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Fluorid im Trinkwasser: Macht es Kinder wirklich dümmer?

17. März 2025

Der US-Bundesstaat Utah hat beschlossen, dass Trinkwasser kein Fluorid mehr zugesetzt werden soll. Obwohl es für gesunde Zähne sorgt, wird Fluorid immer wieder verdächtigt, die Intelligenz von Kindern zu mindern.

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Symbolbild  Wasserhahn mit Trinkwasser
Die Fluoriddosis pro Tag sollte nicht zu niedrig sein, aber auch nicht zu hoch - die Dosis macht das Gift.Bild: ANP/Hollandse Hoogte/Jeffrey Groeneweg/IMAGO

Fluoridiertes Trinkwasser ist in den USA eine ganz normale Sache. Mehr noch: Weil mit Beginn der Wasser-Fluoridierung 1945 die Karies-Fälle rapide sanken, nennt das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) die Maßnahme "eine der 10 größten Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit des 20. Jahrhunderts". 

Fluoride sind Salze der Fluorwasserstoffsäure. Sie dienen der sogenannten Remineralisierung des Zahnschmelzes und senken somit das Karies-Risiko. 

Trotzdem hat Utah nun als erster US-Bundesstaat beschlossen, dass Schluss sein soll mit dem Fluorid im Wasser. Das dürfte US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy freuen. Er hatte noch vor der Amtseinführung von Präsident Donald Trump in einem Post auf X verkündet, die Trinkwasserfluoridierung stoppen zu wollen. Unter anderem, weil Fluorid neurotoxisch wirke und den IQ senke. Vor allem den von Kindern, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befinden.

Tatsächlich ist die Frage, ob Fluorid die Intelligenz von Kindern senken kann, immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Manche Studien fanden eine Korrelation zwischen der Fluorid-Konzentration im Urin von werdenden Müttern und den kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder. Fluorid kann in zu hohen Konzentrationen den Calcium-Stoffwechsel von Körperzellen so stören, dass Gehirnzellen geschädigt werden.

Eine im Januar diesen Jahres veröffentlichte Metaanalyse hat die Diskussion um den Zusammenhang zwischen Fluoridaufnahme und Intelligenz erneut entfacht. 

Jan Hengstler ist Arzt für Pharmakologie und Toxikologie an der TU Dortmund und hat sich mit Fluorid und dessen potentieller Gefahr beschäftigt. Die Frage, ob Fluorid die sich noch entwickelnden Kindergehirne schädigen kann, sei durchaus berechtigt, sagt Hengstler. "Es ist ein komplexes Thema, das man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte."

Ein Review von 2020, an dem Hengstler beteiligt war, kommt zu dem Schluss, dass Fluorid bei den derzeitigen Expositionswerten in Europa nicht neurotoxisch für die menschliche Entwicklung ist. Das heißt auch: Die Dosis ist entscheidend. 

Die Dosis macht das Gift: Ab wann schadet Fluorid?

"Mehr als 1,5 mg Fluorid pro Liter Wasser sollte Trinkwassern auf keinen Fall enthalten", sagt Hengstler. Laut CDC enthält ein Liter US-Trinkwasser 0,7 mg pro Liter. Das entspricht der von der amerikanischen Gesundheitsbehörde NIH empfohlenen Tagesdosis für ein ein- bis dreijähriges Kleinkind.

Erwachsene Männer sollten nicht mehr als 4 mg Fluorid pro Tag konsumieren. Für erwachsene Frauen sind 3 mg genug. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Toxikologe Hengstler rechnen lieber mit 0,05 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. 

"Bei mehr als 4 mg pro Liter Trinkwasser kann es zu Zahnfluorose kommen", so Hengstler. Zahnfluorose zeige sich durch braune Flecken auf den Zähnen und sei ein deutliches Signal für eine zu hohe Fluoridaufnahme. "Ab 10 mg Fluorid pro Liter Trinkwasser kann eine Skelettfluorose die Folge sein", sagt der Toxikologe. Dabei werden die Knochen brüchig und es kommt zu schmerzhaften Gelenkveränderungen. 

Das Problem mit Fluorid ist, dass in vielen Ländern nicht nur das Trinkwasser, sondern auch Zahnpasta und Salz fluoridiert werden. Außerdem enthalten bestimmte Lebensmittel natürlicherweise Fluorid, Fisch und Schwarztee beispielsweise. Fluorid kommt ebenfalls natürlicherweise in Wasser vor, das für die Trinkwasseraufbereitung genutzt wird – je nach Region in höherer oder geringerer Konzentration. 

Neurotoxische Wirkung bei 100facher Überdosierung

"In Tierversuchen wurde beobachtet, dass Fluorid neurotoxische Wirkungen haben kann", sagt Hengstler. "Aber das ist bei Dosen aufgetreten, die mehr als 100fach höher sind als die, die Menschen zu sich nehmen können." In solch hohen Dosen kann Fluorid Körperzellen schädigen. 

Entscheidend sei deshalb, dass die Gesundheitsbehörden die Fluoridversorgung der Bevölkerung einer Region überwachen, so Hengstler. "Die Fluoridzufuhr sollte nicht zu niedrig, aber eben auch nicht zu hoch sein. Ideal sind 0,05 mg Fluorid je Kilogramm Körpergewicht am Tag. Denn damit wird Karies vorgebeugt. Man ist aber auch noch von den Aufnahmemengen entfernt, die zu Zahn- oder Skelettfluorose führen."  

Wie Gifte täglich die Gesundheit gefährden

Schlechte Gesundheitsversorgung verzerrt Studien

Eine Überwachung durch Behörden funktioniert allerdings nicht in allen Regionen der Welt. "In bestimmten meist ländlichen Regionen zum Beispiel in der Mongolei oder auch im ländlichen China gibt es Gebiete, in denen die Fluoridexposition entweder zu hoch oder zu niedrig ist und die generelle Gesundheitsversorgung besser sein müsste." Schlechte Gesundheitsversorgung wiederum gehe häufig mit geringerer Bildung und niedrigem Wohlstand einher. 

Daraus ergibt sich ein weiteres Problem: Studien zu Fluorid sind oft durch viele Störfaktoren, sogenannte "confounder" verfälscht. Vor allem, wenn es sich um Querschnittstudien handelt, bei denen die Bevölkerungsstichprobe nur einmal untersucht wird. Ob die geringere Intelligenz tatsächlich mit dem Fluoridkonsum zusammenhängt oder eine oder mehrere andere Ursachen hat, lässt sich so kaum sagen. 

"Es gibt aber auch Langzeitstudien und Studien, welche die Störfaktoren rausrechnen", sagt Hengstler. In diesen Untersuchungen, auch Längsschnittstudien genannt, werden die Probanden über einen längeren Zeitraum immer wieder untersucht. Die Ergebnisse solcher Studien aus Europa und Kanada: Wer die empfohlene Fluorid-Tagesmenge nicht überschreitet, muss um seine Intelligenz nicht fürchten.  

Quellen:

Archives of Toxicology: Toxicity of fluoride: critical evaluation of evidence for human developmental neurotoxicity in epidemiological studies, animal experiments and in vitro analyses (2020)

Jama Pediatrics: Fluoride Exposure and Children’s IQ Scores (2025)

Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.