Protestdemonstrationen im Kosovo gegen Verhaftung von früheren UCK-Kämpfern
26. August 2002Köln, 23.8.2002, DW-radio, Ismet Dacik
Seit drei Wochen geht die Staatengemeinschaft, vertreten durch die internationale Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) und die UNO-Mission im Kosovo (UNMIK), verschärft gegen albanische Nationalisten in Kosovo vor. Bei mehreren Einsätzen wurden bislang elf ehemalige UCK-Mitglieder festgenommen. Unter ihnen ist Rustem Mustafa, "Remi", der prominenteste. Er wird des fünffachen Mordes beschuldigt. Die Festnahmen lösten eine Welle von Protestaktionen aus. Ein Teil der Regierung im Kosovo schloss sich der Haltung der Protestierenden an. Das US-amerikanische Außenministerium bedauerte in einer am Donnerstag (22.8.) veröffentlichten Erklärung, "bei der Durchführung des Gesetzes und der Gerechtigkeit, auf Unwillen der kosovarischen Regierung gestoßen zu sein." Der Parlamentspräsident in Kosovo, Nexhat Daci, rief daraufhin seine Landsleute dazu auf, die Protestaktionen zu beenden. Vergebens: am Freitag (23.8.) erreichten sie in Pristina ihren Höhepunkt. Ismet Dacik fasst die neusten Entwicklungen zusammen.
Der Parlamentspräsident erklärte unmissverständlich: "Die Protestaktionen gegen die Staatengemeinschaft sollen umgehend aufhören. Diese Protestaktionen sind absolut unbegründet; sie sollen sich so schnell wie möglich gegen die Institutionen des Kosovo und gegen die politischen Anführer richten. Gegen uns, die in der Lage sind, große Wahlversprechen zu machen, und dann nicht einmal versuchen, diese zu verwirklichen."
Der Vorsitzende des "Rates für die Organisation der Protestaktionen", Sabit Halitjaha, erklärte gegenüber der albanischen Redaktion von DW-Radio, er teile die Meinung des Parlamentspräsidenten nicht: "Wir verstehen die Haltung des Herrn Daci. Er befindet sich unter dem Druck der UNMIK-Verwaltung. Da unsere Regierung aber nichts in der Hand hat, soll sie es lassen, uns davon zu überzeugen, dass sie eine Lösung finden wird. Sie haben nichts in der Hand, womit sie die entstandenen Probleme lösen könnten. Falls die nationalen und internationalen Institutionen uns versprechen, unser Problem zu lösen, werden wir die Aktionen beenden. Wir tun das nicht aus Jux und Tollerei. Wir haben höhere Ziele."
Und an der Verfolgung dieser Ziele könne auch die Erklärung der US-Regierung nichts ändern, sagte Halitjaha und warf der Staatengemeinschaft Zusammenarbeit mit Belgrad vor: "Jeder hat das Recht zu sagen, was er will. Wir setzen aber unsere Sache fort. Wir werden Akten veröffentlichen, die in Serbien angelegt worden sind und anhand derer die ehemaligen UCK-Mitglieder verfolgt werden. Die in Belgrad gefertigte Akte mit der Nummer 168 ist eine antialbanische Bestellung aus Belgrad, die von UMNIK ausgeführt wird."
Die UN-Mission in Kosovo arbeite mit den serbischen Behörden zusammen, die Festgenommenen seien unschuldig und die Festnahmen politisch motiviert. So lauten die Hauptvorwürfe der Organisatoren gegen die in Kosovo vertretene Staatengemeinschaft. Nicht selten gehen die Teilnehmer weiter und vergleichen die jetzige Lage mit der Zeit unter dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Diese Meinung teilt Halitjaha nicht:
"Bei den Protestaktionen gibt es auch Stimmen, die nicht in unserem Programm vorgesehen sind. An diesen Aktionen sind verschiedene Leute beteiligt. Das ist jedenfalls nicht unsere Meinung. Wir haben nicht vor, uns mit der Staatengemeinschaft anzulegen. Es gibt keine Logik zu sagen: Nieder mit der Welt, der man ebenfalls angehört. Es ist aber so, dass die Bevölkerung ohne eine ausreichende Garantie für die Erfüllung ihrer Belange die Protestaktionen fortsetzen wird."
Bei den Demonstrationen für die Freilassung von mutmaßlichen albanischen Extremisten waren vergangene Woche in Deçan, das auf serbisch Decani heißt, etwa 90 Kilometer südwestlich von Prishtina, 53 Teilnehmer der Kundgebung, vier KFOR-Soldaten und elf UN-Polizisten verletzt worden.
Die internationale Kosovo-Friedenstruppe KFOR hat inzwischen die Sicherheitsmaßnahmen zum eigenen Schutz erhöht. Nach den gewalttätigen Demonstrationen im Westen der südjugoslawischen Provinz bestehe ein "erhöhtes" Risiko, sagte Catherine Brooke, Sprecherin des Zentralen Sektors, für den die britischen KFOR-Truppen verantwortlich sind. (MK)