"Mazedonien blickt in die Zukunft"
29. April 2004Bonn, 29.4.2004, DW-RADIO / Mazedonisch, Nada Steinmann
Neun Wochen nach dem Unfall-Tod des mazedonischen Staatspräsidenten Boris Trajkovski wurde am Mittwoch (28.4.) sein Nachfolger gewählt. Nach inoffiziellen Ergebnissen ist der Kandidat der regierenden Partei der Sozialdemokraten (SDSM) Branko Crvenkovski der neue Präsident. Mit knapp 550.000 Stimmen hat er sich bei der Stichwahl am gestrigen Mittwoch (28.4.) gegen den Kandidaten der oppositionellen Partei VMRO-DPMNE, Sasko Kedev, durchgesetzt. Die VMRO-DPMNE behauptet, dass es in einigen Wahlkreisen Wahlbetrug gegeben habe.
"Heute hat Mazedonien gezeigt, dass es kein Zurück mehr gibt. Mazedonien geht neuen Erfolgen entgegen. Das Land kennt seinen Weg und richtet seinen Blick in die Zukunft."
Bereits am Mittwochabend (28.4.), noch vor der Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse, erklärte sich der Kandidat der Sozialdemokraten und amtierende Premierminister, Branko Crvenkovski, zum Sieger. Er bedankte sich bei seinen Parteifreunden und bei den Wählern, zeigte sich aber auch respektvoll gegenüber seinem Gegner und würdigte dessen Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl.
Zeit zum Feiern hat Crvenkovski aber nicht: Bereits am Donnerstag (29.4.) möchte er die Ärmel hochkrempeln und mit der Arbeit beginnen. Er weiß, was die Wähler vom künftigen Präsidenten erwarten - und das ist nicht wenig: Nachdem Mazedonien vor einigen Wochen den Antrag auf Integration in die EU gestellt hat, erhofft sich die Bevölkerung eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und des Images Mazedoniens im Ausland. Diese Aufgaben möchte Crvenkovski in erster Linie der Regierung überlassen, er selber will sich in Zukunft mehr der Versöhnung zwischen den Volksgruppen und der Durchsetzung des Abkommens von Ohrid widmen.
In Kreisen der VMRO-DPMNE, deren Kandidat Sasko Kedev nur auf rund 330.000 Stimmen kam, war die Stimmung angespannt: Die regierende SDSM sei Schuld am größten Wahlbetrug seit der Unabhängigkeit des Landes, war von der unterlegenen Oppositionspartei zu hören. Dies sei unwürdig für Mazedonien, für die Demokratie und auch für einen Staatspräsidenten, der das Volk führen solle, sagte Kedev:
"Das Spiel ist nicht zu Ende. Wir werden nicht zulassen, dass diese Wahlfälschung hingenommen wird, und wir werden den so genannten und selbsternannten Präsidenten Mazedoniens nicht anerkennen. Dieser Mann wird niemals Präsident Mazedoniens sein!"
Doch weder mazedonische noch ausländische Beobachter konnten die Vorwürfe der Opposition bestätigen. Die sehr niedrige Wahl-Beteiligung von 53,4 Prozent reicht aus, um die Wahlen für gültig zu erklären. Dennoch zeugt diese knappe Stimmabgabe von einer Unzufriedenheit der Wähler nicht nur mit der Politik der jetzigen Regierung, sondern mit der Politik insgesamt. Denn weder bei der einen politischen Riege noch bei der anderen hat sich in der Vergangenheit die miserable wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit gebessert.
Diese Unzufriedenheit machte sich bemerkbar auch bei Protesten am Abend vor dem Parlament, wobei einige Hundert VMRO-DPMNE-Anhänger gegen die regierende SDSM, aber auch gegen die Unstimmigkeiten in den eigenen Reihen protestierten. Ihre Hoffnung, dass das neue Gesicht Kedev die Wahlen gewinnen und für eine neue, stärkere VMRO sorgen werde, wurde enttäuscht. Im Hintergrund wartet der frühere Parteichef und ehemalige Premierminister Ljupco Georgievski auf sein Comeback.
Auch in den Reihen der regierenden SDSM wird es neue Umstrukturierungen geben: Die nun frei gewordenen Ämter des Premierministers und des Parteivorsitzenden sind Anlass, die Karten neu zu mischen. Die Partei hat zwar gemeinsam einen Sieg errungen, doch innerparteilich sind Kämpfe zu erwarten.
Erwartungen gibt es auch bei der regierenden albanischen Partei der Demokratischen Union für Integration (DUI): Die Partei hatte zur Stimmabgabe für Crvenkovski aufgerufen. Es war zu erwarten, dass die Stimmen der Albaner entscheidend für die Wahl sein werden. Inter-ethnische Beziehungen haben diesmal keine große Rolle gespielt: Die regierenden Parteien der Mazedonier und der Albaner arbeiteten gut zusammen, dahinter steckten aber vermutlich parteitaktische Überlegungen. Inoffiziell wird gemunkelt, dass die DUI die Führung im Verteidigungsministerium übernehmen möchte.
Die Demokratische Partei der Albaner (DPA) erkennt die Wahlergebnisse jedoch nicht an und verlangt eine Wiederholung der zweiten Runde. Auch sie behauptete, die Resultate seien gefälscht worden.
Es wird erwartet, dass der neue Präsident Branko Crvenkovski wahrscheinlich schon am Sonntag (2.5.) als Nachfolger von Boris Trajkovski proklamiert wird. (fp)