Mit Wrestling und Gebeten: Wie eine Kirche um Gläubige ringt
In der St. Peter's Church im nordenglischen Shipley geht es mitunter brachial zu: Mit Taufen zwischen Smackdowns und Predigten vor Body-Slams will Gareth Thompson verlorene Seelen zurück zum Glauben holen.
Erhebet eure Fäuste
In dieser Kirche segeln keine Weihrauchschwaden, sondern gleich ganze Wrestler durch die Luft. In Englands einziger "Wrestling Church" sitzen Gläubige und Fans Seite an Seite, jubeln über Smackdowns und Body-Slams – in einer "spirituellen Show", die Traditionen erschüttert. "Es ist keine Kirche, wie man sie normalerweise kennt", sagt Natasha Thomas, die Pfarrerin von St. Peter’s.
Ringen um den richtigen Glauben
Gareth Thompson hat die Wohltätigkleitsorganisation "Kingdom Wrestling" gegründet. Für ihn ist Wrestling mehr als Show: "Der Kampf Gut gegen Böse – das ist biblisch“, sagt Thompson. David gegen Goliath, Kain gegen Abel – auch biblische Dramen finden sich plötzlich im Ring wieder. Als Kind durchlebte Thompson Missbrauch und Obdachlosigkeit. Zuflucht fand er später im Wrestling - und im Glauben.
Vier Smackdowns für ein Halleluja
Zwischen Flying Headbutts und Tag-Team-Fights hält Thompson kurze Predigten. Dann wird gebetet – und weitergerungen. "Es funktioniert in beide Richtungen", sagt der Wrestler Flamin’ Daemon Crowe. "Manche kommen für Gott, andere bleiben für den Spaß."
Zwischen Gottesfurcht und goldenem Gürtel
Stephanie Sid, die unter dem Künstlernamen Kiara auftritt, posiert vor einem Showkampf mit ihrem goldenen Championship-Gürtel für ein Foto. Auch Kiara verbindet ihren Glauben mit dem Sport: "Ich bete vor dem Kampf zusammen mit meiner Gegnerin", sagt die Wrestlerin. "Wir bitten um einen sicheren Kampf – und darum, dass wir unser Publikum berühren."
Glaube im Schwitzkasten
Wrestler bereiten sich hinter der Bühne der St. Peter’s Kirche in Shipley auf ihren großen Kampf vor. In der stickigen Umkleidekabine, zwischen Kampfplänen, Knieschonern und abgetragenen Stiefeln, sagt einer: "Es ist schon ein bisschen surreal, wenn zwischen den Kämpfen Taufen stattfinden." Und doch meint er: "Viele Gläubige merken: Oh, eigentlich macht Wrestling Spaß."
"Pray, eat, wrestle, repeat"
Gareths T-Shirt gibt das Motto vor. Rund 200 Menschen füllen die St. Peter’s Church – vom tätowierten Fan bis zur Großmutter. "Ich dachte erst, das sei nichts für mich", sagt eine Besucherin, "aber diese Kämpfer sind viel mehr als ihr Äußeres." Kingdom Wrestling bietet mehr als Shows: Selbstverteidigung, Nachhilfe, Männertreffs – eine Kirche, die sich um Körper, Geist und Seele kümmert.
Ring-Taufe
Bei einer Kingdom-Wrestling-Show kommt es zu einer Rangelei außerhalb des Rings. Alle Wrestler liegen am Boden, und die Zuschauer haben sichtlich Spaß. 30 Menschen wurden innerhalb eines Jahres in der Wrestling Church getauft. Sonntags kommen nur wenige zurück – doch das stört Thompson nicht. "Es geht um Begegnung", sagt er. Und um Hoffnung. Vielleicht beginnt Glaube eben mit einem Body-Slam.
Jubel und Johlen
Die Kirchenbesucher sitzen derweil um den Ring und jubeln den Kämpfern zu. Weniger als die Hälfte der Briten bezeichnet sich noch als christlich. Der Anteil der Religionslosen stieg innerhalb von zehn Jahren von 25 auf 37 Prozent. Die anglikanische Kirche kämpft gegen den Bedeutungsverlust – und setzt auf unkonventionelle Wege. "Man muss dabei auch Risiken eingehen", sagt die Pfarrerin der Kirche.