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MeinungsfreiheitMyanmar

Myanmar hält Weltrekord bei Abschaltung des Internets

Tommy Walker in Bangkok | Darko Janjevic
1. März 2025

Einem aktuellen Bericht zufolge gab es in dem von Krieg erschütterten Land im Jahr 2024 weltweit die meisten Unterbrechungen des Internets. Die Masse von ihnen veranlasste die von Rebellengruppen bekämpfte Junta.

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Myanmar Protest Polizei - eine geschlossene Reihe von Polizisten mit Helmen und Schutzschilden auf einer Straße, im Vordergrund hebt ein Protestler die Hand
Protest gegen die Militärjunta in Myanmar. Internetabschaltungen behindern den freien Informations- und Meinungsaustausch drastischBild: Getty Images

Im vergangenen Jahr gab es weltweit fast 300 Internetabschaltungen, davon 85 allein in Myanmar. Diese Zahlen veröffentlichte Access Now, eine gemeinnützige Organisation, die sich auf digitale Rechte konzentriert, in einem neu vorliegenden Bericht.

Das südostasiatische Land befindet sich nach wie vor in einem erbitterten Bürgerkrieg zwischen der herrschenden Junta und verschiedenen Rebellengruppen. Die Junta begann mit den Abschaltungen des Internets, als sie sich nach dem Putsch im Februar 2021 einem landesweiten bewaffneten Widerstand gegenübersah. Die Militärbehörden sagten damals, dass die Abschaltungen der "Stabilität" dienten und die Verbreitung von Inhalten verhindern sollen, die sie als Fake News betrachteten. Vier Jahre später, so der Bericht von Access Now, ist das Ausmaß der Abschaltungen noch schlimmer geworden. 

Das Dokument mit dem Titel "Emboldened offenders, endangered communities: internet shutdowns in 2024" beschreibt zahlreiche lokale, regionale und landesweite Ausfälle, die meist von den Militärs orchestriert wurden.

"Das vierte Jahr in Folge blieb das myanmarische Militär im Jahr 2024 einer der weltweit schlimmsten Verursacher von Internetabschaltungen – ein klarer Beweis für die eklatante Missachtung der internationalen Menschenrechtsordnung durch die Junta" sagt Wai Phyo Myint, Asia Pacific Policy Analyst bei Access Now. Die Junta nutze die Störung der digitalen Konnektivität als Waffe, um die Menschen in Myanmar zu entmachten.

Dutzende von Abschaltungen im Kontext von Menschrechtsverletzungen

Das myanmarische Militär ordnete 76 der 85 Abschaltungen an. Und interessanterweise verhängte auch die chinesische Regierung zwei grenzüberschreitende Schließungen in Myanmar und Thailand vier. Rebellengruppen und unbekannte Akteure wurden als verantwortlich für die restlichen drei angegeben.

Die Abschaltungen betrafen in manchen Fällen nur die mobile Konnektivität oder das Breitband-Internet, in anderen waren die Unterbrechungen durchgängig.

Die überwiegende Mehrheit der Abschaltungen betrafen die Konfliktgebiete. Der Bericht von Access Now listet dabei 31 Abschaltungen auf, die mit dokumentierten schweren Menschenrechtsverletzungen in Myanmar zusammenfielen. Mindestens 17 von der Junta verhängte Schließungen hingen mit Luftangriffen auf Zivilisten zusammen.

Toe Zaw Law, ein Journalist aus Myanmar mit langjähriger Berufserfahrung, sagte, die Junta versuche, das Narrativ im Land unter Kontrolle zu halten. "Das ist keine Überraschung. Myanmar hat eine der schlimmsten Zensuren auf digitalen Plattformen", sagt er der DW. Er fügte er hinzu, dass das Militär sicherstellen wolle, "dass die meisten Menschen keinen Zugang zu unabhängigen Informationen oder zum Internet haben, vor allem junge Leute. Sie wollen nur eine Version der Wahrheit, die Version der Wahrheit der Armee.".

Zivilisten ohne Informationen über drohende Luftangriffe

Am 1. Januar wurde in Myanmar ein neues Cybersicherheitsgesetz erlassen, das die Verwendung von virtuellen privaten Netzwerken (VPN) verbietet und Benutzer bestraft, die Informationen von gesperrten Websites teilen. Eine unbefugte Installation oder Nutzung eines VPN kann nun mit bis zu sechs Monaten Gefängnis und einer Geldbuße bestraft werden.

