Ausstellung "Musafiri" zeigt weltweite Reise eines Begriffs
12. März 2025Ob auf Rumänisch, Türkisch, Farsi, Urdu, Hindi, Swahili, Kasachisch, Malaiisch oder Uigurisch: Das arabische Wort "musafir" ist weit rumgekommen - in leicht veränderten Varianten kennt man es in Ostafrika, dem Nahen Osten oder Südosteuropa. In all diesen Kulturräumen bezieht sich "musafir" in der Regel auf seine ursprüngliche Bedeutung: "Reisender". Aber manchmal, zum Beispiel auf Türkisch und Rumänisch, kann auch "Gast" gemeint sein.
Die Begegnung dieser beiden Begriffe, den Reisenden auch als willkommenen Gast zu betrachten, hat die Macher im Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) zu einer Ausstellung und zu einem gleichnamigen Forschungsprojekt inspiriert - nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller politischer Diskussionen über Migration und Integration in Europa.
"Musafiri: Von Reisenden und Gästen" widmet sich gleich mehreren Fragen: Wie wurden Weltenbummler im Laufe der Geschichte von den Menschen, denen sie begegneten, empfangen? Was können wir von der Gastfreundschaft verschiedener Kulturen lernen? Und wie können diese Traditionen eine moderne, pluralistische Welt inspirieren, in der Reisende und Migranten sich willkommen fühlen?
Trotz ihrer Zeitlosigkeit seien diese Fragen dennoch "ziemlich dringend", so Bonaventure Soh Bejeng Ndikung. Gerade "in einer Zeit, in der das Reisen nicht einfach ist. In einer Zeit, in der wir den Bau von Mauern und Festungen und massiven Abschiebungen erleben, müssen wir uns wieder auf die grundlegenden Dinge besinnen", sagte der HKW-Intendant bei der Pressevorstellung der Ausstellung.
Lourenço da Silva Mendonça: ein Vorreiter für Menschenrechte
Das Forschungsprojekt, das die Ausstellung begleitet, stellt historische Persönlichkeiten in den Mittelpunkt, deren - teils unfreiwillige - Reisen und Lebenswerk es nicht in westliche Geschichtsbücher geschafft haben.
Einer von ihnen ist Lourenço da Silva Mendonça. Der Prinz aus dem Königreich Ndongo im heutigen Angola war bis vor kurzem so gut wie unbekannt, obwohl er eine bedeutende Kampagne gegen die Sklaverei startete.
Als politischer Kriegsgefangener wurde er 1671 zusammen mit seiner Familie ins Exil nach Brasilien gebracht, weil er sich gegen die von Portugal erhobene Sklavensteuer aufgelehnt hatte. Später wurde er nach Portugal geschickt und landete schließlich in Italien.
Dort appellierte er direkt an Papst Innozenz XI., den transatlantischen Handel mit versklavten Afrikanern und Afrikanerinnen anzuprangern. Mit Erfolg: 1686 kam das Oberhaupt der katholischen Kirche seiner Bitte nach und verurteilte die Sklaverei.
Mendonças Plädoyer für die Rechte aller "Juden, Heiden oder Christen in allen Ländern der Welt" machte ihn zu einem Vordenker der Idee von Menschenrechten, die unter europäischen Intellektuellen erst ein Jahrhundert später, zur Zeit der Aufklärung, zu einem zentralen Anliegen wurde.
Schwarzer Widerstand spiegelt sich in anderen Geschichten der Ausstellung wider. Sie zeigen, wie "der moderne Kapitalismus zu einem großen Teil auf der Versklavung der afrikanischen Bevölkerung in Nord- und Lateinamerika beruht", sagte Kurator Cosmin Costinas der DW.
Konfrontation mit der kolonialen Vergangenheit
Auch Kolonialismus ist ein großes Thema. So setzt sich die Serie "Seamstress' Raffles" des singapurischen Künstlers Jimmy Ong beispielsweise kritisch mit dem Erbe des britischen Kolonialisten Stamford Raffles auseinander. Dieser hatte zu Kolonialzeiten in Singapur einen Handelsposten errichtet, der die Insel 1824 zu einer britischen Kolonie machte. Obwohl Raffles noch heute in den Straßen und Institutionen Singapurs gedacht wird, gilt er auch als Plünderer und Eindringling.
Jimmy Ong reproduziert in seinen Werken Teile einer berühmten Statue von Raffles. Die zerstückelten, kopflosen Abbilder werden zerschnitten, genäht, gefärbt und an Seilen aufgehängt. So thematisiert der Künstler die gewalttätige Rolle des Kolonialisten in der Geschichte.
Sowohl exzentrisch als auch bescheiden
Das Herzstück der Ausstellung ist eine Installation der malaysischen Künstlerin Anne Samat. In "Wide Awake and Unafraid" ("hellwach und furchtlos") integriert sie unkonventionelle Materialien in traditionelle malaysische Webkunst.
"Es ist eine riesige anthropomorphe Figur, die Aufmerksamkeit verlangt. Aber die grundlegenden Elemente des Werks sind sehr einfache, bescheidene, alltägliche Materialien - Gartenharken, Stöcke und Garne", erklärt Samat der DW. Für sie repräsentiere dieser Gegensatz zwischen Exzentrik und Bescheidenheit, Tradition und Moderne die kulturelle Dualität Malaysias.
Cosmin Costinas weist darauf hin, dass viele der in der Installation gezeigten Gegenstände aus der Massenproduktion kommen und "viele individuell betrachtet weder Zauber noch Schönheit hätten. Die Fähigkeit, diese Gegenstände in völlig andere Wesen zu verwandeln, zeugt von der Macht der Künstlerin, aber auch von der 'Scheinmagie', auf die der Kapitalismus baut, um Berge von Plastik in Objekte der Begierde zu verwandeln."
Die Diversität des "musafir"
Die Ausstellung, in der Werke von rund 40 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen sind, untersucht auch verschiedene kulturelle Zusammenhänge. Etwa, wie K-Pop die globale Popkultur geprägt hat, oder wie das brasilianische Lambada-Fieber in den 1990er-Jahren um die Welt reiste und die internationalen Musikcharts eroberte.
Die Fotoserie des preisgekrönten Autors Ocean Vuong zeigt, wie vietnamesische Geflüchtete in den USA ihre eigenen Gemeinschaftsräume errichteten und dabei die Nagelstudio-Industrie ins Leben riefen.
"Musafiri: Von Reisenden und Gästen" rückt die Menschen in den Vordergrund, "die auf der 'Kehrseite' der Globalisierung unsichtbar gemacht wurden: migrantische Arbeiterinnen und Arbeiter, die anonym Infrastruktur und Logistik aufgebaut haben", schreibt der Kurator in seinem Einführungsessay.
Gleichzeitig erinnert die Ausstellung auch an diejenigen, "die das Reisen als Form des Widerstands ablehnen", so Costinas. "Die Menschen, die sich weigern, aus ihrer Heimat abgeschoben, vertrieben oder ethnisch gesäubert zu werden". In einigen Fällen sehen diese Menschen ihre Heimat zerstört, ohne auch nur einen Fuß ins Ausland setzen zu müssen.
Adaption aus dem Englischen: Djamilia Prange de Oliveira