Daniela Klette: mutmaßliche RAF-Terroristin vor Gericht
24. März 2025Gut möglich, dass dies eines der letzten großen Gerichtsverfahren rund um die früheren deutschen Linksterroristen der "Rote Armee-Fraktion" (RAF) werden wird. In Celle im Bundesland Niedersachsen beginnt an diesem Dienstag der Prozess gegen die mutmaßliche ehemalige Terroristin Daniela Klette. Mit großer Medien-Aufmerksamkeit, wie immer, wenn es um die RAF geht. Jener RAF, die seit den Siebziger Jahren die damalige Bundesrepublik lange in Atem hielt. Und auf deren Konto laut den Ermittlungsbehörden mehr als 30 Morde gehen.
Überfälle auf Geldtransporte und Supermärkte
In der RAF-Zeit könnte Klette in den 1980er und 1990er Jahren unter anderem an Sprengstoffattentaten auf ein Gefängnis in Hessen sowie an einem Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn beteiligt gewesen sein - das muss aber später in einem weiteren Verfahren geklärt werden. Um die Taten aus der RAF-Zeit geht es jetzt in diesem Verfahren erstmal nicht. Gemeinsam mit ihren Gesinnungsfreunden Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg soll die heute 66 Jahre alte Klette zwischen 1999 und 2016 Geldtransporter überfallen und Supermärkte ausgeraubt haben, vornehmlich in Norddeutschland, weswegen das Verfahren nun dort stattfindet. Weil bei den Überfällen auch Schüsse fielen, ist Klette auch wegen versuchten Mordes angeklagt. Staub und Garweg sind immer noch flüchtig, Klette selbst wurde im Februar vergangenen Jahres in Berlin gefasst. Nachdem sie jahrelang unter falscher Identität im Ortsteil Kreuzberg unbehelligt gelebt hatte.
Überfälle für den Lebensunterhalt
Die RAF selbst hatte sich bereits 1998 in einem Schreiben, das die Behörden als authentisch einstuften, aufgelöst. Die insgesamt 13 Überfalle, die das Trio um Klette seitdem laut Anklageschrift begangen haben soll, hatten denn auch nicht mehr den Zweck, die Vorbereitung von Terror-Taten zu finanzieren, sondern dienten offenbar nur dem Lebensunterhalt der drei in die Jahre gekommenen Revolutionäre. Aber wenn es um die RAF geht, sind deutsche Ermittlungs - und Justizbehörden immer noch hoch alarmiert. Eigentlich sollte der Prozess in der Stadt Verden in Niedersachsen stattfinden, das Landgericht dort wurde aber als nicht groß und sicher genug eingestuft. Extra für das Verfahren wird dort eine frühere Reithalle umgebaut, bis dahin findet der Prozess in Celle statt.
Morde an Politikern, Justiz - und Wirtschaftsvertretern
Das erinnert dann schon wieder an die Zeit, als die RAF die damalige Bundesrepublik in einen Schockzustand versetzte, vor allem im Jahr 1977. Auch damals wurde in Stuttgart-Stammheim eigens ein Gerichtssaal gebaut, für das Verfahren gegen die Gruppenanführer. Und dieser Saal stand auf dem Gelände des Gefängnisses, in dem die Angeklagten einsaßen. Dem Selbstverständnis nach eine kommunistische und anti-imperialistische Stadtguerilla, griff die RAF seit Anfang der Siebziger Jahre führende Repräsentanten von Staat, Wirtschaft und Justiz offen an, ermordete etwa Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto. Insgesamt 27 RAF-Mitglieder wurden im Laufe der Jahrzehnte zu lebenslanger Haft verurteilt.
Der "Deutsche Herbst"
Die Konfrontation mit dem Staat fand ihren Höhepunkt im Herbst 1977, dem so genannten "Deutschen Herbst", als die Gruppe zunächst den damaligen Chef der Arbeitgeberverbände, Hanns-Martin Schleyer, entführte, um inhaftierte RAF-Mitglieder freizupressen. Als die Bundesregierung mit dem damaligen Kanzler Helmut Schmidt (SPD) an der Spitze sich weigerte, entführten palästinensische Gesinnungsgenossen ein deutsches Urlauber-Flugzeug auf Mallorca, das nach einem Irrflug durch den Nahen Osten schließlich in Somalia landete, in Mogadischu. Dort befreite eine Anti-Terror Einheit des damaligen Bundesgrenzschutzes alle Urlauber, zuvor war allerdings der Pilot der Maschine von den Terroristen ermordet worden.
Als Folge der Befreiung begingen die Inhaftierten in Stuttgart-Stammheim Selbstmord, unter ihnen der RAF-Mitbegründer Andreas Baader. Schleyer wurde später ermordet aufgefunden. Aber der Staat hatte den Kampf gegen die RAF für sich entschieden, mit aller Härte. Auch wenn die RAF weiter mordete, fand sie nie zur früheren Stärke zurück.
Ein Kampf der sehr wenigen gegen 60 Millionen
Aber nicht wenige junge Westdeutsche sympathisierten in den Siebziger Jahren heimlich oder offen mit der Gruppe. In der Öffentlichkeit wurde zeitgleich ein Bedrohungs-Szenario vor allem durch die Medien erzeugt, dass es real so wohl nie gegeben hatte. Von einem einsamen "Kampf der 6 gegen 60 Millionen" sprach etwa der Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll. In all den Jahren betrug die Zahl der im harten Kern aktiven Mitglieder tatsächlich nur rund 80 Personen - insgesamt.
Immer noch hat die RAF viele Sympathisanten
Auch Klette folgt offenbar ihren Gesinnungsfreunden und hat dem revolutionären Kampf in keiner Form abgeschworen. Eigene Aussagen oder gar Geständnisse sind von ihr nicht zu erwarten. Kurz vor ihrer Festnahme gelang es ihr noch, einen ihrer Freunde zu warnen. Von Garweg und Staub fehlt trotz intensiver Fahndung seither jede Spur. Nach wie vor gibt es in der linksextremen deutschen Szene Sympathien für die RAF, deren noch lebende Mitglieder zum Mythos verklärt werden. Vor der Haftanstalt in Vechta in Niedersachsen, in der Klette seit mehr als einem Jahr sitzt, gab es immer wieder kleinere Protest-Demonstrationen. Auch wenn die RAF längst Geschichte ist - und schon gar keine Gefahr mehr von ihr ausgeht. Insgesamt wird mit einer Prozess-Dauer von rund zwei Jahren gerechnet.