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Natasa Kandic: Kosovo muss erst sein interethnisches Problem lösen, bevor es unabhängig wird

12. Juli 2004

– Chefin des Belgrader Zentrums für Humanitäres Recht sieht darin eine Prüfung für die Institutionen Kosovos

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Pristina, 12.7.2004, KOSOVA LIVE, engl.

Natasa Kandic, eine bekannte Aktivistin und Direktorin des Zentrums für Humanitäres Recht in Belgrad, hat in einem Interview mit Kosova Live erklärt, sie sei enttäuscht über das diskriminierende Verhalten der Kosova-Albaner gegenüber den Serben.

Nach Ansicht Kandics ist die Lage der Minderheiten fünf Jahre nach dem Krieg immer noch sehr instabil. "Auf der Grundlage unserer Daten lebten die Serben damals in den Regionen Prizren, Kamenica und Vitia (serb. Vitina – MD) unter besseren Bedingungen als in anderen Nachkriegsjahren. Bestimmte Ereignisse im zweiten Teil des Jahres 2003 haben jedoch gezeigt, dass einige politische und nicht demokratische Gruppen, die sich gegen Minderheiten richteten, auch gegen Kosova waren", erklärte Kandic unter Hinweis auf diese Ereignisse in Gorazdec, Prizren und Obilic.

Diese Vorfälle zeigten, dass es keine Unterstützung für die Rückkehr gebe. "Die Internationale Gemeinschaft war mit den Standards beschäftigt und hat es unterlassen, sich vernünftig mit dem Thema zu befassen", so Kandic.

Nach Ansicht Kandics wurde vor den Unruhen im März in Kosova das Thema Minderheiten nie vernünftig angegangen. "Sicherlich wissen gewöhnliche Bürger ohne die Botschaften von Politikern nicht, wie sie mit diesen Themen umgehen sollen, für was sie ethnische Minderheiten halten sollen: Einen Feind oder Bürger Kosovas, der ein Recht hat hier zu bleiben und die neue Realität zu akzeptieren", so Kandic. "Sie haben nichts unternommen, um den Serben zu helfen".

Wegen ihrer Ablehnung der Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen in Bosnien und Kosova wurde Kandic während des Regimes von Slobodan Milosevic als Dissidentin betrachtet. Nach Ansicht Kandics sind die Kosova-Serben die am meisten bedrohte Minderheit, weil "die Albaner die Bosniaken, Goraner, Ashkali akzeptiert haben, aber die Serben immer noch als Milosevics Partner betrachten.

"Die jetzige Lage ist jedoch völlig anders als während des Milosevic-Regimes. Jenes Regime war mit der gesamten Bevölkerung verbunden. Es kontrollierte Macht, Medien und öffentliche Institutionen. Heute ist es ganz anders. Aber selbst damals verbot niemand den Albanern den Gebrauch ihrer Muttersprache. Heute jedoch können Serben ihre Muttersprache nicht benutzen und ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Das ist eine schwere Diskriminierung und ich bin enttäuscht von den Albanern", so Kandic.

Nach Worten Kandics war die internationale Gemeinschaft bei der Schaffung von Gesetzen und Bestimmungen in Kosova erfolgreich.

"Aber die internationale Verwaltung ist sehr bürokratisch. Sie stehen nicht in Verbindung zu der örtlichen Bevölkerung. Ich denke nicht, dass diese Organisation in der Lage ist, für Sicherheit und Bewegungsfreiheit zu sorgen, ohne die Bereitschaft der örtlichen Bevölkerung".

Kosova solle sein interethnisches Problem lösen, bevor es unabhängig werde. "Das wird eine Art Prüfung für die Institutionen Kosovas und seine Bürger sein", fügte sie hinzu.

"Die Kosova-Albaner sollen einen neuen Ansatz gegenüber den Minderheiten einführen. Sie sollten ihre Solidarität zeigen und dafür sorgen, dass die Gesellschaft bereit ist, einen unabhängigen Staat zu schaffen, indem sie die Menschenrechte aller Bürger fördert". Sie hob hervor, dass einige Serben in Zentral-Kosova bereit seien, in einem unabhängigen Kosova zu leben, obgleich ihre Häuser zerstört worden seien. "Sie haben ihr Leben hier gelebt", so Kandic. Das ist ihr Zuhause. Andererseits gibt es jedoch viele Serben in Serbien, die nicht bereit sind, diese Realität in Kosova zu akzeptieren".

Kosova solle ihrer Ansicht nach alle Streitigkeiten mit Belgrad im Dialog lösen.

"Das Thema der Vermissten ist das wichtigste, und ich denke, es ist unmöglich, eine gute und feste Beziehung zwischen Serben und Albanen herzustellen, bevor dieses Thema gelöst ist und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt sind".

Natasa Kandic ist die Geschäftsführerin des in Belgrad ansässigen Zentrums für Humanitäres Recht. Das Zentrum hat zahlreiche Forschungsarbeiten und Berichte über Menschenrechtsthemen erstellt. Der jüngste Bericht "Chancen der Minderheiten Kosovas" über die gewaltsamen Ereignisse im März soll in Kürze erscheinen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die UNMIK-Polizei ihre Autorität unter den Serben verloren hat und dass das KPS (Kosovo-Schutzkorps –MD) ohne Kommando operiert hat und auf Anweisungen durch die politischen Führer wartete.

Der Bericht empfiehlt, dass die für die Gewalt Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden, dass die UNMIK ihre Beziehungen zu den Einheimischen verbessern sollte und die Verstöße durch das KPS bestraft werden sollten. (MK)