Rumänien: Disput um rechtsextremen Wahlsieger geht weiter
28. Februar 2025Calin Georgescu sah nicht aus wie der stählern-sportliche Held, als der er in seinen TikTok-Videos gern posiert. Als die Polizei ihn im Zentrum von Bukarest anhielt und zum Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft eskortierte, trug er einen grauen Pullover, eine blaue Fleecejacke und schlabberige weinrote Hosen. Nach einer Knie-OP lief er auf Krücken gestützt.
Als er rund fünf Stunden später wieder aus dem Gebäude trat, lächelte er siegesgewiss, nahm seine Krücken in die linke Hand und machte die Elon-Musk-Geste: die rechte Hand erst aufs Herz, dann schnell nach schräg oben ausgestreckt, ungefähr in der Stellung des Hitlergrußes.
Kurz zuvor hatte Elon Musk auf X geschrieben: "Sie haben gerade die Person verhaftet, die in der rumänischen Präsidentschaftswahl die meisten Stimmen gewonnen hat. Schweinerei." Das war zwar Fake-News, denn Georgescu war nicht verhaftet, sondern nur vernommen worden. Aber der Post hatte schnell fast so viele Views (17,9 Millionen) wie Rumänien Einwohner.
Gerichtliche Kontrolle
Es war die neueste Episode in der Kontroverse um die im Dezember 2024 annullierte rumänische Präsidentschaftswahl und den rechtsextrem-esoterischen, prorussischen Kandidaten Calin Georgescu, ursprünglich Erstplatzierter in der Wahl: Am Mittwoch (26.02.2025) wurde Georgescu von der rumänischen Generalstaatsanwaltschaft mehrere Stunden lang verhört. Anschließend stellte ihn die Behörde für vorerst 60 Tage unter gerichtliche Kontrolle - unter anderem darf er Rumänien nicht verlassen und nicht in sozialen Medien aktiv werden.
Zur Last gelegt wird Georgescu unter anderem, dass er zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgerufen, Falschinformationen verbreitet und falsche Angaben zu seiner Wahlkampffinanzierung gemacht habe. Auch eine frühere Ermittlung wegen Verherrlichung der antisemitischen rumänischen Legionärsfaschisten aus der Zwischenkriegszeit wurde wieder aufgenommen.
Zwar ist noch unklar, ob die Ermittlungen gegen den rechtsextremen Politiker zu einem Gerichtsverfahren führen. Auch eine Entscheidung darüber, ob Georgescu zur neu anberaumten Präsidentschaftswahl am 4. Mai antreten darf, steht noch aus. Dennoch sind die Ermittlungen ein vorläufiger neuer Höhepunkt in der Kontroverse um die Wahlannullierung.
Präsidentschaftswahl voller Merkwürdigkeiten
Und ein nächster Höhepunkt steht bereits bevor: Für Samstag (1.03.2025) haben Georgescu-Sympathisanten, darunter die rechtsextreme Partei AUR, mit rund 20 Prozent der Sitze zweitstärkste Partei im rumänischen Parlament, zu einer Großkundgebung vor dem Bukarester Regierungspalast aufgerufen. Es soll eine machtvolle Anti-Establishment-Kundgebung werden. Ob sie friedlich verläuft, ist offen - auf dem Bukarester Siegesplatz kam es bei Demonstrationen schon öfter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Zumindest könnte das Ermittlungsverfahren gegen Georgescu dazu führen, dass das Lager der Protestierenden und der Georgescu-Sympathisanten noch mehr Zulauf erhält. Zwar gibt es formal an dem jetzigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft nichts zu beanstanden. Doch insgesamt steckt der Umgang der rumänischen Staatsführung und der Justiz mit den Präsidentschaftswahlen voller Merkwürdigkeiten.
Wahl überraschend gewonnen
Eine rechtsextreme Kandidatin wurde im Oktober 2024 von der Wahl ausgeschlossen, weil sie die orthodox-christlichen, extrem antisemitischen Legionärsfaschisten der rumänischen Zwischenkriegszeit öffentlich verherrlicht hatte. Wegen desselben Tatbestands lief gegen Calin Georgescu seit langem ein Ermittlungverfahren, das jedoch aus ungeklärten Gründen "schlummerte". Ausgeschlossen wurde Georgescu von der Kandidatur nicht. Bis heute ist unklar, ob aus Behördenversagen oder Absicht.
