Massives Bombardement von Taliban-Stellungen
31. Oktober 2001Bei einem Treffer auf eine Einrichtung des Roten Halbmondes sollen in Kandahar elf Menschen getötet worden sein. Die Taliban spricht von bislang 1500 Todesopfern des Krieges.
Die Angriffe auf Kandahar begannen Mittwoch vor dem Morgengrauen. Es gab mindestens zwei Angriffswellen. Mehrere Explosionen waren zu hören. Am Tage wurden dann ausländische Reporter von den Tailban in einen Vorort Kandahars gebracht. Dort berichtete ihnen ein Arzt, dass eine Medikamentenausgabe des Roten Halbmondes bombardiert worden sei. Elf Menschen seien getötet und sechs verletzt worden. Der am Kopf, der rechten Hand und am linken Bein verbundene Arzt sagte, er selbst sei auch verletzt worden. Seine Angaben über die Opfer konnten nicht nachgeprüft werden. Der Rote Halbmond ist die islamische Schwesterorganisation des christlich geprägten Roten Kreuzes.
In der Nähe des von den Taliban-Gegnern gehaltenen Flughafens Bagram nördlich von Kabul griffen US-Flugzeuge zwei Taliban-Stellungen mit Flächenbombardements an. In großer Höhe war ein Bomber zu sehen, der vier Kondensstreifen über den Himmel zog - offenbar ein schwerer B-52-Bomber. Er warf Dutzende Bomben ab, die am Boden explodierten. Staub und dunkle Rauchschwaden stiegen auf. Mindestens jeweils 30 Einschläge waren an zwei von der Taliban kontrollierten Pässen zu sehen.
Offensive nördlich von Kabul erwartet
Das Bombardement soll offenbar eine Bodenoffensive der Nordallianz gegen die Taliban vorbereiten. Einer ihrer Anführer, Ahmad Siah Masud, sagte, seine Truppen bereiteten sich auf eine Offensive nördlich von Kabul vor. Er denke, dass sie in vier bis fünf Tagen beginnen werde. Einen Einsatz von US-Bodentruppen hält Masud nicht für nötig: "Wir haben selbst genug Soldaten", sagte er. 8000 bis 10.000 Mann stünden bereit. Die Amerikaner sollten aber ihre Bombardements fortsetzen.
Nur wenige US-Soldaten in Afghanistan
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte mitgeteilt, dass bereits einige US-Soldaten in Afghanistan seien. Sie sollten bei der Festlegung von Zieldaten für die Bombenangriffe helfen und mit der oppositionellen Nordallianz zusammenarbeiten. Nach Informationen aus Kreisen des Ministeriums handelt es sich um weniger als 100 Mann.
Der zur Anti-Taliban-Allianz gehörende General Abdul Raschid Dostum sagte, 15 bis 20 US-Soldaten seien bei seinen Truppen. Sie hätten bislang die Lebensmittelabwürfe koordiniert, eine militärische Zusammenarbeit solle erst noch beginnen. Dostum konzentriert sich auf die Rückeroberung der Stadt Masar-i-Scharif, seiner früheren Hochburg. Bislang hindere ihn der Mangel an Waffen und Nachschub an einer neuen Offensive. Er rechne aber auch mit einem Aufstand der Menschen in der Stadt gegen die Taliban. Dostums letzte Offensive war vor wenigen Wochen von den Taliban zurückgeschlagen worden.
Revolte gegen die Taliban?
Auf Risse in der Gefolgschaft der Taliban setzt auch der pakistanische Präsident Musharraf. Er sei ziemlich sicher, dass sich viele Menschen im Nachbarland fragten, ob es klug sei, für jemanden wie bin Laden und dessen Männer, die keine Afghanen seien, Leid auf sich zu nehmen, sagte der General. Die Möglichkeit einer Revolte gegen die Taliban werde größer, so Musharraf. Dies könnte den Weg für eine politische Lösung ebnen und die Luftangriffe der USA überflüssig machen. Die Angriffe werden seit dem 7. Oktober fast täglich geflogen, um eine Auslieferung bin Ladens zu erzwingen.