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Politik

Trumps erschreckende Missachtung der Demokratie

Carla Bleiker
Carla Bleiker
4. November 2020

Noch ist nicht klar, wer die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen hat, sicher ist nur: Das Ergebnis wird knapp. Das zeigt, dass überraschend viele Amerikaner mit Trumps Politik einverstanden sind, meint Carla Bleiker.

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US Wahl 2020 Donald Trump
Donald Trump bei seinem Auftritt in der Wahlnacht im Weißen Haus. Links Vize Mike Pence und seine Frau Karen, rechts First Lady Melania TrumpBild: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Die Wahlnacht ist genau so verlaufen, wie von vielen Experten und Analysten vorhergesagt - zumindest in einer Hinsicht: Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in den USA noch keinen klaren Sieger. In wichtigen Bundesstaaten wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania wird immer noch ausgezählt und sie werden dort wohl noch einige Zeit brauchen, um endgültige Ergebnisse zu melden.

Kaum überraschend, dass beide Kandidaten alles tun, um während dieser Hängepartie ihren Anhängern Optimismus zu vermitteln. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden trat am frühen Mittwochmorgen Ortszeit in seinem Heimatstaat Delaware vor die Kameras.

Drei Arten zu wählen

"Wir wussten, dass es lange dauern würde", sagte Biden und fügte hinzu, dass er ein gutes Gefühl habe, sich die Mehrheit der 270 Stimmen im Wahlkollegium und damit die Präsidentschaft sichern zu können. "Es ist erst vorbei, wenn jede Stimme gewertet und jeder Stimmzettel ausgezählt ist", betonte er.

Autorenbild l Kommentatorenbild DW Carla Bleiker
Carla Bleiker ist DW-Korrespondentin in WashingtonBild: privat

Aufgrund von drei unterschiedlichen Möglichkeiten zu wählen - die persönliche Stimmabgabe am Wahltag, die persönliche Stimmabgabe bereits vorab sowie die Abstimmung per Briefwahl - kann sich die Auszählung noch bis weit in die folgenden Tage hineinziehen. Dies ist rechtlich einwandfrei und somit ein völlig normaler Teil des demokratischen Prozesses.

Erschütternd ist hingegen der Vorwurf von Präsident Donald Trump, hierbei handele es sich um einen Versuch der Demokraten, die Wahl zu "stehlen". Wie schon so oft lieferte er für diese via Twitter verbreitete Behauptung keinerlei Beweise.

In seiner Rede am frühen Mittwochmorgen behauptete Trump, in mehreren Staaten eindeutig gewonnen zu haben, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht genügend Stimmen gezählt hatten, um einen Sieger benennen zu können. Trump wies auch ausdrücklich auf seinen Vorsprung in Pennsylvania hin - ohne das zentrale Detail zu erwähnen, welche Art der Stimmabgabe dort vor allem noch ausgezählt werden muss.

Vor allem Briefwahlstimmen stehen noch aus

Denn die Masse dessen, was bisher noch nicht ausgezählt ist, sind die per Briefwahl abgegebenen Stimmen. Experten gehen davon aus, dass unter den Briefwählern deutlich mehr Demokraten als Republikaner sind. Trump hat also durchaus ein Interesse daran, dass möglichst viele dieser Stimmen nicht gezählt werden. Im Gegenzug bedeutet das aber auch, dass die Demokraten die Hoffnung noch nicht aufgeben sollten - Trump steht zwar in vielen der noch offenen Staaten aufgrund der vorliegenden Teilergebnisse an der Spitze, aber ein Großteil der noch auszuzählenden Stimmen dürfte wahrscheinlich für Biden sein.

Mit anderen Worten: Auch wenn es gerade wie ein deprimierendes Déjà-vu der Wahl 2016 aussehen mag, ist noch nicht alles verloren. Aber Trump, der sich zum Sieger erklärt, das Prozedere der Auszählung als "schweren Betrug" bezeichnet und ankündigt, er werde deswegen den Obersten Gerichtshof anrufen, zeigt eine dreiste Missachtung der Regeln wie im Pandemiejahr 2020 eine demokratische Wahl abgehalten und ausgezählt werden muss.

Vergebliches Hoffen auf einen klaren Sieg Bidens

Viele liberale Amerikaner hatten auf einen klaren Biden-Sieg gehofft und nicht mit einem solchen Ausgang der Wahl gerechnet. Immerhin kandidierte ihr Kandidat gegen einen Präsidenten, der Muslimen die Einreise in die USA verbieten wollte, der Migrantenkinder an der südlichen US-Grenze von ihren Eltern trennte, der rassistische Angriffe gegen US-Kongressabgeordnete gestartet hat, der angeklagt wurde, weil er versucht hatte, Militärhilfe für die Ukraine gegen Hilfe gegen seinen politischen Rivalen einzutauschen, unter dessen Führung bisher mehr als 250.000 Menschen in der Corona-Pandemie starben. Und die Liste der Skandale wird länger und länger.

Die Tatsache, dass so viele Amerikaner trotz der Bilanz der vergangenen vier Jahre wieder für Donald Trump stimmten, zeigt, was in den Vereinigten Staaten inzwischen akzeptiert wird. Und das ist verheerend - ganz gleich, wer nun am Ende im Weißen Haus landet.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker