"Nicht alles, was aus Europa kommt, ist gerecht und richtig"
21. November 2002Köln, 19.11.2002, DW-radio / Kroatisch
Auf der 48. Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Istanbul (15. bis 19.11.) wurde der Berichtsentwurf für die NATO-Osterweiterung und für die Umsetzung der Partnerschaft für den Frieden vorgestellt. Kroatien wird darin kritisiert wegen der Grenzstreitigkeiten (mit Slowenien – MD) um die Bucht von Piran, wegen Korruption, wegen der Diskriminierung von Minderheiten und wegen mangelnder Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, ICTY.
Die Vertreter des kroatischen Parlaments vor der Parlamentarischen Versammlung, die Abgeordneten der HDZ Zlatko Matesa und der Libre (einer kroatischen liberalen Partei, die aus der Kroatischen Sozialliberalen Partei hervorgegangen ist – MD) Viktor Broz, widersprachen den Schlussfolgerungen des Berichts vehement. Sie forderten, dass die Anstrengungen und die dabei erzielten Ergebnisse Kroatiens bei der NATO-Annäherung bewertet werden sollten. Matesa und Broz erläuterten den Grenzstreit um die Bucht von Piran näher. Ihnen zufolge handelt es sich dabei um unterschiedliche Interpretationen rechtlicher Kriterien bei der Grenzziehung. Sie betonten ferner, dass Kroatien zuverlässig mit dem ICTY kooperiere. Nach ihrem Dafürhalten ist die Eingabe im Fall Bobetko bei der Beschwerdekammer des Gerichtshofs legitim. Dadurch käme lediglich die Besorgnis des offiziellen Zagreb zum Ausdruck, die es in einigen Punkten der Anklageschrift gegen General Bobetko hegt. Die Vertreter Kroatiens bei der NATO-Versammlung wiesen ferner die Behauptungen zurück, dass nationale Minderheiten diskriminiert würden. Sie verwiesen vielmehr darauf, dass ein neues Verfassungsgesetz für Minderheitenrechte kurz vor der Verabschiedung stehe.
Kroatiens Premier Ivica Racan erwiderte auf die Kritik im "Kroatischen Rundfunk", "nicht alles, was aus Europa kommt, muss gerecht und richtig sein – wie auch in diesem Fall". Racan erklärte, Kroatien werde zu dem Bericht Stellung nehmen. Darin werde es sich bereit erklären, ein internationales Schiedsgericht im Grenzstreit um die Bucht von Piran zu akzeptieren. Er räumte ein, dass die Rückkehr der Serben nicht schnell genug verlaufe. Allerdings wandte er ein, dass es Kroatien sehr helfen würde, wenn die internationale Gemeinschaft – zusätzlich zu der Besorgnis, die sie äußert – das Land auch finanziell unterstützen würde. Für das neue Minderheitengesetz werde ebenfalls eine für alle Parteien annehmbare Lösung gesucht. Es sei eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament notwendig, um das Gesetz zu verabschieden. (...) (md)