Radsport-WM in Ruanda - viel steht für Afrika auf dem Spiel
Veröffentlicht 5. März 2025Zuletzt aktualisiert 5. März 2025"Wir sind immer an gefährlichen Orten unterwegs. Im Jahr 2014 waren wir drei Wochen nach dem Maidan-Aufstand in Kyjiw", sagt Matthias Schnapka, Chef und Gründer des Radteams Bike Aid, nach der Tour du Rwanda gegenüber der DW. "Die Realität auf den Straßen ist fast immer anders, als sie in den Medien dargestellt wird. Häufig entsteht der Eindruck von einem Staat durch einen einzigen Bericht. Aber das ist immer nur ein kleiner Ausschnitt aus einem riesigen Land, in dem Millionen von Menschen leben und jeden Tag Tausende von Dingen passieren."
Schnapkas Team besteht seit 2009, seit 2014 ist es als sogenanntes "Continental Team" in der dritthöchsten Kategorie der Profimannschaften registriert. Bike Aid will jedoch nicht nur sportliche Erfolge einfahren, sondern vor allem den Radsport in Afrika vorabringen.
Bei der Tour du Rwanda, die am vergangenen Wochenende zu Ende ging, gewann Bike Aid die Teamwertung und stellte mit dem deutschen Fahrer Oliver Mattheis den Drittplatzierten hinter dem siegreichen Franzosen Fabien Doubey und dem Eritreer Henok Mulubrhan.
EU-Parlament macht Druck auf Ruanda
Die inzwischen 17. Auflage der Radrundfahrt in Ruanda stand unter besonderer Beobachtung. Das Europaparlament hatte in einem Entschließungsantrag am 11. Februar gefordert, die für dieses Jahr in dem afrikanischen Land geplante Rad-Weltmeisterschaft (21. bis 28. September 2025) abzusagen, "wenn Ruanda seinen Kurs nicht ändert".
Das EU-Parlament wirft der Armee Ruandas vor, im Bürgerkrieg im Nachbarstaat Demokratische Republik Kongo eine Rebellengruppe militärisch zu unterstützen und damit den Konflikt anzuheizen.
Der Radsport-Weltverband Union Cycliste Internationale (UCI) hat erklärt, dass es mit Blick auf die WM "keinen Plan B" gebe. Die Veranstaltung in Ruanda wäre die erste Rad-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden.
Das belgische Topteam Soudal Quick-Step, bei dem unter anderen der Doppel-Olympiasieger von Paris 2024, Remco Evenepoel, sein Geld verdient, hatte seinen Start bei der Tour du Rwanda mit Hinweis auf die Nähe der Route zum Konfliktgebiet in der DR Kongo abgesagt. Daran entzündete sich eine Sicherheitsdebatte. Die achttägige Veranstaltung verlief jedoch weitgehend reibungslos. Lediglich die Schlussetappe musste nach 13 Kilometern abgebrochen werden - wegen schlechten Wetters.
Schnapka: "Sport kann Brücken bauen"
Bike-Aid-Chef Schnapka hält die Tour du Rwanda für die am besten organisierte Radsportveranstaltung des Kontinents. Und auch um die Sicherheit seiner Fahrer hat er sich keine Sorgen gemacht. "Welches Land kann von sich behaupten, frei von Konflikten zu sein?", fragt der deutsche Teamchef mit Blick auf die Diskussionen um die geplante WM in Ruanda. "Es ist einfach, einem so weit von uns entfernten Land Korruption, Menschenrechtsprobleme oder Sportswashing vorzuwerfen. Aber man sollte sich auch die Mühe machen, die Umstände und Hintergründe genauer zu betrachten. Die sind meist komplexer."
Auch die früheren Kolonialmächte trügen für einige Missstände eine Verantwortung, so Schnapka. Der Radsport könne verbinden: "Unsere Fahrer stehen mit den Zuschauern auf der Straße. Sie sprechen mit Menschen, mit denen sie sonst nie gesprochen hätten. Sport kann Brücken bauen."
Ende des Radsports in Afrika?
Wie Bike Aid hat sich auch das Team Africa Rising (TAR) auf die Fahnen geschrieben, den Radsport in Afrika zu fördern. Für TAR-Gründerin und -Geschäftsführerin Kimberly Coats wäre die Absage der WM im September in Ruanda eine Katastrophe. "Wenn wir dieses Rennen verlieren, wenn die Europäer das forcieren, wird es den afrikanischen Radsport zerstören", sagt die US-Amerikanerin der DW. "Wir würden Jahrzehnte brauchen, um uns davon zu erholen. Weil es das Narrativ untermauern würde, dass Afrika gefährlich ist."
TAR ist nicht nur in Ruanda präsent, sondern auch in anderen afrikanischen Staaten wie Benin, Sierra Leone oder Togo. Coats leitet dort die Radsport-Talentsuche sowie Trainings- und Rennprogramme. "Hat eigentlich irgendjemand daran gedacht, dass da [im Radsport - Anm. d. Red.] eine Menge Afrikaner dabei sind, die hoffen, ihr Land und ihren Kontinent zu vertreten? Das interessiert offenbar niemanden", redet sich Coats in Rage.
"Das macht mich sehr betroffen, denn ich arbeite seit 16 Jahren hier. Wir legen uns voll ins Zeug, um diesen Kindern die Chancen zu geben, die sie verdienen. Und dann kommen die Leute aus der Politik daher und beschließen einfach, dies sei in ihrem besten Interesse. Es ist nicht im Interesse der Aktiven oder der Länder, die versuchen, den Sport zu entwickeln."
Nach wie vor neigten Sponsoren dazu, von den afrikanischen Aktiven vor allem eines einzufordern: Dankbarkeit. "Wir nennen das den 'Kumbaya'-Effekt: Sie sollten mit dem zufrieden sein, was wir ihnen geben", erklärt Kimberly Coats.
"Ich sage nein. Wir haben jetzt über 110 afrikanische Fahrer auf der Profi-Ebene - mehr als in den Vereinigten Staaten, um genau zu sein. Sie haben jedes Recht, das zu tun, was in ihrem Interesse ist, und den Sport auf die nächste Stufe zu heben. Biniam Girmay [Radprofi aus Eritrea - Anm. d. Red.] hat mit seinem Grünen Trikot [des besten Sprinters] bei der letzten Tour de France bewiesen, dass Afrikaner auf höchstem Niveau mithalten können."
Der Artikel wurde aus der englischen Originalfassung "Much at stake in cycling World Championships in Rwanda" adaptiert.