Musik von Flüchtlingen
25. Dezember 2013"Ein Asylant ist kein Krimineller! Ein Asylant ist kein Mörder!" Revelino Mondehis Stimme klingt sanft, aber kraftvoll. Der Sänger wippt gleichmäßig im Off-Beat der Reggae-Musik. Die Menge vor ihm jubelt. Es ist sein Lied, seine Geschichte. "Warum muss man ihn einsperren wie in ein Gefängnis?" Hunderte sind gekommen, um Revelino und die anderen Musiker zu sehen. Das Konzert in der Bonner Brotfabrik ist ausverkauft. Für den Ivorer ist der Auftritt ein kurzer Moment der Freiheit - ohne offizielle Genehmigung der Ausländerbehörde dürfte er heute gar nicht hier sein.
Revelino kam 2010 nach Deutschland. Ein Mittelsmann hatte den Sänger und seinen besten Freund als blinde Passagiere an Bord eines Containerschiffs geschleust. Auf der Überfahrt wären sie fast gestorben. Sechs Tage harrten die Flüchtlinge ohne Wasser in ihrem Versteck aus, bevor Mitarbeiter der Schiffsbesatzung sie fanden und mit Wasser und Nahrung versorgten.
Flucht in die Gefangenschaft
In der Elfenbeinküste ist Revelino ein bekannter Reggae-Musiker, der offen gegen Korruption und den Bürgerkrieg ansingt. Damit hat er sich in seiner Heimat viele Feinde gemacht. Er wollte flüchten, um sich endlich wieder frei bewegen zu können. Doch bei der Ankunft in Deutschland dann der Schock: "Als die Polizei zu uns auf das Schiff gekommen ist, wurden uns Handschellen angelegt. Ich hatte in der Elfenbeinküste so eine ähnliche Situation erlebt. Man hatte mich festgenommen und gefesselt. Als die deutschen Polizisten mir die Handschellen anlegten, kam direkt die Angst wieder hoch." Wenn Revelino über seine Flucht spricht, klingt Bitterkeit in seiner Stimme: "Man flüchtet vor einer solchen Situation und dann passiert einem hier wieder das Gleiche. Das hat mir Angst gemacht." Mit Hilfe der Musik gelingt es dem Ivorer, das Erlebte zu verarbeiten.
"Freiheit ist ein Paradies"
Die Idee zu dem Projekt hatte der deutsche Liedermacher Heinz Ratz. Er besuchte 2011 mit seiner langjährigen Band "Strom und Wasser" 80 Flüchtlingsheime in ganz Deutschland, um Konzerte für die Flüchtlinge zu spielen. "Es war furchtbar zu sehen, wie die Menschen da leben müssen: wie sie vor sich hinvegetieren müssen, wie sie zum Teil zu wenig zu essen haben, keine Bildungschancen, keine Möglichkeit, Deutsch zu lernen, minderwertige ärztliche Versorgung", erinnert sich der Liedermacher. "Ich war entsetzt, dass so etwas in Deutschland möglich ist." Er begegnete auf der Reise auch zahlreichen Sängern und Instrumentalisten, die in den Flüchtlingsheimen keine Möglichkeit hatten, Musik zu machen. Inzwischen ist das zweite Studio-Album seiner erweiterten Band "Strom und Wasser feat. The Refugees" erschienen. Auf der CD "Freiheit ist ein Paradies" erzählen Musiker aus Afghanistan, dem Iran, Gambia und vielen anderen Krisenregionen von ihren Erfahrungen mit Krieg und Gewalt, ihrer Flucht und davon, was sie in Deutschland erlebt haben.
Die Tournee zum neuen Album ist für alle Beteiligten ein Kraftakt. "Ich habe in den letzten Wochen unzählige Telefonate mit Behörden, Anwälten und Flüchtlingsverbänden geführt", erzählt der Songwriter Heinz Ratz. Für jeden Musiker musste er eine Reisegenehmigung erwirken. Erst zwei der insgesamt 30 internationalen Musiker, die bereits mitgemacht haben, konnten eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen.
"Die Auszeichnung der Bundesregierung ist ein Witz"
Für sein politisches Engagement hat die Bundesregierung Heinz Ratz 2012 die Integrationsmedaille verliehen, eine Auszeichnung, die ihm heute noch Bauchschmerzen bereitet: "Ich wollte die Auszeichnung eigentlich ablehnen. Das ist doch ein Witz, dass eine Regierung, die so eine unmenschliche Flüchtlingspolitik macht, gerade mich auszeichnet." Heinz Ratz hat die Medaille schließlich doch angenommen, weil sie für die Musiker Schutz bedeutet. Denn eine Regierung, die ein Projekt wie dieses auszeichnet, könne die Musiker nicht so einfach abschieben, hofft Ratz. Bisher ist die Rechnung aufgegangen und keiner der Musiker musste Deutschland verlassen. Doch die Tournee endet diese Woche und für den Sänger Revelino sieht es derzeit wieder schlecht aus. Er will dennoch alles daran setzen, in Deutschland bleiben zu können und eine Arbeit zu finden. "Ich kämpfe, weil ich meine Geschwister zu Hause unterstützen muss. Ich habe selbst nie studiert und will mich um die Ausbildung meiner Brüder und Schwestern kümmern."