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Pakistan weist Tausende Afghanen aus

Haroon Janjua in Islamabad
11. April 2025

Die pakistanische Polizei spürt in Razzien Afghanen ohne Aufenthaltsgenehmigung auf, um sie abzuschieben. Darunter sind auch Menschrechtsaktivisten und Gegner der Taliban. Ihnen droht höchste Gefahr.

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Afghanen überqueren Grenzübergang Torkham nach Pakistan, Januar 2024
Afghanen am Grenzübergang Torkham zwischen Pakistan und Afghanistan, Januar 2024Bild: Shafiullah Kakar/AFP/Getty Images

Es war eine Aktion im großen Stil: Im Rahmen einer neuen Rückführungsinitiative hat Pakistan dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge innerhalb einer Woche über 8000 afghanische Staatsbürger ausgewiesen.

Zuvor hatte die Regierung in Islamabad alle Staatsbürger Afghanistans ohne gültige Papiere aufgefordert, bis zum 31. März freiwillig in ihre Heimat zurückzukehren. Sollten sie dem nicht nachkommen, drohe ihnen die Abschiebung. Gleichzeitig kündigten die pakistanischen Behörden an, rund 800.000 von ihnen ausgestellte afghanische Staatsbürgerkarten für ungültig zu erklären. Zudem forderten sie die Inhaber der Karten auf, ebenfalls auszureisen.

Um afghanische Staatsbürger vor ihrer Ausreise über den Grenzübergang Torkham im Nordwesten des Landes kurzfristig unterzubringen, haben die Behörden in mehreren Städten Flüchtlingslager eingerichtet.

"Die Situation hat sich verschärft. Die Polizei durchkämmt Stadtteile und Straßen in Städten und Dörfern nach afghanischen Staatsbürgern, insbesondere in den Provinzen Sindh und Punjab", sagt Moniza Kakar, Anwältin für Flüchtlingsangelegenheiten in Pakistan, im DW-Gespräch. Nächtliche Razzien seien an der Tagesordnung, sagt Kakar. In der Folge würden viele Familien getrennt.

Pakistan: Unter afghanischen Migranten wächst die Angst

Rückkehr nach Afghanistan "gefährdet mein Leben"

Der Menschenrechtsaktivist Ezatullah Bakhshi versteckt sich vor den pakistanischen Behörden. Seit er im Juli 2023 in Pakistan ankam und sich als Flüchtling registrieren ließ, sei er bereits zweimal verhaftet worden, sagt er der DW. "Sie haben gedroht, mich nach Afghanistan abzuschieben. Weil ich mich in Afghanistan für Menschenrechte engagiert habe, ist mein Leben nun ernsthaft gefährdet."

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"Als ich das erste Mal verhaftet wurde, kam ich für drei Tage in Haft. Nachdem ich Bestechungsgeld gezahlt hatte, ließ man mich frei. Beim zweiten Mal wurde ich für fünf Tage verhaftet. In beiden Fällen kannte die Polizei meinen Hintergrund und damit auch die Risiken, die mir im Falle einer Abschiebung drohen", sagt er.

Wachsendes Misstrauen zwischen Kabul und Islamabad

Jahrzehntelang diente Pakistan den Afghanen, die vor Kriegen oder repressiven Regimen in ihrem Land flohen, als sicherer Zufluchtsort. Die jüngste Flüchtlingswelle folgte auf die Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021. Offiziellen Schätzungen zufolge sind seit den 1980er Jahren insgesamt rund vier Millionen Afghanen nach Pakistan geflohen.

Nun aber steht Pakistan an der Grenze zu Afghanistan vor Sicherheitsproblemen und die Beziehungen zum Taliban-Regime in Kabul verschlechtern sich, was die anti-afghanische Stimmung in Pakistan zusätzlich anheizt. Pakistanische Behörden haben seit 2023 eine ganze Reihe von Ausweisungs- und Abschiebungsaktionen gestartet. Proteste der UN wie auch von Menschenrechtsgruppen ignorierten sie - ebenso wie auch die möglichen Risiken für diejenigen Afghanen, die den Taliban ablehnend gegenüberstehen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk geht davon aus, dass sich noch etwa drei Millionen afghanische Staatsangehörige im Land aufhalten. Von ihnen verfügen nur etwa 1,4 Millionen über gültige Papiere.

Kabul kritisiert "Zwangsabschiebungen"

Gleichzeitig kritisierte das Taliban-Regime die Haltung Islamabads und bezeichnete das jüngste Vorgehen als "Zwangsabschiebung".

