Parlament in Prishtina wählt Präsidenten und Regierung im Kosovo
6. März 2002Anzeige
Köln, 4.3.2002, DW-radio
Frage:
Was bedeutet die heutige Wahl für Kosovo?Antwort:
Das ist ein guter Tag für Kosovo. Wir haben eine Mannschaft an der Spitze, mit der man gut zusammenarbeiten kann, die auch entschieden ist, die anstehenden Fragen anzugehen. Was mich besonders freut: In den internen vorbereitenden Gesprächen, die wir heute hatten, aber auch in den öffentlichen Erklärungen, haben sowohl der Premierminister als auch der Präsident klargemacht, dass sie einen besonderen Schwerpunkt auch auf die Integration der kleineren Gemeinschaften - das heißt also: der Serben - legen werden. Denn das ist ein wichtiger Punkt, auch ein wichtiger Teil meines Mandats: die Rückkehr der Serben. Und diejenigen, die da sind, brauchen ein sicheres Umfeld. Aber da sind wir uns einig.Frage:
Im Vorfeld gab es ja gerade auch in diesem Punkt Schwierigkeiten. Bis zuletzt war unklar, ob die Serben-Partei 'Povratak' an der heutigen (4.3.) Versammlung teilnehmen würde. Welche konkreten Versprechen sollte man den Serben in Bezug auf Rückkehr und stärkerer Integration geben?Antwort:
Also, zunächst einmal: alles ist relativ. Aber unter den gegebenen Umständen, ein bemerkenswertes Zeichen, dass sich die serbische Gemeinschaft im Parlament geschlossen der Stimme enthalten hat. Das ist ein bewusstes Signal, dass auch die serbische Gemeinschaft die Schaffung der Institutionen unterstützt und hinter der Vereinbarung steht. Das finde ich fair und befriedigend. Natürlich muss man ihnen auch etwas bieten. Sie haben das Recht auf einen Minister, dieser Platz ist ihnen reserviert. Und ich finde, sie sollten auch eine besondere Aufgabe in der Regierung bekommen im Zusammenhang mit den Belangen der serbischen Minderheit. Da sind wir im Gespräch und das werden wir auch hinkriegen.Frage:
Eine andere Gruppe, die unterrepräsentiert ist - obwohl sie eigentlich keine Minderheit ist -, sind die Frauen. Es ist zwar geschafft, dass jetzt 34 Abgeordnete, weibliche Abgeordnete im Parlament sind. Warum ist keine Frau in der Regierung vertreten?Antwort:
Das ist auch meine Frage und ich bin ganz Ihrer Meinung. Deswegen habe ich das gesagt: Das einzige, was mir heute nicht gefällt, ist, dass keine einzige Frau in der Ministermannschaft vertreten ist. Das muss sich ändern. Das muss man vor allem auch jetzt ändern bei der Besetzung der wichtigen Posten in den Ministerien. Aber das haben ja die beiden auch zugesagt und da werde ich auch hinterher sein.Frage:
Herr Steiner, Sie haben in den vergangenen Tagen ja sehr intensiv mit den führenden Politikern Kosovos zu tun gehabt. Wie ist Ihre Einschätzung über die Kapazität, über die Kompetenz der jetzt Gewählten? Also wir haben Herrn Rugova, wir haben Herrn Bajram Rexhepi (...) Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass jetzt ökonomische Reformen, gesetzgeberische Reformen und so weiter mit diesen Politikern gut durchzusetzen sind?Antwort:
Also, ich glaube, wir dürfen uns keine Illusionen machen. Das ist ein sehr schwieriger Weg unter den gegebenen Umständen. Das wird nicht ideal sein. Hier werden Fehler gemacht werden, da bin ich ganz sicher. Aber so ist es nun einmal, wenn man sich auf die Demokratie einlässt, dann muss man auch denjenigen, die gewählt worden sind, das Vertrauenskapital geben. Wir werden durch Fehler auch lernen. Ich bin ganz sicher, dass wir auch Fortschritte erzielen. Aber es wird ein langsamer, mühsamer Weg sein. Darüber sind sich alle bewusst. Denn wir fangen hier eigentlich von unten an.Frage:
Dieser Kompromiss wurde durch Ihre Hartnäckigkeit und durch Ihre Vermittlung eigentlich erst möglich. Wird das auch auf Dauer nötig sein? Wie kann man erreichen, dass der internationale Einfluss langsam reduziert wird, dass die Kompromissfähigkeit innerhalb der politischen Strukturen hier besser wird?Antwort:
Ich glaube durch Übung. Wir brauchen noch ein bisschen Zeit. Aber, Sie haben vollkommen Recht, letztlich muss unsere Aufgabe sein, dass wir selbst überflüssig werden. Das ist ein schrittweiser Prozess. Es war jetzt zunächst einmal wichtig, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Und die Voraussetzung hierfür war natürlich zunächst einmal die Regierung. Das haben wir heute geschafft. Da können wir uns auch ein bisschen freuen.Frage:
Sie sind ja nicht nur als Vertreter der UN hier, sondern auch als Deutscher. Was sollte aus Ihrer Sicht getan werden, um hier den Aufbauprozess zu unterstützen - vielleicht gerade von deutscher Seite?Antwort:
(...) Ich bin hier als Vertreter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Wir müssen hier alle zusammenwirken: Die gesamte internationale Gemeinschaft, insbesondere die Europäische Union ist hier gefragt. Denn schließlich ist das hier Europa - de facto kein Euro-Land. Wir haben das größte Interesse daran, dass hier kein Vakuum entsteht, sondern dass Kosovo Teil der stabilisierenden Strukturen in Europa wird.Frage:
Was bedeutet der heutige Akt für die Statusfrage, für den weiteren Prozess der Konsolidierung einer kosovarischen Identität?Antwort:
Kosovarische Identität gibt es. Die Statusfrage steht noch nicht an. Wir haben dringendere Dinge zu lösen: die ökonomischen Fragen, die Sicherheitsfragen, die Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Das müssen wir zunächst einmal angehen. Also die Interessen, die wirklich die Menschen interessieren. Dann können wir, und werden wir auch über die Statusfragen sprechen. Aber das ist noch nicht der erste Punkt auf der Tagesordnung. (Interview: Adelheid Feilcke-Tiemann) (fp)Anzeige