Bewunderung und Irritation: Polen hadert mit Trump
25. Februar 2025Der polnische Präsident Andrzej Duda wollte unbedingt als erster europäischer Staatschef dem neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump seine Aufwartung machen. Beide Politiker verbindet ein enges Verhältnis, das auf Trumps erste Amtszeit (2017-2021) zurückgeht. Damals genoss Duda einen exklusiven Zugang zu Trump, und auch im Wahlkampf 2024 stattete er ihm einen demonstrativen Besuch ab. Doch diesmal wurde die Reise des polnischen Staatsoberhauptes über den Atlantik zu einem Desaster.
Trump ließ seinen polnischen Gast am vergangenen Samstag (22.02.2025) erst anderthalb Stunden warten und schenkte ihm dann knapp zehn Minuten für ein Gespräch. Dabei empfing er ihn nicht im Weißen Haus, sondern traf ihn am Rande der rechtskonservativen Konferenz Conservative Political Action Conference (CPAC) in der Nähe von Washington.
Knapp zehn Minuten Gespräch
Fernsehkameras zeigten live, wie Duda ungeduldig in einem VIP-Raum auf den verspäteten US-Präsidenten wartete. Danach durfte Polens Präsident in der ersten Reihe die Rede Trumps auf dem CPAC-Treffen beklatschen. Vom Rednerpult aus bezeichnete der US-Präsident Duda als einen "fantastischen Menschen" und lobte ihn dafür, dass 84 Prozent der in Amerika lebenden Polen für ihn gestimmt hätten.
Doch der Unterschied zum Empfang des französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Weißen Haus am Montag (24.02.2025) konnte kaum größer sein: Der Gast aus Paris wurde mit allen diplomatischen Ehren und vor Fernsehkameras und Journalisten im Oval Office empfangen. Danach fand eine Pressekonferenz der beiden Staatschefs statt.
Es sei eine "Demütigung" und "kalte Dusche" für den polnischen Präsidenten gewesen, urteilte Jacek Niznikiewicz in der Zeitung Rzeczpospolita. Trump habe den im Sommer aus dem Amt scheidenden Duda als "lame duck", als lahme Ente behandelt, der in seinem Land nichts mehr zu sagen habe. "In der neuen Welt von Trump ist Polen aus US-Sicht kein Subjekt, geschweige denn ein Schlüssel-Player", hieß es in der Zeitung.
Demütigung oder Erfolg?
Duda "hätte nicht fliegen sollen", schrieb Bartosz Wielinski in der Gazeta Wyborcza und fragte, ob es ihm nur darum gegangen sei, dass Trump ihm auf die Schulter klopfe und ihn als den treuesten Verbündeten lobe.
Auf der Pressekonferenz nach dem Treffen mit Trump machte Duda jedoch gute Miene zum bösen Spiel. Er sagte, Amerika plane eher eine Verstärkung der US-Streitkräfte in Polen als eine Reduzierung. Trump habe ihm geraten, sich "keine Sorgen zu machen", weil Polen zu den treuesten Verbündeten der USA zähle.
Dabei vermied Duda jede Kritik an Trump. Fragen der Journalisten, warum der US-Präsident den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen Diktator genannt habe und warum Trump in seiner Rede falsche Zahlen über die US-Hilfe für Kiew verbreitet habe, wich er aus.
"Wir haben alles erreicht, was wir erreichen wollten", behauptete der Chef der polnischen Präsidialkanzlei, Marcin Mastalerek, nach der Rückkehr aus Washington. Es sei ein sehr gutes Gespräch gewesen. Auch der Chef des Polnischen Instituts für Internationale Beziehungen (PISM), Jaroslaw Cwiek-Karpowicz, verteidigte Duda und nannte den Besuch wichtig: "Beim Umgang mit Trump ist jede Sekunde wichtig. Gut, dass dieses Gespräch stattgefunden hat", sagte er.
Das Dilemma der Polen
Der missglückte Besuch zeigt wie im Brennglas das polnische Dilemma. Das Land an der Ostflanke der NATO sieht in Washington den wichtigsten, wenn nicht den einzigen zuverlässigen Garanten seiner Sicherheit. Gleichzeitig unterstützt Polen vom ersten Tag an die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland - und zwar unabhängig davon, wer in Warschau regiert. Denn die imperialen Pläne von Wladimir Putin werden an der Weichsel als existenzielle Bedrohung angesehen.
