Ramush Haradinaj befürwortet Referendum über den künftigen Status des Kosovo
11. Juni 2003Anzeige
Köln, 10.6.2003, DW-radio / Albanisch
Frage
: Was sind für Sie die Hauptcharakteristika der vergangenen vier Jahre in Kosova?Antwort:
Als Erfolge können gewertet werden die Normalisierung des Lebens in den ländlichen Regionen und in den Städten, die Verbesserung der Sicherheitslage, der Aufbau einer demokratischen Ordnung und der Institutionen, die demokratischen Wahlen. Also alles was mit einem normalen Leben in Kosova und mit dem Aufbau einer demokratischen Infrastruktur zu tun hat.Frage:
Und dennoch muss in Kosova noch viel Arbeit geleistet werden. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme, die das heutige Kosova beschäftigen?Antwort
: Das größte Problem ist die unbestimmte Lage in Kosova selbst. Angefangen vom nicht definierten Status, der Eigentumsfrage bis zum ungeklärten Status unserer Bürger und Wirtschaftsfragen. Kosova befindet sich in keiner günstigen Lage, um ein wirklicher Partner werden und aus der Partnerschaft mit anderen Ländern profitieren zu können.Frage:
Wie kann die Frage der Rückkehr und der vollen Sicherheit für die Serben gelöst werden? Das ist eines der von verschiedenen Seiten am stärksten betonten Probleme.Antwort:
Die Schwierigkeiten, auf die wir bei der Rückkehr der Flüchtlinge gestoßen sind, sowohl der Serben und der Minderheiten, als auch der Albaner, sind keine Folge der Sicherheitslage, sondern der Möglichkeiten, die Kosova bietet. Wir haben kein langfristiges Angebot, sondern können nur die Rückkehr anbieten. Wir können materielle Sicherheit, Arbeitsplätze, bessere Infrastruktur, Wohlstandschancen für Rückkehrer nicht garantieren. Die Sicherheitslage hat ein gutes Niveau erreicht und die Sicherheitsorgane sind gut vorbereitet, aber die wirtschaftliche Lage und die begrenzten Möglichkeiten in Kosova behindern eine erfolgreiche Rückkehr. (Hinweis: Das Interview wurde vor dem Mordanschlag in Obiliq/Obilic geführt – MD)Frage:
Kann Kosova die Grundrechte für alle seine Bürger garantieren?Antwort
: Ja. Ich denke, dass die bisherigen Verpflichtungen und die Verfassungsbasis für unsere Entschlossenheit zur Einhaltung der Minderheitenrechte sprechen und eine institutionelle Garantie für diese Rechte darstellen.Frage
: Ist das das Kosova, für das Sie gekämpft haben?Antwort:
Wir haben für ein freies und demokratisches Kosova aller Bürger gekämpft, aber auch für ein wirtschaftlich entwickeltes und integriertes Kosova. Ich denke, teilweise ist das das Kosova, für das wir gekämpft haben - natürlich liegt noch viel Arbeit vor uns.Frage
: Wann erwarten Sie den Beginn der Verhandlungen über den endgültigen Status Kosovas?Antwort
: Diese Verhandlungen haben viel früher begonnen und sie werden weitergeführt. Die Festigung oder der Aufbau der Staatlichkeit Kosovas dauern heute noch an. Wir denken, dass das nützlichste Modell zur Lösung des Status die Anerkennung des Rechts des Volkes Kosovas ist, durch ein Referendum über seine Zukunft abzustimmen. Diese ist die gerechteste Form einer Klärung des endgültigen Status Kosovas.Frage
: Die internationale Staatengemeinschaft hat mehrmals auf den Beginn eines Dialogs zwischen Prishtina und Belgrad gedrängt. Ist ein solcher Dialog möglich?Antwort:
Ich glaube, die Herstellung von Kontakten und ein gegenseitiger Austausch, auch mit Belgrad sind zum Nutzen Kosovas. Wir beabsichtigen die Errichtung einer gleichrangigen Partnerschaft mit Serbien.Frage:
Ihre Partei hat im Parlament die Ausrufung der Unabhängigkeit Kosovas vorgeschlagen. Was sind Ihre Argumente für die staatliche Unabhängigkeit Kosovas?Antwort:
Die historische Vergangenheit Kosovas selbst, seine verfassungsrechtlichen Errungenschaften auch in den Zeiten der Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Jugoslawien, die Willensbekundung des kosovarischen Volkes durch verschiedene Formen, der friedliche Widerstand, der Freiheitskampf, unsere Bereitschaft, den europäischen und euroatlantischen Ländern anzugehören; das sind alles überzeugende Argumente, mit denen wir nicht nur das Vertrauen der Minderheiten, sondern auch das der Nachbarn gewinnen wollen. Ich denke, wir werden dieses Ziel erreichen.Frage
: Trotzdem verlangt das offizielle Belgrad, dass Kosova im Rahmen Serbiens bleibt, mit dem Argument, es sei ein Teil von ihm gewesen. Slobodan Milosevic sei nicht mehr an der Macht und durch eine andere, demokratische Struktur ersetzt. Warum ist diese Lösung für Sie nicht annehmbar?Antwort
: Die Frage der Volksbestimmung im Kosova und des endgültigen Status ist nicht nur mit dem Verbleib oder Weggang Milosevic' von der Macht verbunden, oder auch mit den Entwicklungen innerhalb der serbischen Gesellschaft. Ich denke, die Argumente sind auf unserer Seite: Für die Unabhängigkeit und für gute Zusammenarbeit mit Serbien.Frage
: Denken Sie, es besteht die Möglichkeit der Teilung Kosovas und der Neubestimmung der äußeren Grenzen?Antwort
: Dies ist kein überlegter und ein sehr unseriöser Vorschlag. Wir halten ihn für sehr schädlich und für nicht realisierbar. Das Öffnen der Grenzfragen wo auch immer auf dem Balkan würde uns in vergangene Situationen zurückversetzen und die Stabilität in der Region sowie das Zusammenleben und die gute Nachbarschaft beschädigen.Frage:
Wie bewerten Sie die Beziehungen der politischen Gruppen und der Institutionen Kosovas zu dem internationalen Faktor dort?Antwort:
Momentan stockt die eigentliche Zusammenarbeit. Die jetzige Situation, in der Kosova weiterhin von der internationalen Staatengemeinschaft verwaltet wird, bringt ihm keinen weiteren Nutzen. Ich denke, der Übergang von einem Verwaltungsmandat der UNMIK zu einem Prozess der Unterstützung der Institutionen wäre eine Garantie und ein Ausweg für die Fortsetzung der im Kosova gestarteten Prozesse.Frage:
Wie sehen Sie die Zukunft und die Perspektive Kosovas?Antwort
: Ich glaube, die Zukunft Kosovas liegt in den regionalen Integrationsprozessen und im Beitritt in die EU. Kosova muss in Europa mit einer eigenen Identität als unabhängiger und demokratischer Staat eintreten, als ein Staat aller seiner Bürger und als Stabilitätsfaktor in der Region.Frage:
Denken Sie, die Drohungen mit Krieg sind Vergangenheit für das Kosova und für die Region?Antwort:
Trotz der jetzigen Lage gibt es keinen Grund für Pessimismus. Im Kosova wird eine Konsolidierung der demokratischen Ordnung und des Staates erfolgen. Es besteht keine Gefahr für einen Krieg oder für neue Konflikte in der Region. Interview: Bahri Cani (MK)Anzeige