Nebojsa Covic: Gegen Menschenrechtsverstößen ist in Kosovo und Metohija nichts unternommen
10. Juni 2003Köln, 4.6.2003, DW-radio/Serbisch, Zeljka Basic-Savic
Im Rahmen unserer Interview-Serie anlässlich des vierten Jahrestages der internationalen Verwaltung in Kosovo haben wir heute Nebojsa Covic, Chef des Koordinationszentrums für Kosovo und Metohija und Vize-Premier, zu Gast. Das Gespräch mit Covic führte Zeljka Basic-Savic.
Frage:
Was wurde in den letzten vier Jahren in Bezug auf die Lösung des Kosovo-Problems erreicht?Antwort:
In den letzten vier Jahren sind keine großartigen Ergebnisse erzielt worden. Die internationale Gemeinschaft kam vor vier Jahren in Gestalt der KFOR und der UNMIK ins Kosovo. Ihre Aufgabe war es, die humanitäre Katastrophe und die Verstöße gegen die Menschenrechte aufzuhalten, die erwiesenermaßen vom früheren Regime begangen wurden. Inzwischen wurde eine humanitäre Katastrophe gestoppt, es ist allerdings eine neue entstanden. In Zentral-Serbien befinden sich 250 000 Binnenflüchtlinge aus Kosovo und Metohija. Den Verstößen gegen die Menschenrechte ist nicht Einhalt geboten worden. In Kosovo und Metohija gibt es die eklatantesten Formen der Menschenrechtsverletzungen im 21. Jahrhundert. Die Menschen werden daran gehindert, in ihrem Heim zu leben, zu arbeiten, ihre Sicherheit ist gefährdet und sie können sich nicht frei bewegen. Wenn ich all dies nenne, meine ich selbstverständlich nicht, dass die internationale Gemeinschaft sich zu wenig bemüht hätte. Aber ich glaube, sie hat sich nicht ausreichend angestrengt. Und was ich besorgniserregend finde, ist, dass es keine Visionen gibt, dass es keine neuen Überlegungen gibt, es gibt keine neue Konzeption, die auf dem demokratischen Wandel in Belgrad beruht.Frage:
Welche Schritte müssen kurzfristig unternommen werden?Antwort:
Es muss umgehend die Sicherheit und die Bewegungsfreiheit aller Bürger in Kosovo und Metohija gewährleistet werden. Dabei dürfen keine halbherzigen Schritte unternommen werden. Das heißt also nicht nach dem Motto: lasst uns mal die Kfz-Kennzeichen ändern, und dann haben wir alle Bewegungsfreiheit. Oder wir erzählen jeden Monat, die Lage ist sicherer, weil vergangenen Monat zehn und diesen Monat nur fünf Serben getötet wurden.Ich meine ferner, den politischen Strukturen aller ethnischen Gemeinschaften in Kosovo und Metohija müssen eindeutige Zeichen gesetzt werden, dass der Extremismus, die Gewalt und der Radikalismus eingestellt werden. Gemäßigte Strömungen hingegen müssen positiv unterstützt werden, da sie Probleme durch Dialog lösen können. Den Menschen, die nach Hause zurückkehren möchten, muss bedingungslos die Rückkehr und ein normales Leben ermöglicht werden.
Frage:
Wie kann man die Status-Frage von Kosovo lösen?Antwort:
Es gibt dafür kein Rezept. Immer noch nicht. Und es ist nicht einfach, darauf zu antworten. Insbesondere wenn in Betracht gezogen wird, dass es sich um zwei ethnische Gemeinschaften handelt – um die albanische und die serbische. Unter ihnen herrscht ein ausgenommen hohes Maß an Misstrauen, Intoleranz und sogar großer Hass. Es handelt sich eben um ethnische Gemeinschaften, die in den vergangenen 50 Jahren von allen möglichen Seiten in hohem Maße manipuliert wurden. Sie wurden zu gegenseitiger Intoleranz und zu Hass geradezu angeregt. Ich glaube, die Gespräche über den endgültigen Status sollten komplett zur Seite gelegt werden. Man sollte sich zunächst orientieren und sich der Förderung bestimmter Standards zuwenden. Daraus müsste ein Handlungsrahmen erarbeitet werden. Dieser müsste systematisch verfolgt, eingeschätzt und beurteilt werden. Und es fehlt selbstverständlich noch die Annäherung [an die internationale Gemeinschaft]. Das heißt, wie soll ein Gebiet, das Kosovo und Metohija heißt, als südserbische Provinz zunächst in regionale Integrationen und dann in euro-atlantische einbezogen werden – unter der Beteiligung aller Bürger von Kosovo und Metohija. Wenn ich alle sage, dann schließe ich ihre konfessionelle und nationale Zugehörigkeit vollkommen aus. Das bedeutet, die gesamte Energie, die geballt in Ausgrenzung und Intoleranz verborgen liegt, muss umgekehrt werden in den Kampf gegen das gemeinsame Übel. Und das gemeinsame Übel besteht in Armut und dem organisierten Verbrechen in unserer Region. Ich glaube, dass alle Beteiligten – also Belgrad, Pristina und die internationale Gemeinschaft – hier gemeinsam Prinzipien und Regeln aufstellen müssen. Ohne einen Hauch von Arroganz. Denn niemand aus der internationalen Gemeinschaft hat das Recht, sich gegenüber Belgrad arrogant zu verhalten, wie es in der Vergangenheit geschah. Ebenso hat Belgrad nicht das Recht, sich gegenüber Pristina, gegenüber seinen Staatsbürgern, Albanern, Roma, Aschkali, Ägyptern, Serben usw. arrogant zu verhalten. Denn Kosovo und Metohija ist nicht nur ein Territorium, sondern es sind zwei Millionen Menschen. Davon haben 1,5 bis 1,6 Millionen ein Problem damit, Belgrad als Autorität zu akzeptieren. Und Belgrad kann keine Führungsrolle mehr übernehmen und mit Gewalt, Arroganz und Chauvinismus versuchen, eine führende Kraft zu sein. Wir müssen bei einigen Veränderungen bei uns selbst anfangen. Ich glaube, dass wir es über das Koordinationszentrum tun. Aber, wie Sie sehen, stoßen wir auf einige Probleme, auf eine prinzipienlose Politik sowohl seitens einzelner Vertreter der internationalen Gemeinschaft als auch der serbischen und der albanischen nationalen Gemeinschaft. Wenn in unsere Köpfe gedrungen ist, dass Kosovo und Metohija nicht zu politischen Manipulationen dient, dann werden wir das Problem lösen können. Und zwar so, dass nicht einer alles verliert und der andere alles gewinnt. (md)