"Es besteht kein Zweifel, dass die Zwangsabschiebung afghanischer Migranten und diese einseitige Aktion gegen alle internationalen, islamischen und nachbarschaftlichen Prinzipien verstößt", erklärte Abdul Motalib Haqqani, Sprecher des von den Taliban eingesetzten Ministeriums für Migration und Rückführung, am Dienstag.

"Die Angelegenheit betrifft zwei Länder. Darum ist es unerlässlich, einen einvernehmlichen Mechanismus auszuarbeiten, um eine menschenwürdige Rückkehr der Afghanen in ihre Heimat zu gewährleisten", so Haqqani.

Khalil Rahman Haqqani, Minister der Taliban für Flüchtlinge und Rückführung, Juli 2024
Kritisiert Zwangsabschiebungen in das von ihm mitverantwortete Unrechtssystem: Khalil Rahman Haqqani, Minister der Taliban für Flüchtlinge und RückführungBild: Saifurahman Safi/Xinhua/picture alliance

Flucht im Nachthemd

Die in Pakistan verbliebenen Afghanen werden schikaniert und leben in ständiger Angst vor Verhaftungen.

"Als die Polizei im vergangenen Monat in Islamabad Häuser durchsuchte, war sie in unserem genau zu dem Zeitpunkt, als mein Visum ablief", sagt Latifa Yaqoubi, Mitglied der afghanischen Frauenbewegung "Freedom Light Movement", der DW.

"Voller Panik rannte ich auf die benachbarten Felder. Ich achtete nicht darauf, was ich anhatte. Als ich mich sicher fühlte, bemerkte ich, dass ich in Hausschuhen und Nachthemd geflohen war. Am schlimmsten war es, auf den Feldern zu sitzen, während die Passanten über unsere Situation lachten."

Um im Land bleiben zu können, sind afghanische Flüchtlinge, die nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 nach Pakistan kamen, auf die Verlängerung ihres Visums angewiesen. Dieses Verfahren ist allerdings teuer, ungewiss im Ergebnis und oft mit erheblichen Verzögerungen verbunden.

Die internationale Gemeinschaft müsse handeln, sagt die untergetauchte Aktivistin Maria Noori. "Die pakistanische Regierung hat die Gültigkeitsdauer der Visa auf nur einen Monat verkürzt und damit neues Leid geschaffen. Denn ihr Visum monatlich zu verlängern, ist für viele Menschen finanziell unmöglich. Stellen Sie sich eine achtköpfige Familie vor: Wie soll diese die immer neuen Verlängerungsgebühren bezahlen, wenn sie sich kaum ernähren kann?"

Pakistanische Beamte kontrollieren afghanische Flüchtlinge, Karatschi, 2023
Pakistanische Beamte kontrollieren afghanische Flüchtlinge, Karatschi, 2023Bild: Akhtar Soomro/REUTERS

NATO-Helfer in Gefahr

Afghanische Aktivisten in Pakistan benötigten dringend Hilfe, sind sich von der DW kontaktierte Rechtsexperten einig.

"Die Lage sieht düster aus, nicht nur für die in Pakistan lebenden Afghanen, sondern auch für diejenigen pakistanischen Aktivisten, die sie unterstützen. Beide werden von den Behörden schikaniert, beide benötigen humanitäre Hilfe", sagt Osama Malik, Rechtsexperte für Flüchtlingsrechte, der DW.

"Die meisten Afghanen in Pakistan sind keine Anhänger der Taliban. Nicht wenige von ihnen haben zuvor mit NATO-Truppen, ausländischen NGOs und anderen Institutionen zusammengearbeitet. Sie laufen daher erhöht Gefahr, von den Machthabern in Afghanistan verfolgt zu werden."

Der afghanische Menschenrechtsaktivist Ezatullah Bakhshi ist sich im Klaren darüber, was ihn erwartet, sollte er jemals über die Grenze zurückgeschickt werden. Vor den beiden Festnahmen in Pakistan war er von den Taliban wegen seines Einsatzes für marginalisierte Gruppen inhaftiert worden. Wahrscheinlich würden die Taliban ihn hinrichten, sagt er.

"Während meiner Zeit als Gefangener der Taliban wurde ich körperlich und psychisch schwer misshandelt. Die Taliban haben sich aufgrund meiner Aktivitäten persönlich an mir gerächt. Sie sind entschlossen, mich zum Schweigen zu bringen", sagte Bakhshi. 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Freiberufliche Mitarbeiter, Haroon Janjua
Haroon Janjua Der Journalist berichtet aus Islamabad über Politik und Gesellschaft in Pakistan und Afghanistan.JanjuaHaroon