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Glaube

Nicht auf der Stelle treten

21. Juni 2025

Die Urlaubssaison beginnt. Aber für so manchen Eindruck muss man gar nicht in die Ferne – er wartet um die Ecke. Man muss sich nur trauen, sich auf den Weg zu machen. Ein Beitrag der katholischen Kirche.

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Symbolbild | Magerwiesen-Margerite in voller Blüte
Bild: Manngold/IMAGO

In den vergangenen Wochen habe ich ein neues Hobby für mich entdeckt: das Wandern. Damit meine ich nicht alpines Bergsteigen auf einen 5.000er – sondern eine 16-Kilometer-Tour durch das Bergische Land oder die Eifel. Die Idee war anfangs simpel: Ich fahre im Sommer nicht weg, da kann ich mir auch zu Hause eine schöne Beschäftigung suchen. 

Zugegebenermaßen war ich dem Wandern gegenüber lange Zeit sehr skeptisch: In meinem Kopf waren da hohe Berge und Leute mit starken Beinen – das war und bin ich nicht. Was sollte der Reiz daran sein, einfach nur durch die Gegend zu laufen? War das nicht einfach nur spazieren gehen? 

Ich wurde eines Besseren belehrt: Weit weg von der Zivilisation gehe ich bergauf und bergab, über Stock und Stein, auch mal durch das Unterholz. Ich höre den Boden unter meinen Füßen knistern, spüre jeden Stein (ja, am Schuhwerk mangelt es noch gewaltig!). Einmal bin ich auf einem Waldweg sogar einem wilden Reh begegnet und war völlig perplex, bis das verschreckte Tier hektisch Reißaus genommen hat.  

Zwei Dinge haben mich besonders beeindruckt: Zum einen die Stille. Kein Gerede, keine Musik. Nur Vogelzwitschern und das leise Gurgeln eines Bachs. Das macht den Kopf frei. Die Zeit ist auf einmal nur noch eine theoretische Maßgabe. Ob man eine Viertelstunde früher oder später am Ziel ankommt, macht keinen Unterschied – und lässt sich auch nicht absehen. Denn vielleicht wartet der nächste steile Hügel um die Ecke, der den eben noch flotten Schritt wieder drosselt. 

Genau das macht den zweiten Aspekt aus – das Unterwegssein. Ich lade mir eine GPS-Karte herunter und folge ihr, ohne eine Ahnung vom Gelände zu haben. Jede meiner Wandertouren ist also voller Überraschungen: Mal ist das ein zu durchwanderndes Wildtiergehege, mal ein riesiger umgefallener Baum, der den Weg versperrt. Mal komme ich überraschend schnell voran, mal wollen sich meine Füße einfach nicht vom Fleck bewegen, so uneben und herausfordernd ist die Route. 

Trotz oder gerade dank all dieser Hindernisse bin ich ein großer Wander-Fan geworden. Denn ich weiß von Anfang an immer: Das Ende wird gut. Ich werde ankommen. Ausgemergelt vielleicht, erschöpft, mit schmerzenden Knieen, Waden oder Schultermuskeln. Aber ich komme an. Ich erreiche mein Ziel. Das sieht oft völlig anders aus, als ich es mir vorgestellt habe, mal überraschend schön, mal ernüchternd alltäglich. Aber es gibt das Ziel und ich werde es erreichen. Das macht meine Schritte leicht, lässt mich nicht verzagen, wenn ich mal einen kleinen Feldweg partout nicht finden kann oder der Berg doch noch etwas höher ist als vermutet. 

Diese Gewissheit gibt mir Kraft und Zuversicht. Für mich sind die Wege ein inspirierendes Abbild des Lebens: Voller Veränderung und Neuem – und das regt an, verändert auch mich. Dietrich Bonhoeffer schrieb einmal: "Mit Gott tritt man nicht auf der Stelle, sondern man beschreitet einen Weg. Es geht voran oder man ist nicht mit Gott." Dieser Gedanke gefällt mir. Weitergehen, auch wenn der Weg schwerfällt – denn vielleicht wird er ja bald wieder leichter, vielleicht kommt nach dem steilen Anstieg eine lange, entspannte Ebene.  

Diese neuen Dinge zu sehen, den Weg zu spüren und mich selbst dabei verändernd zu erleben – das macht Spaß. Nach der ersten Wandertour war ich müde und wusste gar nicht recht, wie ich mich fühle sollte. Aber da war viel Erleichterung. Nach dem zweiten Mal hatte ich das Gefühl, schon richtig etwas geschafft zu haben. Beim dritten Mal habe ich direkt einen Freund von mir mitgenommen. Wir haben beim Wandern viel gesprochen, uns hoffnungslos verlaufen und durch abschüssiges Unterholz wieder auf den Weg gefunden – wenn auch voller Blätter, Zweige und Käfer auf unseren Pullovern.  

All das bietet sich als pars pro toto an – man muss es aber nicht so nehmen. Ich genieße es, die vielen Schattierungen der Natur als Sinnbilder zu sehen. Wenn der Boden aber mal wieder rutscht und ich einfach nur auf den Berg will, schalte ich das aber auch völlig aus. Dieses Spiel kann ich mir leisten – denn das Ende ist sicher. In vielerlei Hinsicht. Was für ein sommerlich leichter Gedanke! 

 

Zum Autor 

Christoph Paul Hartmann wurde 1991 geboren. Er studierte Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig und ließ sich anschließend am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses zum Journalisten ausbilden. Er arbeitet als Journalist, daneben schreibt er unter anderem für die Verkündigung im WDR. 2021 erschien mit "Hemmel on Ähd - Unterhaltsame Spaziergänge durch Düsseldorfs Kultur und Geschichte" (Seume) sein erstes Buch. 

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.