen, um "den Physiklehrer wegen eines nicht bestandenen Tests in Mechanik nachsitzen zu lassen".