Myanmar Bürgerkrieg und Menschenrechtsverletzungen | Zerstörungen im Shan-Bundesstaat - Trümmer und herabliegende Wellblechdächer
Abgeschaltetes Internet: Bevölkerung erhält keine Informationen über drohende Militäraktionen. Hier ein zerstörtes Haus in Lashio (Shan-Staat in Myanmar)Bild: AFP/Getty Images

Die Auswirkungen der Blackouts und der neuen, drakonischen Internetgesetze gehen über den reinen Propagandakrieg hinaus. Die von den Rebellen kontrollierten Gebiete trügen die Hauptlast der Beschränkungen, heißt es in einem Bericht von "Fulcrum", einem analytischen Online-Kanal mit Schwerpunkt auf Südostasien. "Die Junta verfolgt mit den Abschaltungen in diesen Gebieten eine zweigleisige Strategie: Sie will den Informationsfluss zwischen den Widerstandsgruppen unterbrechen und deren Gebiete von der globalen Aufmerksamkeit isolieren."

"In den vom Widerstand kontrollierten Gebieten hat sich die Zivilbevölkerung auf das Internet verlassen, um essenziell wichtige Informationen über militärische Bewegungen oder Warnungen vor Luftangriffen zu erhalten. Ein Internet-Blackout und ein VPN-Verbot machen diese Gemeinschaften auf effektive Weise blind" und lasse sie zu Zielen werden, die leicht zu treffen sind, heißt es in dem Bericht weiter.

Starlink als Rettungsanker

Einige Anti-Junta-Medien und Rebellenmilizen verlassen sich jetzt auf Starlink – einen satellitengestützten Internetverbindungsdienst des US-amerikanischen Unternehmens SpaceX. Diese Technologie ist aber teuer, schwer zu beschaffen und in dem vom Krieg zerrütteten Land nur schwer zugänglich.

Wunna Khwar Nyo, Chefredakteur von "Western News", einem Medienunternehmen, das sich auf Nachrichten im myanmarischen Bundesstaat Arakan konzentriert, sagt, dass die Internetabschaltungen seine Redaktion in Rakhine zum Stillstand gebracht haben.

"Letztes Jahr hatten wir mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Journalisten und Mitarbeiter von Western News mussten gezielt Orte aufsuchen, wo sie auf eine Internet-Telefonleitung zugreifen konnten. Wir sind eine Stunde lang mit dem Motorrad gefahren, um eine Nachricht abzusenden", sagt er der DW.

"Derzeit nutzen wir Starlink, um auf das Internet zuzugreifen. Dies ist für Journalisten im Land aber nur für ein paar Stunden verfügbar", fügte er hinzu. " Die Nachrichten werden regelmäßig von unseren Exilredakteuren auf der anderen Seite veröffentlicht."

Myanmar ist eines der gefährlichsten Länder der Welt für Journalisten. Seit dem Putsch 2021 sind mehrere Reporter in Haft getötet worden. Statistiken, die vom Komitee zum Schutz von Journalisten für das Jahr 2024 veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, in dem vom Krieg zerrütteten Land inhaftiert zu werden, für einen Reporter in Myanmar mehr als 18-mal höher liegt als in China.

Abschaltungen nehmen auch anderswo in Asien zu

Der Access Now-Bericht zeigt jedoch, dass auch andere, weniger repressive asiatische Länder absichtliche Internetabschaltungen erleben. Der asiatisch-pazifische Raum war im Jahr 2024 mit 202 Shutdowns in 11 Ländern oder Territorien die am schlimmsten betroffene Weltregion.

Raman Jit Singh Chima, Direktor für Asien-Pazifik-Politik bei Access Now, sagte, dass der digitale Autoritarismus in Asien weiter zunehme.

"Shutdowns destabilisieren Gesellschaften, untergraben den digitalen Fortschritt, gefährden ganze Gemeinschaften und liefern einen Deckmantel der Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen. Die Behörden von Myanmar bis Pakistan isolieren die Menschen ungestraft vom Rest der Welt, was den zunehmenden digitalen Autoritarismus in Asien widerspiegelt", sagt er der DW.

"Egal, mit welcher Methode – Kabeldurchschneidungen, Befehle an Telekommunikationsunternehmen oder Beschlagnahmung von Geräten – Abschaltungen sind niemals akzeptabel. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt zusammenkommen und handeln, um die Schließungen dauerhaft zu beenden."

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

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