In Umfragen kam Georgescu vor der Wahl nur auf wenige Prozent. Dann gewann er die erste Wahlrunde am 24.11.2024 überraschend mit rund 23 Prozent. Veranwortlich dafür war offenbar in den drei Wochen vor der Wahl ein rasantes Anwachsen von Georgescus Popularität über TikTok. Das Verfassungsgericht beanstandete die Wahl in einem Urteil zunächst nicht, annullierte sie aber kurz darauf in einem zweiten Urteil, so dass es nicht mehr zur geplanten Stichwahl am 8.12.2024 kam. Begründung dafür waren Geheimdiensterkenntnisse, denen zufolge Georgescu illegale Wahlkampffinanzierung erhalten hatte und außerdem mutmaßlich aus Russland unterstützt wurde.
Hilfe von Elon Musk
Für Ersteres gab es Belege, für Letzteres nicht. Ungeachtet dessen klang es wenig plausibel, dass rumänische Geheimdienste erst nach der Wahlrunde vom 24. November von Georgescus Machenschaften erfahren haben wollten. In den Augen eines erheblichen Teils der Öffentlichkeit hatte daher schlicht der für die politische Elite Rumäniens "falsche Kandidat" gewonnen.
Die Debatte darüber, ob die Wahlannullierung korrekt war oder nicht, hat sich seitdem in Rumänien immer mehr verschärft und seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump am 20.01.2025 sogar weltpolitische Höhen erreicht. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz Mitte Februar erklärte der US-Vizepräsident JD Vance die Wahlannullierung in Rumänien zu einem Paradebeispiel politischer Praxis im angeblich undemokratischen Europa. Der Tech-Milliardär Elon Musk wiederum verhalf Georgescu in den vergangenen Wochen durch mehrfache persönliche Posts auf X zu weltweiter Bekanntheit und einem weiteren Popularitätsschub in Rumänien.
Verbindungen zu einem Söldnerführer
In Rumänien selbst ist die Öffentlichkeit weiter gespalten über die Rechtmäßigkeit der Wahlannullierung. Auch unter den erklärten Georgescu-Gegnern halten manche die Annullierung für falsch. Sie argumentieren, dass Justizinstitutionen wie das Verfassungsgericht von der politischen Elite instrumentalisiert und Demokratie und Rechtsstaat beschädigt worden seien.
Belege für eine gelenkte Justiz gibt es im aktuellen Fall nicht. Allerdings sind in der Vergangenheit in anderen Fällen schwere politische Einmischungsversuche in die Arbeit von Staatsanwälten und Richtern vielfach dokumentiert worden.
Ein anderer Teil der Öffentlichkeit begrüßt es, dass die rumänische Justiz endlich aufgewacht sei, wenn auch sehr spät. Das umso mehr, als in den vergangenen Monaten immer mehr Einzelheiten über die Verbindungen zwischen Georgescu und einem prorussischen rumänischen Söldnerführer namens Horatiu Potra herausgekommen sind. Er ist eine Art rumänischer Jewgenij Prigoschin und war jahrezehntelang in afrikanischen Ländern aktiv. Georgescu und Potra stehen in enger Verbindung. Bei Durchsuchungen in Potras Anwesen nahe Bukarest wurden in dieser Woche ein Waffenarsenal und große Mengen Bargeld gefunden. Angeblich soll er Umsturzpläne in Rumänien verfolgt haben.
Einen noch übleren Beigeschmack erhält die Kontroverse um die Wahlannullierung und Georgescu durch eine weitere Justizaffäre: die plötzliche Ausreise der Tate-Brüder am Donnerstag (27.02.2025) aus Rumänien. Die beiden britischen Influencer, Trump-Unterstützer, Ex-Kampfsportler und Millionäre stehen in Rumänien seit Jahren wegen sexuellem Missbrauchs, Frauenhandels und anderer krimineller Aktivitäten unter Anklage. Angeblich soll sich Trumps Regierung für sie eingesetzt haben. Am Donnerstag hob ein Bukarester Gericht überraschend das Ausreiseverbot der Tates auf. Prompt flogen sie im Privatjet nach Florida. US-Präsident Donald Trump erklärte dazu anschließend, er habe mit der Ausreise der Tates aus Rumänien nichts zu tun.