Trumps neuer Kurs gegenüber der Ukraine und seine versöhnlichen Gesten an Putins Adresse beunruhigen die Polen. Vor allem die oppositionelle Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sitzt in der Klemme. Sie trägt voll die konservative Revolution der MAGA-Bewegung in den Vereinigten Staaten mit. Nach der Verkündung von Trumps Wahlsieg im vergangenen November applaudierten die PiS-Abgeordneten demonstrativ im polnischen Parlament. Doch die Russland-Nähe und die Ukraine-Kritik der neuen US-Regierung zwingen die polnischen National-Konservativen zum Spagat zwischen ihrer Bewunderung für Trump und ihrer Treue zur Ukraine.
Kaczynski verteidigt J.D. Vance
Nach der Kritik an der Rede von J.D. Vance bei der Sicherheitskonferenz in München nahm PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski den amerikanischen Vizepräsidenten in Schutz. Polen stehe vor einer Wahl: Entweder werde das Land zum Anführer der europäischen Verständigung mit der US-Regierung unter Trump, oder es werde die antiamerikanische Kräfte in Europa inspirieren. "Tusk zeigt, dass er lieber ein Anführer der antiamerikanischen Revolte in Europa sein will", so Kaczynski.
Tatsächlich hadert die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk mit der neuen amerikanischen Regierung. Und so nahm Tusk an der am 17.02.2025 von Macron einberufenen Konferenz in Paris teil, auf der die Europäer berieten, wie sie reagieren sollten, wenn Amerika seine Unterstützung für die Ukraine einstellt. Doch auch die polnische Regierung hat keine Absicht, die guten Beziehungen zu Washington zu kappen.
Polen - Musterknabe bei der Verteidigung
Trumps neue Regierungsmannschaft jedenfalls scheint Polen in Europa zu bevorzugen. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth wählte Mitte Februar Warschau zum Ziel seines ersten Auslandsbesuches und sparte dabei nicht mit Lob. Polen sei das Land, das die USA am besten verstehe. Es könnte ein Bindeglied zwischen den USA und Europa sein, sagte er.
Auch der amerikanische Sondergesandte für die Ukraine, General Keith Kellogg, kam zunächst nach Warschau, bevor er nach Kiew aufbrach. Unter den NATO-Ländern gilt Polen als Musterknabe. Das mitteleuropäische Land wird in diesem Jahr 4,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die Verteidigung ausgeben. An mehreren Standorten in Polen sind mehr als 10.000 amerikanische Soldaten stationiert. Die USA sind auch der wichtigste Waffenlieferant für die polnische Armee. Außerdem bleibt Polen die zentrale Drehscheibe für die westliche Militärhilfe für die Ukraine.
Die USA als Garant polnischer Sicherheit
Aus polnischer Sicht bleiben die USA der wichtigste Garant der Sicherheit. Die jüngsten Äußerungen des CDU-Vorsitzenden und voraussichtlich nächsten Bundeskanzlers, Friedrich Merz, zu den europäisch-amerikanischen Beziehungen werden in Warschau skeptisch aufgenommen. Bei der im Fernsehen übertragenen Diskussionssendung "Berliner Runde" nach der Wahl hatte Merz sich sehr kritisch zu der neuen Regierung in Washington geäußert. Als seine absolute Priorität nannte er, Einigkeit in Europa herzustellen und Europa so zu stärken, "dass wir Schritt für Schritt Unabhängigkeit erreichen von den USA".
Er sei gespannt auf den NATO-Gipfel Ende Juni, ob man dann überhaupt noch über die NATO in ihrer gegenwärtigen Verfassung sprechen werde - "oder ob wir nicht sehr viel schneller europäische Verteidigungsfähigkeit herstellen müssen", sagte Merz.
In einer Frage sind sich Regierung und Opposition in Polen einig: es sollen keine polnischen Soldaten an einer Friedensmission in der Ukraine teilnehmen. Der innenpolitische Druck mitten im Wahlkampf vor der Präsidentenwahl im Mai und Juni ist zu groß. In einer Umfrage des Instituts IBRiS sprachen sich 76,2 Prozent gegen die polnische Teilnahme aus. Lediglich 17,8 Prozent befürworten eine solche Mission.
Der Glaube an Trump scheint bei Duda trotz der Demütigung in Washington unerschüttert zu sein. Trump werde "die Ukraine nicht verkaufen", versicherte der polnische Präsident im Gespräch mit dem TV-Sender Polsat News am Montagabend.