Nach Israels Angriff: Iran droht mit Vergeltung
13. Juni 2025Der Iran bezeichnete die israelische Angriffswelle am Freitag (13.6.25) als "Kriegserklärung". Der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, warnte Israel vor einem "bitteren und schmerzhaften Schicksal" infolge der Angriffe, während das iranische Militär erklärte, es gebe "keine Grenzen" für seine Reaktionen.
In der Nacht auf Freitag hat das israelische Militär nach eigenen Angaben über 100 Ziele im Iran angegriffen, darunter auch Atomanlagen. An dem Einsatz seien rund 200 Kampfjets beteiligt gewesen, erklärte ein Sprecher. Zu den Zielen zählten auch mindestens sechs führende Atomwissenschaftler und vier ranghohe Mitglieder der Revolutionsgarde, die bei Angriffen auf Wohngebäude in der Hauptstadt Teheran getötet wurden.
Ein prominentes Todesopfer war Ali Shamkhani, Vorsitzender des vom Obersten Führer des Irans eingesetzten Komitees für Atomverhandlungen. Shamkhani, der früher Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats war, hatte erst vor zwei Wochen in einem Interview mit dem US-Sender NBC angekündigt, Teheran habe kurz vor einem Abkommen mit den USA gestanden und sei bereit gewesen, auf die Anreicherung von hochangereichertem Uran zu verzichten.
Gescheiterte Diplomatie
"Es wird deutlich, dass der Mangel an wirksamer und funktionierender Diplomatie zwischen dem Iran und den USA bei den Atomverhandlungen zur aktuellen Lage geführt hat", sagt Mohammad Sadegh Javadi Hesar im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Diese Situation hat einen Raum geschaffen, in dem sich Israel undiplomatisch verhält und beide Verhandlungsparteien in eine militärische Konfrontation hineingezogen hat, das von iranischer Seite weder gewünscht war noch gewünscht ist", sagt der frühere iranische Parlamentsabgeordnete und Chefredakteur der inzwischen verbotenen Zeitung Tus.
Im Streit über das umstrittene iranische Atomprogramm haben die USA neue Verhandlungen mit Teheran begonnen, um ein Abkommen zu erreichen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Iran keine Atombombe entwickelt.
Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als existenzielle Bedrohung. Die iranische Führung erkennt den Staat Israel nicht an und droht regelmäßig mit dessen Vernichtung. Gleichzeitig betont Teheran jedoch offiziell, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken diene.
Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sieht dies anders. Laut IAEA-Chef Rafael Grossi habe der Iran Uran in einem Ausmaß angereichert, das über dem aller anderen Nicht-Atomwaffenstaaten liege. In einer Resolution vom Donnerstag (12.6.25) erklärte die IAEA erstmals seit fast 20 Jahren, dass der Iran gegen seine Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen verstoßen habe. Es bestehe nun die Möglichkeit, den Vorfall an den UN-Sicherheitsrat zu übergeben.
Grossi selbst verurteilte den israelischen Angriff auf Atomanlagen. Nach Angaben der iranischen Behörden sei nämlich die Urananreicherungsanlage in Natans durch die israelischen Angriffe getroffen worden, sagt Grossi. Die Strahlenwerte vor Ort seien jedoch nicht erhöht. Die zweite Anlage in Fordo sowie das Atomzentrum in Isfahan seien nicht betroffen.
Als Reaktion auf die IAEA-Resolution vom Donnerstag hatten das Außenministerium in Teheran und die iranische Atomenergieorganisation bereits angekündigt, eine dritte Urananreicherungsanlage "an einem sicheren Ort" errichten zu wollen.
Die IAEA-Resolution habe Israel "eine Legitimation" für die israelischen Luftangriffe geliefert, sagt Regimekritiker Javadi Hesar, der weiterhin im Iran lebt. Er sieht nun die USA am Zug. "Damit diese Eskalation nicht in einen größeren Krieg mündet und die Auseinandersetzung zwischen Iran und Israel auf Distanz und begrenztem Niveau bleibt, sollte die US-Regierung als Verhandlungspartner des Irans das israelische Vorgehen rasch verurteilen und öffentlich klarstellen, dass sie an diesem Angriff nicht beteiligt war."
Der US-Präsident Donald Trump hat am Freitag die Führung in Teheran zum Abschluss eines neuen Atomabkommens aufgefordert. "Tun Sie es einfach, bevor es zu spät wird", schrieb Trump auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Die nächsten Angriffe würden noch brutaler werden und seien bereits geplant.
USA: Israel verteidigen oder aktive den Iran angreifen?
Der Iran hat seine Atomanlagen auf mehrere Standorte verteilt, einige davon befinden sich in unterirdischen Bunkern, was eine vollständige Zerstörung erschwert. Wenn die Atomanlagen des Irans angegriffen würden, habe das Land aus innenpolitischen Gründen kaum eine andere Wahl als zurückzuschlagen, meint der Iran-Experte Arman Mahmoudian, Dozent an der University of South Florida, im Interview mit der DW. Der Iran sei besorgt über eine Entwicklung ähnlich in Syrien, in dem Israel mehrfach die im Baubefindlichen Atomanlagen zerstörte.
"Der Iran sieht sich gezwungen, zumindest ein begrenztes, aber deutliches Gegensignal zu setzen, um weitere Angriffe zu verhindern. Israel wiederum könnte seine Operationen ausweiten und gezielt gegen die Strom- und Ölinfrastruktur im Iran vorgehen, um so den Druck auf Teheran täglich zu erhöhen", sagt Mahmoudian.
Als erste Reaktion schickte der Iran mehr als 100 Kampfdrohnen nach Israel, die nach israelischen Militärangaben außerhalb des israelischen Territoriums abgefangen wurden. Die iranischen Streitkräfte wollen allerdings weitere Schritte einleiten, die "keine Einschränkungen" hätten. Der iranische Verteidigungsminister Asis Nasirsadeh erklärte, man habe neue Waffen getestet und an die Einsatzkräfte übergeben. Der Iran forderte außerdem eine Dringlichkeitssitzung im UN-Sicherheitsrat.
"Der Iran wollte bisher nicht in einen direkten militärischen Konflikt mit den USA hineingezogen werden, was ein äußerst riskantes Unterfangen wäre", sagt der Iran-Experte Mahmoudian. "Es ist jedoch ein Unterschied, ob die USA Israel lediglich unterstützen oder sich aktiv in einen Krieg mit dem Iran verwickeln lassen."
Um Irans Atomanlagen vollständig zu zerstören, braucht Israel militärische Unterstützung der USA. Sollte es zu einer solchen Beteiligung kommen, würden iranische Vergeltungsmaßnahmen auch US-Einrichtungen in der Region treffen, was die ohnehin fragile Stabilität im Nahen Osten weiter gefährden würde.