Null Toleranz der Intoleranz
18. September 2001Natürlich wird die Diskussion noch überlagert von den Schockwellen der Attentate, von Zukunftsangst und Unsicherheiten. Und natürlich werden nun manche längst zu den Akten gelegten populistischen Forderungen neu erhoben. Andererseits: Wer jetzt für besonnenes Nachdenken und kritisches Abwägen plädiert ist kein Terroristenfreund und auch kein vaterlandsloser Geselle. In einem Punkt muss jedoch Einmütigkeit bestehen: Die Terrorbekämpfung braucht keine Denkverbote und keine Tabus. Auch hierzulande muss man das Übel an der Wurzel packen.
66 extremistische Ausländerorganisationen verzeichnet der jüngste Verfassungsschutzbericht, die meisten davon sind islamistisch. Knapp 60.000 Aktivisten sind registriert. Das scheint auf dem ersten Blick nicht viel, doch das Umfeld von Unterstützern und Sympathisanten ist nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden weit größer. Die Versammlungsorte sind bekannt. Bekannt ist ebenfalls, dass diese Gruppierungen Ziele verfolgen, die unserem Verfassungsverständnis diametral entgegenstehen. Und dass sie bereit sind, diese Ziele notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat recht, wenn er darauf verweist, dass der liberale Rechtsstaat Deutschland nicht zum Rückzugsraum für gewaltbereite Islamisten werden darf. Ja, man wundert sich, warum man nicht schon früher energischer gegen diese Bestrebungen vorgegangen ist. Es darf für die Intoleranten keine Toleranz mehr geben. Auch ein genauerer Blick auf jene, die nach Deutschland einreisen oder einwandern wollen, ist kein Anschlag auf die freiheitliche Grundordnung.
Vor gesetzgeberischen Schnellschüssen und voreiligen Hoffnungen sei dennoch gewarnt. Die Auseinandersetzung mit dem Fundamentalismus, die Bekämpfung international agierender Terroristen benötigt einen langen Atem und sie braucht mehr als polizeiliche Maßnahmen. Sie muss politisch, sozial und mental flankiert werden.
Aufgabe von Politik und Kultur aber ist es zugleich, ein erneutes Aufflammen von Fremdenhass in Deutschland zu verhindern. Es geht nicht an, dass Muslime nun unter den Generalverdacht des Terrorismus gestellt werden. Doch die politischen Botschaften müssen jetzt eindeutig sein. Darauf haben nicht zuletzt die Menschen hierzulande einen Anspruch, die durch die Terroranschläge und die Kriegsangst derzeit tief verunsichert sind.