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Ob Türkei oder USA: Goethe-Institut setzt auf Kulturarbeit

31. März 2025

Je repressiver autoritäre Regierungen agieren, desto stärker gerät die Zivilgesellschaft unter Druck. Das Goethe-Institut hält dagegen - auch jetzt in der Türkei, sagt Generalsekretär Johannes Ebert im DW-Interview.

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Menschen auf der Straße halten Schilder hoch, mit denen sie ihren Protest ausdrücken
Die Menschen in Istanbul protestieren gegen die Verhaftung von Bürgermeister Ekrem ImamogluBild: Pelin Ünker/DW

Die Massenproteste gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei halten an. Johannes Ebert erklärt sich solidarisch mit den Protestierenden: "Wir stehen an der Seite von Kulturschaffenden und Institutionen, die sich für Meinungsfreiheit und kulturelle Rechte einsetzen", sagt der Generalsekretär des Goethe-Instituts im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er ist Herr über 151 Standorte in 98 Ländern. In der Türkei arbeiten drei Goethe-Institute - in der Hauptstadt Ankara, in Izmir und natürlich in Istanbul, dessen Bürgermeister Ekrem Imamoglu vor gut einer Woche festgenommen und von seinem Amt suspendiert wurde.

Porträt Johannes Ebert
Johannes Ebert, Generalsekretär des deutschen Goethe-Instituts Bild: Martin Ebert

Das Gebäude des Istanbuler Goethe-Instituts liegt mitten im Zentrum der türkischen Metropole, nur einen Steinwurf entfernt vom symbolträchtigen Taksim-Platz. Er ist das Ziel der meisten Protestmärsche, jedoch von Sicherheitskräften abgesperrt. Die türkische Regierung geht weiter hart gegen die Protestierenden vor. Daneben beginnt der Gezi-Park, eine der wenigen innerstädtischen Grünflächen Istanbuls. Um seine Bebauung zu verhindern, gingen im Sommer 2013 Hunderttausende auf die Straße - der Ausgangspunkt einer landesweiten Protestaktion, auf die der Staat mit Verhaftungswellen reagierte.

Kulturszene meldet sich zu Wort 

Inzwischen regt sich auch in der Kulturszene Widerstand. Rund 190 Schriftsteller haben eine Erklärung veröffentlicht: Als Literaten der Türkei werde man zu diesem undemokratischen Vorgehen nicht schweigen, heißt es darin. Auch Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk meldet sich zu Wort. Bisher hätten die Menschen in der Türkei trotz Einschränkungen der Meinungsfreiheit die von ihnen favorisierten Politiker wählen können. Damit sei es jetzt vorbei, schrieb Pamuk auf dem Nachrichtenportal T24. Der Pianist Fazil Say veröffentlichte in den sozialen Medien ein Kurzvideo mit einem seiner Lieder. Zu sehen sind Schuhe, die Demonstrierende auf der Flucht vor Wasserwerfern und Tränengas verloren haben, aufgehängt an einem Polizeigitter.

Wie schon 2013 verurteilt die deutsche Bundesregierung auch dieses Mal die Vorgänge in der Türkei scharf. "Wir arbeiten weiter", sagt Goethe-Generalsekretär Ebert, "unsere Kulturprogramme, die Sprachkurse, die Prüfungen, das alles läuft weiter." Das Goethe-Institut stehe mit Kulturschaffenden in Kontakt.

Sie spielten in der aktuellen Situation eine wichtige Rolle, auch weil sie sich öffentlich auf Plattformen äußerten. Ebert betont: "Wir sind vor Ort, wir haben offene Räume in unseren Projekten und wir sind ein wichtiger Ansprechpartner für die Künstlerinnen und Künstler." Die Kooperation mit dem Goethe-Institut sei "in diesen schwierigen Zeiten" besonders gefragt.

Ein Mann spielt auf einem Platz Klavier und wird von einer Menschenmenge umringt
Gezi-Proteste 2013: Der deutsche Pianist Davide Martello spielt im strömenden Regen auf dem Taksim-PlatzBild: Future Image/Imago

Dabei ist die Türkei nur das jüngste Beispiel für das Erstarken von Autokraten. Auch in vielen anderen Ländern – etwa Russland, Belarus, Ungarn oder den USA - geraten Demokratien in die Defensive. Hinzu kommen geopolitische Veränderungen. Muss Deutschland seine Auswärtige Kulturarbeit verändern? "Natürlich fragen wir uns als weltweites Kulturinstitut: Wie gehen wir mit dieser Situation um?", so Johannes Ebert.

