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"Reporter ohne Grenzen" zur Pressefreiheit in Russland

8. Januar 2004
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Bonn, 7.1.2004, DW-RADIO / Russisch, Gennadij Temnenkow

In Russland wird immer häufiger Druck auf ausländische Korrespondenten ausgeübt. Einigen deutschen Journalisten wird das gewöhnliche Jahresvisum für das Land verweigert. Stattdessen wird ihnen ein Visum für ein halbes Jahr oder drei Monate ausgestellt.

Die Hauptaufmerksamkeit wird im Bericht von "Reporter ohne Grenzen" über die Verletzung der Wortfreiheit in verschiedenen Ländern den Konfliktherden gewidmet, wo Journalisten beim Ausüben ihrer Dienstpflichten ums Leben kommen. Unter den Staaten, in denen die Pressefreiheit am stärksten verletzt wird, werden Kuba und Bangladesch genannt. Russland wird jedoch in diesem Dokument lediglich mit einem Satz erwähnt. Wieso? Hat sich womöglich die Situation mit der Freiheit des Wortes in Russland zum besseren geändert? Dazu eine offizielle Vertreterin der Organisation "Reporter ohne Grenzen" bei der "Deutschen Welle":

"Wir haben gestern lediglich Jahresbilanz gezogen und einige Zahlen veröffentlicht. In der Regel erwähnen wir in solchen Fällen einzelne Staaten nur kurz. Der Hauptbericht über die Freiheit der Medien wird von uns im Frühjahr veröffentlicht. Was die Situation in Russland und einigen anderen ehemaligen Sowjetrepubliken betrifft, so hat sich diese keinesfalls verbessert. In unserer im Oktober letzten Jahres veröffentlichten Untersuchung über die Einhaltung der Freiheit der Medien nimmt Russland den 158. Platz unter 166 Ländern ein, in denen wir Beobachtungen vorgenommen haben. Die Situation mit der Einhaltung der Freiheit der Medien in Russland ruft weiterhin große Besorgnis hervor."

Was ruft bei den Mitarbeitern von "Reporter ohne Grenzen" besondere Besorgnis auf dem Gebiet der Pressefreiheit in Russland hervor? Diese Frage haben wir an den deutschen Journalisten Jürgen Döschner gerichtet, der einige Jahre lang als Korrespondent in Russland tätig war und jetzt Mitarbeiter der Organisation "Reporter ohne Grenzen" ist:

"Mich beunruhigt zum Beispiel die Tatsache, dass es in Russland keinen einzigen vom Staat unabhängigen landesweiten Fernsehsender mehr gibt. Seit der Staat den Sender NTW kontrolliert, gibt es in Russland kein unabhängiges Fernsehen mehr. Ferner ruft bei mir das Verhalten der Machthaber in der Provinz gegenüber den Journalisten Besorgnis hervor. Immer wieder wird uns berichtet, dass Gouverneure und im wirtschaftlichen Sinne einflussreiche Strukturen die Freiheit des Wortes in der lokalen Presse einschränken, Druck auf kritisch gesinnte Journalisten ausüben, diese verfolgen. In der letzten Zeit wird immer häufiger Druck auch auf ausländische Korrespondenten ausgeübt. Das hat nach der Geiselnahme im Musicaltheater in Moskau mit einem Schreiben der russischen Botschaft in Berlin an die ARD begonnen, die sich darüber beschwerte, wie die ARD über die Ereignisse berichtet hat. Jetzt ist uns bekannt, dass einige deutsche Journalisten kein gewöhnliches Jahresvisum für Russland bekommen können. Stattdessen wird ihnen ein Visum für ein halbes Jahr oder drei Monate ausgestellt."

Dabei handelt es sich Jürgen Döschner zufolge um Journalisten, die durch ihre z. B. kritischen Reportagen über die Ereignisse in Tschetschenien bekannt wurden. Auf die Frage, womit die russische Seite das begründet, antwortete der deutsche Korrespondent wie folgt:

"Das wird überhaupt nicht begründet. Die Bundesregierung hat allem Anschein nach bereits versucht, sich einzuschalten. Es wird jedoch weiterhin nicht offiziell begründet, wieso diese Visa lediglich für eine kurze Frist ausgestellt werden. Sieht man sich jedoch die Journalisten an, die das betrifft, so wird sofort klar, worum es geht. Aber diese russische Politik ist uns seit langem bekannt: die politisch motivierten Maßnahmen werden nicht als solche ausgegeben, deshalb ist es schwierig, auf diese mit politischen Gegenmaßnahmen zu antworten." (lr)