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ReiseEuropa

Reisen durch Europa als LGBTQIA+-Person

Emma Kremer
24. Juli 2025

Europa gilt als Kontinent der Vielfalt. Für LGBTQIA+-Menschen gibt es beim Reisen trotzdem einiges zu beachten.

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Lesbisches Paar mit Regenbogenfahne am Strand
Wie ist es als LGBTQAI+-Person in Europa zu reisen?Bild: Julio Rodriguez/Westend61/IMAGO

Weltweit variieren die Rechte für LGBTQIA+-Personen stark: Was in manchen Ländern mit dem Tod bestraft wird, wird anderorts regelmäßig bei bunten Pride-Events gefeiert. Auch innerhalb Europas unterscheiden sich sowohl die rechtliche Lage als auch die soziale Akzeptanz der queeren Community stark zwischen den Ländergrenzen.

"Grundsätzlich sind die Bedürfnisse von Lesben, Schwulen, Trans* und allem möglichen andern, was dazwischen ist, genau die gleichen wie von jeder oder jedem anderen auch", betont Jörg Argelander. Gemeinsam mit Gregor Hiebel leitet er seit 1996 das Berliner Reisebüro "overtherainbow" und berät dort regelmäßig LGBTQIA+-Personen zum sicheren Reisen.

"Ich möchte Erholung haben, ich möchte Spaß haben, ich möchte neue Leute kennenlernen und mich frei bewegen können", fasst er die Wünsche seiner Kund*innen zusammen. Für queere Reisende kann es deshalb sinnvoll sein, sich im Voraus über gesellschaftliche Normen, mögliche Anlaufstellen und die eigenen Rechte im Zielland zu informieren.

Die Progress Pride Flagge weht im Wind
Die Pride Progressive Flagge beinhaltet neben den ursprünglichen Farben der Regenbogenfahne zusätzlich die Farben der Trans*-Flagge sowie braune und schwarze Farben für People of ColorBild: Cavan Images/IMAGO

Die Länder im Ranking

Die EU setzt sich durch verschiedene Bestimmungen wie dem Vertrag von Amsterdam (1997), der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) und den Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierung für den Schutz von LGBTQIA+-Personen ein. Trotzdem lassen sich bei einigen EU-Mitgliedsstaaten oder Beitrittskandidaten aktuell rückläufige Tendenzen finden: So strichen zuletzt beispielsweise Ungarn und Georgien "Geschlechtsidentität" aus ihren Gleichstellungsgesetzen.

Gleichzeitig gibt es aber auch andere Entwicklungen: Österreich legt seit diesem Jahr im Bundesgleichbehandlungsgesetz fest, dass "Geschlecht" Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität und -ausdruck umfasst. Zur Einschätzung der rechtlichen und politischen Situation europäischer Reiseziele bietet sich die Rainbow Map der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) an. Als weltweiter Dachverband von Organisationen, die sich für LGBTQIA+-Rechte einsetzen, bewertet ILGA jährlich 49 europäische Länder anhand von 76 Kriterien in sieben Kategorien.

Seit zehn Jahren belegt Malta den ersten Platz des Rankings, in diesem Jahr erzielte der Inselstaat eine Bewertung von 88,83% und liegt somit deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 41,85% sowie dem der Europäischen Union (51,13%). Die letzten drei Plätze belegen 2025 Russland (2%), Aserbaidschan (2%) und die Türkei (5%). Deutschland landet mit 69,1% auf dem achten Platz.

Pride-Flaggen im LGBTQAI+-freundlichen Viertel in Paris, Frankreich
Cafés und Restaurants im Marais, dem bekannten LGBTQAI+-Viertel in Paris, werden jährlich zur Pride und auch darüber hinaus mit bunten Regenbogenflaggen geschmücktBild:

Nationale Gepflogenheiten

Für die Reisevorbereitung lohnt sich jedoch auch ein Blick über die rechtlichen Bestimmungen im Land hinaus, um nicht unabsichtlich gegen soziale Normen oder Sitten zu verstoßen. LGBTQIA+-Reiseführer, Reiseblogs, Apps oder auch die Website des Auswärtigen Amts können nützlich sein, um sich im Voraus über nationale Gepflogenheiten zu informieren.

Auf den Straßen portugiesischer Großstädte beispielsweise sind gleichgeschlechtliche Pärchen keine Besonderheit – das öffentliche Austauschen von Zärtlichkeiten zwischen Erwachsenen, unabhängig vom Geschlecht, ist jedoch unüblich. Portugal zählt auch zu den wenigen europäischen Ländern, in denen es, ähnlich wie seit November 2024 in Deutschland, ein Selbstbestimmungsgesetz gibt.