Handlungsbedarf in den USA

"Seit drei Jahren tobt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Dazu kam der Politikwechsel in den USA, wo in kürzester Zeit sehr viele Dinge über Bord geworfen werden, oder auch die steigende Bedeutung Chinas", sagt Ebert und ergänzt: "Wir blicken mit Sorge auf den Krieg im Nahen Osten. Dieser hat wie kein anderer Konflikt große Auswirkungen auf unsere Kulturarbeit." Wegen Deutschlands Unterstützung für Israel, die als sehr einseitig wahrgenommen werde, gebe es besonders in den arabischen Ländern starke Kritik, so Ebert. "Außerdem sehen wir massive Proteste in verschiedenen Ländern, in denen auch häufig die Kulturschaffenden eine große Rolle spielen -Georgien, Serbien, jetzt die Türkei."

Am Auftrag des Goethe-Instituts hat sich nach den Worten seines Generalsekretärs nichts geändert, nämlich den internationalen Kulturaustausch sowie die deutsche Sprache zu fördern und über Deutschland zu informieren - und das auf Grundlage von freiheitlichen Werten und einer rechtsstaatlichen Ordnung. Das nach außen zu tragen, sei jetzt wichtiger denn je, sagt Ebert.

Eine Frau wird schreiend von zwei Polizistinnen abgeführt
Festnahmen bei den Demonstrationen gegen die Verhaftung von Bürgermeister Ekrem Imamoglu in IstanbulBild: Francisco Seco/AP/picture alliance

Besonderen Handlungsbedarf sieht er in den Vereinigten Staaten von Amerika. "Wie erreichen wir Menschen, die wir bisher nicht erreicht haben?", fragt Ebert. Das Goethe-Institut ist in den USA mit sieben Instituten präsent und unterhält nach Eberts Angaben ein Netzwerk von Schulen, das sich über alle 50 Bundesstaaten spannt. "Die Herausforderung ist es, aus den Hauptstädten im Osten und Westen herauszugehen, beispielsweise mit Filmfestivals und Kulturprojekten."

Braucht es ein neues Deutschlandjahr?

Ebert würde gerne an den Erfolg des Deutschlandjahres in den USA von 2018/2019 unter dem Motto "wunderbar together"anknüpfen, das damals zwei Millionen Menschen erreichte. "Vielleicht ist so eine konzertierte Aktion wieder notwendig, um die falschen Nachrichten über Europa und über Deutschland zu korrigieren und vor allem jenseits der Politik den Kontakt zwischen Menschen herzustellen."

Schwarze Silhoutte von Donald Trump, im Hintergrund eine rissige Mauer mit der deutschen und der US-amerikanischen Flagge
Das "Deutschlandjahr" 2018/19 in den USA fiel in Trumps erste AmtszeitBild: picture-alliance/R. Peters

Unterdessen hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Deutschlands größte Kultureinrichtung, Pläne von US-Präsident Donald Trump kritisiert, US-amerikanische Museen unter Druck zu setzen, indem er ihnen vorschreibe, wie sich auszurichten hätten. "Nach dem Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit greift der amerikanische Präsident nun die unabhängigen Museen an", erklärten Stiftungspräsident Hermann Parzinger und seine designierte Nachfolgerin Marion Ackermann am Freitag in Berlin. "In freien Gesellschaften führen wir Diskurse, handeln die Dinge aus, aber lassen nicht zu, dass per Dekret bestimmt wird, was gedacht und gezeigt wird."

Seit mehr als 70 Jahren macht das Goethe-Institut Kulturarbeit im Ausland. Goethe-General Ebert hält das weiter für "eine enorm wichtige Investition". Erst 2023 musste das Institut auf zehn Prozent des Budgets verzichten. Neun Standorte, unter anderem in Italien und Frankreich sowie in Washington mussten schließen. Aktuell werde in Deutschland viel über Sicherheit und Verteidigung diskutiert, sagt Ebert. "Doch Verteidigung besteht nicht nur aus Waffen, sondern auch darin, dass es gute Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Länder gibt." Ein Argument für die Stärkung von Kulturmittlern wie dem Goethe-Institut.