Regierungsbildung: Wo CDU/CSU und SPD noch Lösungen suchen
31. März 2025Eigentlich müsste man meinen, dass Geld bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD keine Rolle mehr spielen dürfte. Schließlich wurde ein Schuldenpaket in Billionenhöhe auf den Weg gebracht - allerdings nur für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz.
Die Mittel dürfen nur zusätzlich zum regulären Bundeshaushalt ausgegeben werden. Und in dem klafft weiterhin ein gewaltiges Loch. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums fehlen mindestens 100 Milliarden Euro in den planmäßig vier Regierungsjahren der neuen Regierung.
Viele Fragen sind offen
Die SPD würde am liebsten die Steuern für Spitzenverdiener erhöhen, doch die Union ist dagegen. Auf dem Weg zu einer neuen Bundesregierung wird inzwischen auf Chef-Ebene verhandelt. Zunächst hatten die Fachpolitiker der drei Parteien in 16 Arbeitsgruppen ihre jeweiligen politischen Vorstellungen und Pläne abgeklärt. Nach zehn Verhandlungstagen fassten sie schriftlich zusammen, wo Konsens herrscht und was strittig ist.
Offene Fragen blieben insbesondere in den Bereichen Migration, Steuern, Rente und Energiepolitik. Dazu kommt: Im Wahlkampf wurde viel versprochen. Das wollen die Fachpolitiker der drei Parteien nun umgesetzt sehen: Von Steuersenkungen über Rentensteigerungen für Mütter bis zu kostenlosen Mittagessen in Kitas und Schulen.
Nur ein Teil der Pläne wird finanzierbar sein
Er habe das Gefühl, dass in manchen Koalitionsarbeitsgruppen die Überschrift "Wünsch Dir was" gelautet habe, kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz. Aufgabe der Hauptverhandlungsgruppe werde es jetzt sein, "das auf das mögliche Maß zu reduzieren". Klar sei: "Wir werden umfassend sparen müssen."
"Unsere Mittel sind begrenzt", sagte SPD-Co-Chefin Saskia Esken. Es müsse entschieden werden, "was sich tatsächlich verwirklichen lässt". Ihr Ko-Parteichef Lars Klingbeil ergänzte, die geplante schwarz-rote Koalition dürfe den "Fehler" der letzten Regierung nicht wiederholen, "dass wir gute Dinge aufschreiben, die am Ende aber nicht finanziert sind".
Alles soll auf den Prüfstand
Seit Freitag (28.3.) laufen die finalen Koalitionsverhandlungen. 19 Spitzenpolitiker von Union und SPD werden entscheiden, darunter die Chefs der Parteien und der Fraktionen im Bundestag. Treffpunkt ist im Wechsel eine der drei Parteizentralen in Berlin. Die ersten beiden Sitzungen, die im Willy-Brandt-Haus, also der SPD-Zentrale stattfanden, dauerten jeweils rund fünf Stunden.
Verhandelt wird hinter verschlossenen Türen. Doch die Verhandler machen kein Geheimnis daraus, dass die Finanzen zentral sind. Es brauche einen "Kassensturz unseres gesamten Haushalts", so Merz. Alles müsse auf den Prüfstand. Vor allem die Sozialausgaben. Die machten 2024 laut Bundesfinanzministerium rund 45 Prozent des Haushalts aus. Der belief sich insgesamt auf 476 Milliarden Euro.
Immer mehr Rentner in Deutschland
Ein Großteil der Sozialausgaben kann aber nicht einfach gestrichen werden, darunter die Kosten der alternden Gesellschaft. 2024 musste der Staat 116 Milliarden Euro in die klammen Rentenkassen zuschießen, das war rund ein Viertel des Gesamthaushalts.
Kürzen will die CDU beim sogenannten Bürgergeld, das Arbeitslose bekommen und bei den Ausgaben für Asyl und Migration. Die illegale Migration soll so weit wie möglich unterbunden werden. Um das zu erreichen, wollen CDU und CSU Asylsuchende an den deutschen Grenzen "in Abstimmung" mit den europäischen Nachbarn zurückweisen.
Absprachen mit den Nachbarländern
Doch was heißt Abstimmung? Dass die Nachbarn zustimmen müssen oder nur in Kenntnis gesetzt werden? Darüber herrscht Uneinigkeit mit der SPD. Von CDU-Chef Merz ist allerdings kaum zu erwarten, dass er die europäischen Nachbarn vor vollendete Tatsachen stellt und damit massiv brüskiert.
Seit der Bundestagswahl hat der voraussichtlich nächste Bundeskanzler bereits mit mehreren europäischen Regierungschefs gesprochen. Das Thema Migration wird dabei sicher eine zentrale Rolle gespielt haben. In Medienberichten heißt es, dass es bereits Absprachen mit den Nachbarländern gebe, wie die Zurückweisungen an den Grenzen ablaufen könnten.
Wird bei der Entwicklungshilfe gespart?
Weniger Asylbewerber zu versorgen und mehr Arbeitslose in einen Job zu vermitteln, das wird die Lücken im Haushalt allein aber nicht stopfen. Auf der Suche nach weiteren Einsparmöglichkeiten ist unter anderem die Entwicklungspolitik in den Fokus geraten.
CDU und CSU schlagen vor, die Ausgaben für Entwicklungshilfe abzusenken und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in das Auswärtige Amt zu integrieren. Ziel müsse sein, dass Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik einschließlich der Außenwirtschaftsförderung Hand in Hand gehen.
CDU-Chef Merz hatte im Wahlkampf von der "Wiederherstellung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit" gesprochen. Dazu gehört für ihn, politische und ökonomische Interessen zu verbinden, vor allem auch in Ländern, in die deutsches Geld fließt. Die Trennung von Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit hält Merz für kontraproduktiv.
Die Sozialdemokraten leisten Widerstand
Die SPD will das Ministerium hingegen erhalten und dort Bereiche der Entwicklungspolitik auch aus anderen Ressorts bündeln. Verwunderlich ist das nicht, wird das BMZ doch von der Sozialdemokratin Svenja Schulze geschäftsführend geleitet. Bei den Entwicklungsausgaben verlangt die Partei, dass an der sogenannten ODA-Quote festgehalten wird. Die besagt, dass 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP) für Entwicklungshilfe ausgegeben werden müssen.
Ein Sprecher des BMZ wies darauf hin, dass sich in Ländern wie Großbritannien gezeigt habe, "dass die Abschaffung eines eigenständigen Ministeriums oder einer starken Behörde entsprechend zu einer Schwächung der internationalen Beziehungen und Kooperationen führt".
Kritik von Kirchen und aus der Politik
"Wer bei der Entwicklung spart, schwächt nicht nur unsere internationalen Partnerschaften, sondern auch die Werte und Interessen, für die Deutschland steht", heißt es in einer Erklärung führender Persönlichkeiten aus Kirche und Politik, unterschrieben unter anderem von der früheren Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und ihrem Amts-Nachfolger Gerd Müller (CSU).
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, betonte, Entwicklungszusammenarbeit sei "keine Nebensache neben vielen, sondern ist eine Investition in Frieden, Gerechtigkeit und in eine gemeinsame Zukunft". Ein eigenständiges Entwicklungshilfeministerium gebe benachteiligten Ländern eine Stimme in der deutschen Politik und stehe für eine wertegeleitete Außenpolitik.
Katholische Bischöfe aus Afrika und dem Nahen Osten äußerten zusammen mit dem katholischen Hilfswerk missio Aachen ebenfalls Kritik. Sie appellierten an Union und SPD, die Entwicklungszusammenarbeit zu stärken.