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Robert Habeck und die Grünen - plötzlich in der Opposition

25. Februar 2025

Von den drei bisherigen Regierungsparteien haben die Grünen bei der Bundestagswahl am besten abgeschnitten. In die Opposition müssen sie trotzdem.

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Eine Frau in weißer Jacke - Annalena Baerbock - und ein Mann in dunkler Jacke - Robert Habeck - stehen nebeneinander und blicken nach rechts unten
Freude sieht anders aus: Annalena Baerbock und Robert Habeck am Montag in Berlin Bild: Wolfgang Rattay/REUTERS

Wie sieht Ratlosigkeit aus und Frust? Ein bisschen so, wie Robert Habeck und Annalena Baerbock gerade wirken. Die Bundestagswahl ist vorbei, der Noch-Vizekanzler und die Noch-Außenministerin sitzen mit ernsten Mienen vor Journalisten in der Bundespressekonferenz in Berlin.

Es hat nicht gereicht. 11,61 Prozent der Stimmen haben die Grünen bekommen, nach 14,8 Prozent bei der Wahl 2021. Die bisherige Regierungspartei wird mit der neuen Macht-Verteilung in Deutschland nichts zu tun haben, das dürften Konservative (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) unter sich ausmachen.

Bis CDU-Chef Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler gewählt ist, bleiben die beiden Grünen-Politiker in ihren Ministerämtern - geschäftsführend, ohne großen Gestaltungsspielraum. Um Ostern herum endet dann die Zeit der Grünen an den Schalthebeln der Macht - nach nicht einmal vier Jahren.

Habeck: Der gute Wahlkampf tröstet nicht

Kanzlerkandidat Habeck zählt auf, woran es gelegen haben könnte: Eigentlich hat er, findet Habeck, nicht viel falsch gemacht in diesem harten und kurzen Wahlkampf. Er hat dafür gesorgt, dass die Grünen sich bündnisfähig präsentiert haben, sowohl mit den Sozialdemokraten als auch mit den Konservativen.

Der Wahlkampf sei gut gewesen, die Partei geschlossen. Noch in der Nacht habe er zahlreiche Anrufe bekommen, auch aus dem Ausland, mit viel Zuspruch. Aber: "Mich tröstet das nicht. Wir wollten mehr. Für mich ist die Frage nicht, wo kommen wir her? Was wäre möglich gewesen? Das ist kein gutes Ergebnis: Wir wollten mehr."

Eine Reporterin hält ein Mikrofon mit blau-weißen DW-Logo, Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann spricht hinein
Fraktionschefin Britta Haßelmann zur DW: "Wir müssen schon mit allen Parteien der Mitte koalitionsfähig sein."Bild: Jens Thurau/DW

Habeck will keine Führungsämter mehr

Der Wirtschaftsminister nutzt seinen Auftritt, um zu verkünden, er werde "keine führende Rolle in den Parteitableaus der Partei mehr beanspruchen oder anstreben". Also: kein Fraktionschef, auch keine herausgehobene Position in der Partei, die Habeck mal hatte, als Chef der Grünen bis zur Wahl 2021.

Annalena Baerbock schweigt erstmal zu ihren Zukunftsplänen. Wie Habeck gehört auch sie dem neuen Bundestag an. Habeck beklagt , wie sehr der Wahlkampf vom Thema Migration bestimmt gewesen sein. Die AfD, aber auch CDU und CSU hätten von Migranten wie von "Naturkatastrophen" gesprochen. Gleichzeitig hatte Habeck in den letzten Wochen als Kanzlerkandidat darauf geachtet, nach allen Seiten offen zu sein - auch zur CDU.

Parteichef Felix Banaszak glaubt, dass das die Grünen Stimmen gekostet hat. Er sagt der DW: "Viele Menschen, die sich vorstellen konnten, die Grünen zu wählen, fanden die Vorstellung offenbar ganz schrecklich, dass Friedrich Merz Bundeskanzler wird."

Zu viel über eine harte Migrationspolitik gesprochen?

Auch Habeck sprach in den letzten Wochen oft von der Notwenigkeit von Abschiebungen, auch nach Afghanistan. Schon am Wahlabend fragten Grünen-Politiker, ob es denn klug gewesen sein, von sich aus so viel über Migration zu reden. Am Ende verloren die Grünen 700.000 Stimmen an die Linken, die eine eher liberale Migrationspolitik offen verteidigten.

Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte am Wahlabend der DW: "Manche haben sich ganz zum Schluss gefragt, gerade jüngere Menschen: Was machen die Grünen, wenn komplizierte Mehrheitsverhältnisse im deutschen Bundestag zustande kommen? Wir haben immer betont: Ja, wir wollen Zukunft gestalten, wir stehen für Zusammenhalt und gegen Spaltung. Wir müssen in der Lage sein, mit jeder demokratischen Kraft im Parlament bündnisfähig sein."

Grüne wissen: Das Ampel-Chaos hat auch ihnen geschadet

Habeck erinnerte daran, dass CDU-Chef Merz kurz vor der Wahl im Bundestag mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen "Alternative für Deutschland" (AfD) über eine Verschärfung der Migrationspolitik habe abstimmen lassen. Das habe die Stimmung im Land unnötig aufgeheizt - und allen Parteien der Mitte geschadet.

FDP-Chef Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz sitzen nebeneinander mit ernsten Mienen auf den blauen Stühlen im Bundestag
"Der Streit der Ampel hat auch uns geschadet": Wirtschaftsminister Robert Habeck zwischen FDP-Chef Christian Lindner (l.) und Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Regierungsbank im Januar 2024Bild: Thomas Trutschel/photothek/picture alliance

Aber bei allem Ärger über den Wahlkampf: Das eher bescheidene Ergebnis der Grünen ist auch das Resultat einer spektakulär gescheiterten Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP. Der Koalition, die wegen ihrer Parteifarben Rot, Gelb und Grün auch Ampel genannt wurde. Das sieht auch Britta Haßelmann so: "Wir haben zwar wahnsinnig viel erreicht, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien geht oder das neue Staatsbürgerschaftsrecht. Aber die Koalition war sehr mit Streit verbunden."

Opposition wird den Grünen schwerfallen

Jetzt sind die Grünen also in der Opposition, und es wird schwer werden für die Umwelt- und Klimaschutzpartei sich umzustellen. Auch Parteichef Felix Banaszak trauert am Wahlabend der Möglichkeit nach, bei all den Umwälzungen nicht mehr an der Macht zu sein in Deutschland.

Er sagt der DW: "Der Wahlkampf war ja in Teilen ziemlich entrückt von der sich ständig wandelnden Wirklichkeit. Wir haben eine vollkommen andere Lage in Deutschland und in Europa mit der Art, wie sich US-Präsident Donald Trump aufgestellt hat. Wir brauchen jetzt eine Regierung, die klar macht, dass Deutschland jetzt eine selbstbewusste Rolle in Europa einnimmt."

Es wird eine Regierung ohne die Grünen sein. Sich in der Opposition einigeln, wollen die Grünen dennoch nicht. Und vielleicht werden sie ganz kurzfristig noch einmal gebraucht, ein letztes Mal im Bundestag mit der alten Zusammensetzung.

Helfen die Grünen mit bei der Reform der Schuldenbremse?

Denn CDU-Chef Merz, der mögliche neue deutsche Bundeskanzler, will den alten, abgewählten Bundestag vielleicht noch einmal zusammenkommen lassen, um die strengen Schuldenregeln des Landes zu "reformieren", wie er das nannte. Denn Deutschland braucht viel Geld, um die Bundeswehr aufzurüsten.

Das ist notwendig, nachdem US-Präsident Trump erklärt hat, sich nicht mehr um die Verteidigung Deutschlands und Europas kümmern zu wollen. Will Merz die Schuldenregeln ändern, braucht er eine Zweidrittel-Mehrheit der Stimmen, die er im neu gewählten Bundestag für sein Vorhaben nicht finden dürfte.

Aber geht das? Kann das alte Parlament nach der Neuwahl noch einmal abstimmen, und das bei einem so wichtigen Thema wie neuen Milliarden für die Armee? Ein heikles Unterfangen.

Was sagen die Grünen dazu? Sie erklären sich bereit, bei dem riskanten Plan mitzumachen - ganz im Stil einer Regierungspartei. Die werden sie aber wohl nur noch wenige Wochen sein. Um Ostern herum will sich Friedrich Merz von CDU/CSU und SPD zum neuen Bundeskanzler wählen lassen.