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Nach Berlinale-Erfolg: Regie-Duo im Iran verurteilt

9. April 2025

Ihr Film "Ein kleines Stück vom Kuchen" wurde auf der Berlinale 2024 bejubelt. Nun hat Irans Justiz das Regie-Duo Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam zu Haftstrafen verurteilt - wegen Propaganda gegen das System.

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Iran Behtash Sanaeeha und Maryam Moghadam
Müssen im Iran vor Gericht: Die Filmemacher Behtash Sanaeeha und Maryam MoghadamBild: DW

Das teilten die Filmemachenden in einer gemeinsamen Erklärung auf Instagram mit. Danach habe sie ein Revolutionsgericht in Teheran zu 14 Monaten Haft verurteilt. Die Haftstrafe sei zur Bewährung für fünf Jahre ausgesetzt worden. Auch sei eine Geldstrafe verhängt worden. Irans Justiz äußerte sich zunächst nicht.

In einem früheren Post hatten Behtash Sanaeeha und Maryam Moghaddam Vorwürfe der Staatsanwaltschaft öffentlich gemacht. Aus Sicht der Justiz habe ihr Film "Keyke mahboobe man" (Ein kleines Stück vom Kuchen) gegen "Sittlichkeit und Moral" verstoßen. Außerdem hätten die Filmemacher keine Vorführgenehmigung und Vertriebslizenz eingeholt. Die Staatsanwaltschaft habe das Regie-Duo mehrfach verhört. 

Offenbar muss sich auch Lily Farhadpour, die Hauptdarstellerin des Films, vor dem Revolutionsgericht verantworten. Der Vorwurf hier: Sie habe "Bänder und Disketten mit vulgären Shows und Darbietungen produziert, verbreitet und vervielfältigt sowie an der Produktion vulgärer Inhalte teilgenommen". Auch die Schauspielerin musste vor dem Revolutionsgerichts erscheinen.

Der Film bricht mit vielen Tabus des iranischen Gottesstaats. "Ein kleines Stück vom Kuchen" erzählt die Geschichte einer 70-jährigen, alleinlebenden Wittwe, die ihre Lust auf die Liebe wiederentdeckt. Auf der Suche nach einem Partner lernt sie einen Taxifahrer kennen. Er besucht sie - unbemerkt von den Nachbarn - in ihrem Haus. Zwischen beiden ergibt sich eine kurze, intensive, zärtliche Begegnung, bevor der Mann einem Herzinfarkt erliegt und sie ihn im Garten verscharrt.

Große Risiken beim Filmdreh

Es ist ein ruhig erzählter, vermeintlich unscheinbarer Film voller kleiner Glücksmomente, gespickt mit Humor und der Hoffnung auf ein menschliches Dasein in Freiheit. Doch spielt die Handlung hinter einem Vorhang des Privaten, hinter den sich viele Menschen im Iran zurückziehen müssen, um sich der Diktatur der Mullahs zu entziehen.

In ihrer Wohnung trinken die Protagonistin Mahin (Lily Farhadpour) und ihr Auserwählter Faramarz (Esmail Mehrabi) Wein, sie berühren sich beim Tanzen, sie duschen zusammen und beschließen, dass die Nacht gemeinsam in Mahins Bett enden soll. Szenen wie diese unterliegen seit der Islamischen Revolution im Iran strenger Zensur. Wer sie missachtet, geht große Risiken ein – wie das Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha. "Wir kannten die Konsequenzen", sagte Maryam Moghaddam 2024 in einem Interview mit der Plattform T-Online. Aber sie haben es riskieren wollen, "um die Realität im Iran zu zeigen". Wir wollen nicht lügen, wir wollen ehrlich sein, egal ob es um das Leben der Frauen oder die Menschen im Allgemeinen geht. Darauf sind wir stolz."

Das Filmstil zeigt eine Frau und einen Mann züchtig auf einem Sofa sitzend
Szene aus dem Film "Ein kleines Stück vom Kuchen"Bild: Hamid Janipour_Alamode Film

Jubel für den stillen Kinofilm

Wenige Tage nach Drehbeginn des Films wurde der Tod von Jina Mahsa Amini publik, die in der Haft der Sittenpolizei starb. Noch während die Iranerinnen und Iraner zu Tausenden auf die Straße gingen, drehte das Filmteam im Verborgenen weiter. In einer gestellten Szene des Films nimmt die Sittenpolizei eine junge Frau fest, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht richtig trägt, ganz wie bei Mahsa Amini, deren Tod  landesweite Proteste auslöste. "Diese Szene haben wir geschrieben, bevor Mahsa Amini ermordet wurde", berichtet Moghaddam. "Es passiert jeden Tag auf den Straßen im Iran, in jeder Stadt. Wir Frauen müssen vorgeben, etwas zu sein, das wir nicht sind. Wir müssen so tun, als seien wir religiös. Das gilt auch für Frauen in Filmen und Serien. Aber so sind wir nicht."

Filmemacher durften nicht ausreisen

Auf der Leinwand eine Frau ohne Hijab zu zeigen, ist in der Islamischen Republik Iran verboten. Noch bevor sie zur Postproduktion aus dem Iran ausreisen konnten, mussten die Filmemacher Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha ihre Pässe abgeben. Eine Ausreise war somit nicht mehr möglich. Ihren Film konnten sie mit dem Produktionsteam, das im Ausland saß, nur aus der Ferne fertigstellen. Auch zur Uraufführung von "Ein kleines Stück vom Kuchen" auf der Berlinale 2024 durften die Filmemacher, anders als ihre Hauptdarsteller, nicht nach Deutschland reisen. Ihr Film aber wurde vom Publikum bejubelt und mit einem Kritikerpreis ausgezeichnet.

Das Filmstill zeigt eine Frau und einen Mann, die erschöpft an einer Wand lehnen
Vom Tanzen und Trinken erschöpft: die Protagonisten aus "Ein kleines Stück vom Kuchen"Bild: Hamid Janipour_Alamode Film

Seit der Islamischen Revolution von 1979 unterliegt auch Irans Film-und Kulturszene der strengen Beobachtung durch die Behörden. Filmschaffende etwa müssen offiziell ihre Drehgenehmigungen und Kinovorführungen durch das Ministerium für Kultur und islamische Führung beantragen. Irans lebendige Kunst- und Filmszene war jedoch schon immer ein Ort subtiler oder auch ganz offensichtlicher Kritik am System. Das belegt nicht zuletzt Mohammad Rasoulofs Kinofilm "Die Saat des heiligen Feigenbaums", der von Deutschland für den Auslands-Oscar eingereicht worden ist.

Dieser Artikel wurde am 09.04.2025 aktualisiert.