Putin lässt Ukraine nach Telefonat mit Trump beschießen
19. März 2025Russland und die Ukraine haben einander neue Angriffe auf die jeweils eigene Infrastruktur vorgeworfen. Das ukrainische Militär teilte im Internetdienst Telegram mit, in der Nacht zu Mittwoch seien 145 russische Drohnenattacken registriert worden; ein Großteil davon sei abgewehrt worden. In der frontnahen Stadt Kupjansk im Gebiet Charkiw wurde laut offizieller Mitteilung mindestens eine Frau getötet.
Nach Angaben der Behörden in Sumy im Nordosten des Landes wurde dort mindestens ein weiterer Mensch getötet, mehrere Personen wurden verletzt. Zudem wurden zwei Krankenhäuser beschädigt. In der Region Kyjiw, die die Hauptstadt umgibt, wurde Gouverneur Mykola Kalaschnyk zufolge ein Mann bei einem Luftangriff verletzt. Mehrere Häuser hätten Treffer abbekommen. Auch aus Odessa, Poltawa, Dnipropetrowsk und Tschernihiw wurde Beschuss gemeldet.
"Gerade jetzt"
Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, schrieb auf Telegram: "Russland greift zivile Infrastruktur und Menschen an - gerade jetzt." Selenskyj selbst erklärte im gleichen Kurznachrichtendienst: "Heute hat (Russlands Präsident Wladimir) Putin den Vorschlag für eine vollständige Waffenruhe de facto abgelehnt."
Das russische Militär wiederum meldete ukrainische Angriffe auf mehrere Regionen. Ein Großteil der heranfliegenden Drohnen sei zerstört worden, hieß es. In der südrussischen Oblast Krasnodar wurde nach Behördenangaben ein Brand in einem Öldepot ausgelöst. "Die Arbeiten in der Anlage wurden eingestellt", teilte die Regionalverwaltung mit. Auch in Kursk, Brjansk, Orjol, Tula und über dem Asowschen Meer seien Drohnen gesichtet worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau.
350 Kriegsgefangene dürfen nach Hause
Nur wenige Stunden zuvor hatten US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin sich in einem Telefonat auf eine 30-tägige Aussetzung russischer Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur verständigt - sofern die Ukraine spiegelbildlich reagiert. Wie beide Seiten bestätigten, gab es jedoch keine Einigung auf eine allgemeine Feuerpause. Verabredet wurde zudem, dass Russland und die Ukraine je 175 Kriegsgefangene austauschen.
Der ukrainische Präsident begrüßte die Ankündigung, bat zugleich aber um mehr Details. "Wir unterstützen solche Vorschläge", sagte Selenskyj in Kyjiw. Man könne sich aber erst dazu äußern, wenn die US-Seite nähere Einzelheiten übermittelt habe. Die von Putin formulierten Bedingungen zielten darauf ab, die Ukraine "so weit wie möglich" zu schwächen, fügte Selenskyj hinzu.
Was hat der Kremlchef wirklich verlangt?
Nach Angaben des Kremls hatte Putin in dem Telefonat mehrere bekannte Forderungen wiederholt. So müssten die westlichen Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte sowie die Weitergabe von Geheimdienstinformationen eingestellt werden.
Gegenteilig äußerte sich indes der amerikanische Präsident im US-Fernsehsender Fox News. Auf die Frage der Moderatorin, ob Putin einen sofortigen Stopp sämtlicher Hilfen für die Ukraine gefordert habe, antwortete Trump: "Nein, das hat er nicht. Wir haben nicht über Hilfen gesprochen." Unklar blieb, auf welche Art von Unterstützung Trump sich dabei bezog - ob es also um militärische, finanzielle oder humanitäre Hilfe ging.
Die EU-Außenbeauftrage Kaja Kallas wies entsprechende Forderungen aus Moskau als inakzeptabel zurück. "Wenn sie erreichen, dass die Ukraine keine Militärhilfe mehr bekommt, dann können sie weitermachen, wie sie wollen, weil sich die Ukrainer nicht verteidigen können", warnte Kallas. Russland wolle "nicht wirklich irgendeine Art von Zugeständnissen machen", fügte die Estin hinzu.
"Putin spielt ein Spiel"
Ähnlich äußerte sich der deutsche Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im ZDF-"Morgenmagazin". Putins Bedingungen für eine Waffenruhe zielten vor allem darauf ab, die Ukraine zu schwächen, damit er weiter aufrüsten und weitere Truppenverbände an der Grenze zur Ukraine oder in den besetzten Gebieten zusammenziehen könne. "Putin spielt hier ein Spiel". Der SPD-Politiker betonte, er sei sicher, "dass der amerikanische Präsident da nicht lange wird zusehen können".
Trumps Sondergesandter Steve Witkoff sagte dem Sender Fox News, Gespräche über eine allgemeine Waffenruhe der Kriegsparteien sollten am Sonntag im saudischen Dschidda beginnen. Die Delegation der Vereinigten Staaten werde von Außenminister Marco Rubio und dem Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz angeführt.
Deutsche Milliardenhilfe auf den Weg gebracht
Unterdessen informierte Bundesfinanzminister Jörg Kukies den Haushaltsausschuss des Bundestages, er beabsichtige zusätzliche Ukraine-Hilfen in Höhe von rund drei Milliarden Euro zu bewilligen - vorbehaltlich der Zustimmung des Gremiums. Das meldet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person.
Zudem wolle Kukies außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen über 8,3 Milliarden Euro für die ukrainische Militärhilfe von 2026 bis 2029 genehmigen. Mit einer Verpflichtungsermächtigung kann der Bund gemäß deutschem Haushaltsrecht zur Leistung von Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren verpflichtet werden; der Bundesfinanzminister muss dem zustimmen.
Der Schritt war erwartet worden, nachdem der Deutsche Bundestag am Dienstag den Weg für ein neues Schuldenpaket und praktisch unbegrenzte Ausgaben für Verteidigung und die Unterstützung völkerrechtswidrig angegriffener Staaten freigemacht hatte. Für die geplante Grundgesetzänderung ist auch die Billigung des Bundesrats mit einer Zweidrittelmehrheit erforderlich; die entsprechende Sitzung der Länderkammer ist für Freitag geplant.
jj/se (dpa, afp, rtr)
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