Ein Mann arbeitet am Schreibtisch, eine Pride-Flagge steht neben ihm
LGBTQAI+-freundliche Reisebüros können bei der Vorbereitung helfen, genauso wie Apps, bestimmte Websites und ReiseführerBild: Andrey Popov/Pond5 Images/IMAGO

Vorkehrungen für TIN*-Menschen

Für TIN*-Menschen (trans*, inter* und nicht-binäre Personen) können Reisen mit Grenzkontrollen zu einer besonderen Herausforderung werden. "Also ganz konkret: Wenn nicht M oder F im Pass steht, sondern divers, dann ist es in gewissen Ländern ein Problem, da einzureisen. Und das beginnt schon beim Flugticket", weiß Argelander.

Dass Fluggesellschaften die Angabe "divers" auf dem Ticket anbieten, sei noch immer die Ausnahme. Auch die emotionale Vorbereitung auf invasive Fragen, beispielsweise durch Sicherheitspersonal am Flughafen, ist im Jahr 2025 noch immer ratsam. "Gerade wenn es um Trans*-Personen geht, dann ist das eben kein Spaß, wenn man bei den Body-Scannern raus gewunken wird und das jedes Mal passiert. Das ist eine Sache, die betrifft diese Menschen, die machen sich Leute, die nicht in dieser Problematik sind, überhaupt nicht bewusst", betont der Reisebüroleiter.

In Deutschland kann beim Verein dgtiaußerdem ein Ergänzungsausweis beantragt werden, in dem alle selbstgewählten personenbezogenen Daten und ein aktuelles Passfoto dokumentiert werden. Somit zeigt er Unterschiede zwischen dem eigenen Aussehen und Angaben in offiziellen Dokumenten auf. Der Ausweis soll Diskriminierung verhindern und bietet sich nach der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes vor allem auch für Menschen an, die noch keine endgültige Entscheidung zur rechtskräftigen Namens- oder Geschlechtsänderung getroffen haben.

Der dgti-Ausweis wird bei vielen Behörden, Innenministerien, Banken, Universitäten, Versicherungen und der Polizei anerkannt, ist jedoch nur gültig in Kombination mit einem behördlichen Personaldokument. Zusätzlich gibt der Verein auf der Website zahlreiche Tipps zum Reisen und anderen Lebensbereichen für TIN*-Personen.

U-Bahn-Haltestelle Alexanderplatz mit Pride-Farben, Berlin, Deutschland
Mit seinen vielen LGBTQAI+-freundlichen Clubs und Bars zählt Berlin zu einer der beliebtesten Städte für queere ReisendeBild: Arnulf Hettrich/IMAGO

Aktivitäten im Land

Ist man erst einmal im Zielland, kann es schön sein, sich mit der Community vor Ort zu vernetzen. Hierzu gibt es beispielsweise Apps, über die man Mitreisende oder queere Hostels finden kann. Auch LGBTQIA+-Reisebüros stellen eine gute Möglichkeit dar, um Menschen aus der Community kennenzulernen, wenn gewünscht. Darüber hinaus gibt es besonders in Großstädten oft Viertel oder Straßen, die für die Szene bekannt sind: Das Marais in Paris, Chueca in Madrid oder die Via Lecco und die Via Tadino in Mailand sind nur einige Beispiele.

Auch "Gay Beaches", an denen mehrheitlich queere Personen zusammenkommen, existieren an manchen Standorten. Besonders bekannt sind der Elia Beach und Paraga Beach auf Mykonos. Wer mehr Lust auf kulturelle Angebote hat, findet in vielen Städten natürlich auch ruhigere Orte, an denen man dennoch Zugänge zur Community entdecken kann: Im Museum "Queer Britain" in London oder in der queeren Buchhandlung "Antigone" in Mailand, zum Beispiel.

Als besonders beliebte Städte gelten im Jahr 2025 durch ein breites Angebot an LGBTQIA+-Bars und Clubs übrigens Berlin, Amsterdam und Helsinki. Argelander zählt außerdem Spanien und Griechenland als die gefragtesten Länder auf. "Weil dort vor Ort die Gesellschaft teilweise sogar weiter ist als wir in Deutschland. Und es gar nicht weiter thematisiert wird", erklärt er.

In den meisten europäischen Ländern können LGBTQIA+-Menschen grundsätzlich sorglos reisen und dabei sicher sein, dass sie besonders in den Großstädten auf Menschen aus ihrer Community treffen. Vorsicht ist trotzdem geboten, da es auch in Europa vereinzelt zu Angriffen auf queere Menschen kommen kann. Jörg Argelander betont: "Am besten wäre, man würde völlig unsichtbar diesbezüglich durch die Welt gehen. Aber wir sind nicht unsichtbar und wir wollen es auch nicht sein."