"Milosevic über Ermordung von Kosovo-Albanern bereits 1998 informiert worden"
16. Mai 2002Belgrad, 15.5.2002, RADIO JUGOSLAWIEN, deutsch
Der geschützte Zeuge K3, Ratomir Tanic, setzte die Zeugenaussage beim Prozess gegen Slobodan Milosevic vor dem Haager Tribunal fort.
Ermordungen von Albanern habe es in Kosovo und Metohija schon Anfang 1998 gegeben, sagte Tanic, und Milosevic sei informiert gewesen, dass die NATO das Gebäude des Rundfunks und Fernsehens Serbiens bombardieren werde, und er habe auch von den Leichen in den aus der Donau geborgenen Kühlwagen gewusst. Auf die Frage Milosevics, wie es möglich sei, dass die Neue Demokratie, eine Partei, von der Tanic gestern sagte, er sei ihr Mitglied, nichts gewusst habe, dass sich Tanic an den Gesprächen über die Lösung der Krise in Kosovo und Metohija beteiligt habe, antwortete der Zeuge, er sei über das Kabinett des Vorsitzenden dieser Partei, Dusan Mihajlovic, des gegenwärtigen Polizeiministers Serbiens, engagiert worden. Milosevic wird morgen das Kreuzverhör Tanics fortsetzen. (fp)
Belgrad, RADIO JUGOSLAWIEN, deutsch
Der Gerichtsprozess gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Jugoslawiens Slobodan Milosevic in den Haag ist nach einer gewissen Medienpause wieder in den Vordergrund gerückt. Das Erscheinen des geschützten und darüber hinaus des ersten serbischen Zeugen, Ratomir Tanic, hat offensichtlich die innenpolitische Szene in Erschütterung versetzt.
Das seit langem angekündigte Erscheinen Ratomir Tanics, des geschützten Zeugen K3, auf dem Haager Prozess gegen Milosevic, erregte großes Aufsehen in Jugoslawien. Die Presse veröffentlicht die Reaktionen der Neuen Demokratie und der Bürgerallianz Serbiens, der gegenwärtigen Mitglieder des Regierungsbündnisses DOS. Der geschützte Zeuge Tanic war angeblich Mitglied der Parteien Bürgerallianz und Neue Demokratie. Er erklärte in den Haag u.a., er sei zu einem "diskreten politischen Dialog" mit den Kosovo-Albanern engagiert worden, unter Bevollmächtigung Dusan Mihajlovics, des Vorsitzenden der Neuen Demokratie und aktuellen serbischen Polizeiministers. Die Neue Demokratie dementiert aber, dass Tanic ihr Mitglied war, sondern er war nur ihr Sympathisant, so die Belgrader Tageszeitung "Blic". Tanics Aussage zeugt von seinem Versuch, eine Geschichte zu konstruieren, an der die Neue Demokratie nicht in der Art teilgenommen hat, wie er das präsentierte, noch hatte Tanic die Bedeutung, die er sich selber beizumessen wünscht. Am wenigsten hätte Tanic Milosevics Partner bei der Umsetzung eines gewissen Plans sein können, die Autonomie des Kosovo wiederherzustellen. Seine Phantasie tut Wunder und die Not kennt kein Gebot, wird in einer Erklärung der Neuen Demokratie angeführt, die auch von anderen Tageszeitungen veröffentlicht wurde.
"Vecernje novosti" berichten von dem großen Interesse, das durch das Erscheinen Ratomir Tanics als geschützten Zeugen ausgelöst worden ist. Dieses Blatt berichtet, dass die Kenner des politischen Lebens im letzten Jahrzehnt des Mehrparteiensystems in Serbien sich an Tanic als einen der hohen Funktionäre und Gründer der Bürgerallianz Serbiens erinnerten. Diese Partei bestätigte, dass Tanic einige Monate im Jahr 1993 Vizevorsitzender der Partei sowie deren Mitglied im darauffolgenden Jahr war, und dass es seitdem keinen Kontakt mit ihm gegeben hat.
Die Tageszeitung "Danas" bringt die Erklärung von Milosevics Anwalt Zdenko Tomanovic, die Anwaltschaft des Tribunals habe die größten Hoffnungen gerade in den Zeugen K3 gesetzt, der einen echten Insider darstellen sollte und über die wichtigsten Fragen der inneren Sicherheit und der ethnischen Säuberung als Zeuge aussagen werde. Er werde noch einer der Zeugen in dieser Reihe sein, der bestätigen werde, dass die Anklage gegen Milosevic eine missglückte Improvisation sei, so der Kommentar von Tomanovic.
Von der Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht seine Präsentierung selbst vor dem Haager Tribunal. Tanic stellte sich angeblich als Mitglied der angeführten politischen Organisationen vor, aber erklärte zudem, er habe seit 1993 mit dem serbischen Staatssicherheitdienst sowie mit den britischen, italienischen und russischen Nachrichtendiensten zusammen gearbeitet, so "Politika". (fp)