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PolitikPolen

Polen setzt das Asylrecht aus

27. März 2025

Ein neues polnisches Gesetz erlaubt die Aussetzung des Asylrechts. Ab sofort darf an der polnisch-belarussischen Grenze nur noch in Ausnahmefällen Asyl beantragt werden. Dabei geht es auch um Innenpolitik und Wahlkampf.

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Uniformierte stehen auf einem Streifen zwischen Stacheldraht und einem Hohen Zaun
Polnische Sicherheitskräfte am Grenzzaun zu BelarusBild: Alexandra von Nahmen/DW

Die Regierung von Donald Tusk  hat eine Verordnung über die "vorübergehende Einschränkung des Rechts auf Asylantrag" angenommen, die seit Donnerstag (27.03.2025) in Kraft ist. Das passiert in Polen zum ersten Mal und ist Folge einer entsprechenden Gesetzänderung, die einen Tag zuvor von Präsident Andrzej Duda unterzeichnet wurde. Die neuen Regelungen gelten zunächst für 60 Tage und betreffen nur die Grenze zu Belarus. Danach kann sie nach Zustimmung des Parlaments um weitere 60 Tage verlängert werden. Dennoch soll der Grenzschutz Anträge auf internationalen Schutz von unbegleiteten Minderjährigen, schwangeren Frauen und Personen entgegennehmen dürfen, also von Personen, die möglicherweise eine besondere Behandlung benötigen, etwa wegen ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands.  

Die Einschränkung gilt auch nicht für Personen, bei denen nach Ansicht des Grenzschutzes Umstände vorliegen, die "eindeutig belegen, dass sie in dem Land, aus dem sie direkt nach Polen gekommen sind, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt sind, ernsthaften Schaden zu erleiden". 

Ein Stop-Schild an einem Schlagbaurm
An der polnisch-belarussischen Grenze darf nur nohc in Ausnahmefällen Asyl beantragt werden (Symbolbild)Bild: DesignIt/Zoonar/picture alliance

In der Migrationsfrage geht die liberal-konservative Tusk-Regierung härter vor als die national-konservative Vorgängerregierung der PiS (Recht und Gerechtigkeit). Tusks Flaggschiffsprojekt ist der "Schutzschild Ost", der Polen nicht nur vor Militärangriffen, sondern auch vor von Moskau und Minsk gesteuerter Migration schützen soll.

Die entsprechende Gesetzänderung wurde am 21. Februar mit einer Mehrheit von 386 Stimmen im Parlament verabschiedet. Nur 38 Abgeordnete waren dagegen. Der Abstimmung war eine monatelange heftige Debatte vorausgegangen.

Legalisierung von Pushbacks 

Für Urszula Wolfram, Chefin der Freiwilligenorganisation Humanitäre Nothilfe Podlachien (Podlaskie Ochotnicze Pogotowie Humanitarne, POPH), ist die neue Regelung nichts anderes als "eine Legalisierung der bisherigen Pushback-Praxis" der polnischen Behörden. "Wie soll das aussehen?", fragt sie im Gespräch mit der DW in Warschau. "Soll der Grenzschutz einfach den Menschen in die Augen schauen und dann selbst die Entscheidung treffen, ob sie Anspruch auf internationalen Schutz haben?" Es läge überhaupt nicht in der Zuständigkeit des Grenzschutzes zu entscheiden, wer das Recht auf internationalen Schutz hat: "Dafür ist in Polen das Ausländeramt zuständig."  

Porträt der Juristin und Menschenrechtsaktivistin Hanna Machinska
Hanna Machinska, Juristin und MenschenrechtsaktivistinBild: Piotr Grzegorzewski/DW

Die Juristin Hanna Machinska von der Helsinki Foundation spricht von einer "drastischen Verletzung des Völkerrechts". "Das Gesetz verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Wenn es also zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kommt, wird Polen dieses Verfahren verlieren", warnt die ehemalige polnische Vize-Ombudsfrau für Menschenrechte. Das Gesetz verstoße auch gegen die polnische Verfassung, die das Recht auf Asyl garantiere. 

Hinter dem neuen Gesetz sieht Machinska ein rein politisches Kalkül der Regierenden. Mit dem Anti-Migrationsgesetz wolle Tusk die Wähler aus dem rechten Spektrum ansprechen, so Machinska. "Man kann aber nicht gegen die Opposition vorgehen, indem man internationales Recht bricht", betont die Juristin. 

Migration als Wahlkampfthema  

Im Mai 2025 wird in Polen ein neuer Präsident gewählt. Ob das neue Anti-Migrationsgesetz dem Kandidaten von Donald Tusks Bürgerplattform (PO), dem Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, tatsächlich zusätzliche Stimmen bringen könnte, ist offen. Fest steht, dass der überzeugte Europäer in seinem Wahlkampf eine neue Rhetorik benutzt.

"Niemand in Europa soll denken, dass sie uns zu irgendetwas zwingen werden", sagte er in einem Interview mit dem Portal interia.pl mit Hinweis auf den europäischen Migrationspakt, der 2026 in Kraft treten soll. Polen hat in der EU gegen den Pakt gestimmt - mit der Begründung, die darin vorgesehene Verteilung von Migranten innerhalb der EU sei nicht akzeptabel.

Rafal Trzaskowski steht an einem Rednerpult, im Hintergrund Zuhörer
Rafal Trzaskowski, Bürgermeister von Warschau und Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2025 Bild: Jarek Praszkiewicz/PAP/dpa/picture alliance

Polinnen und Polen gegen Migration

In diesem Sinne äußert sich auch der rechts-konservative Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki, der von der PiS unterstützt wird. Und er greift dabei Deutschland an. "Ich bin nicht einverstanden mit dem, was in der Migrationspolitik der Europäischen Union geschieht. Ich habe nicht die Absicht, als Präsident Polens zu tolerieren, dass unsere westlichen Nachbarn, die Deutschen, ihre Probleme, ihre Fehler in der Migrationspolitik regelnund dabei die Sicherheit unserer Frauen und Kinder aufs Spiel setzen", sagte er bei einem Wahlkampftauftritt.

Mit solchen Aussagen treffen beide Politiker den Nerv der polnischen Gesellschaft. Laut einer Umfrage des Rundfunksenders RMF24 beantworten 75 Prozent der Polinnen und Polen die Frage, ob ihr Land Migranten aufnehmen soll, mit "Nein" - und nur 20 Prozent mit "Ja". Fünf Prozent waren unentschlossen.

 

Porträt einer Frau mit kurzen blonden Haaren und blauen Augen
Monika Sieradzka DW-Korrespondentin in Warschau