MSC: Die Krisen der Welt als Chance für die Zukunft
16. Februar 2025Bündnisse, demokratische Grundprinzipien, gemeinsame Werte - derzeit wird vieles auf der Welt in Frage gestellt, was als standfeste Basis galt. Fast sei das so wie in einer sogenannten Quarterlife-Krise, sagt Moderator Benedikt Franke, stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz.
Eine Quarterlife-Krise, das ist diese Phase in den Mittzwanzigern eines Lebens, in der bei manchen jungen Erwachsenen die erste blanke Ernüchterung einsetzt. In der sie bisherige Entscheidungen im Leben und die eigene Zukunft hinterfragen.
Es ist eine Krise, die auch eine Chance sein kann - wenn man sie nutzt. Genau das ist das Thema der letzten Podiumsdiskussion der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Titel "Lass niemals eine Quarterlife-Krise ungenutzt: Neue Lösungen in einem polarisierten Jahrhundert".
Der Glaube an eine bessere Welt
So eine Krise zu nutzen, ist aber kein Selbstläufer, sondern Arbeit. Darin sind sich die vier Teilnehmerinnen der letzten Podiumsdiskussion der Münchner Sicherheitskonferenz einig. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern der Erde, die alle vor anderen Herausforderungen stehen. Es eint sie der politische Kampf für eine bessere Welt.
Aus Belarus Swetlana Tichanowskaja, Oppositionsführerin, die in der Europäischen Union im Exil lebt. Ende Januar ließ sich in Belarus der seit 30 Jahren autoritär regierende Alexander Lukaschenko für eine siebte Amtszeit bestätigen - in einer Wahl ohne Opposition.
Aus Polen Aleksandra Uznanska-Wisniewska, Abgeordnete. In dem Nachbarland von Belarus wählte das Volk vor anderthalb Jahren eine rechtsnationale Regierung ab. Seitdem versucht die regierende Mitte-Links-Koalition um Ministerpräsident Donald Tusk den jahrelangen Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch die Vorgängerregierung rückgängig zu machen.
Aus Namibia Utaara Mootu, Parlamentarierin. In dem südwestafrikanischen Land liegt die Arbeitslosenquote offiziellen Zahlen zufolge bei rund 37 Prozent, nach anderen Definitionen hat aber mehr als jeder Zweite keinen Job.
Aus Guatemala Elena Motta, die mit 22 Jahren jüngste Kongress-Abgeordnete in der Geschichte des Landes wurde. Das zentralamerikanische Guatemala ist geprägt von großer Ungleichheit zwischen Arm und Reich.
Tichanowskaja: "Unsere Werte sind gut"
Der Abschluss der Münchner Sicherheitskonferenz war ein flammendes Plädoyer für die Demokratie. "Was mir Hoffnung macht, ist jede Person, die nicht aufgibt, für Demokratie zu kämpfen", sagt Tichanowskaja. "Uns muss klar werden, dass unsere Werte gut sind. Wir müssen sie nicht korrigieren", so die belarussische Oppositionsführerin. "Wir müssen sie nur beschützen, denn die Demokratie ist der Kern unseres angenehmen und friedlichen Lebens."
Viele Menschen würden die Demokratie, in der sie leben, nicht mehr wahrnehmen und hielten sie für selbstverständlich, sagte Tichanowskaja. Gleichzeitig kämen in Ländern wie Belarus oder der Ukraine Menschen ums Leben, die für Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen. Doch die Demokratie sei in Gefahr. "Jeder junge Mensch ist dafür verantwortlich, die Demokratie zu schützen." Um das tun zu können, muss jeder wissen, warum Demokratie für sich und das eigene Land wichtig ist.
Junge Menschen wieder inspirieren
Aleksandra Uznanska-Wisniewska aus Polen sieht in dem Punkt die Politik in der Verantwortung, junge Menschen wieder dafür zu begeistern, sich in die Gesellschaft einzubringen. Denn oft würden diese nur vom radikal rechten oder linken Spektrum direkt angesprochen. "Unsere Versuche, liberale Demokratie zu fördern, sind ein wenig blutleer und uninspiriert gewesen." Aus ihrer Erfahrung im Wahlkampf in Polen heraus sagt sie, man bringe junge Menschen nicht mit Zwang dazu, sich zu engagieren. Stattdessen sollte man ihnen sagen: "Du wirst gebraucht. Die Alternative zu deinem Engagement ist eine schlechtere Welt, eine ungerechtere Welt." Verantwortung zu übernehmen, gibt dem Leben ihrer Meinung nach Bedeutung und Tiefe. "Uns ist diese Rhetorik zu Verantwortung abhandengekommen."
Auch Elena Motta aus Guatemala weist darauf hin, dass die unterschiedlichen Generationen wieder mehr miteinander sprechen müssen. "Wir machen dieselben Fehler, die wir im 20. Jahrhundert bereits gemacht haben. Wir hinterfragen gerade Grundprinzipien, die wir schon geklärt hatten zum Beispiel zu Menschenrechten, Rassismus und Ausländerhass." Für eine bessere Zukunft müssten wir die Fehler der Vergangenheit verstehen und sie nicht wiederholen.
Alle globalen Stimmen hören
Die namibische Abgeordnete Utaara Mootu sieht die existierenden und wachsenden Ungleichheiten in der Welt derzeit als größte Herausforderung: vor allem in Fragen der Zusammenarbeit des globalen Nordens mit dem globalen Süden. Der Norden biete Lösungen für afrikanische Probleme ohne afrikanische Führer zu befähigen, die Maßnahmen effektiv umzusetzen. "Und wenn die Politik dann scheitert und die Ungleichheit verschärft, sind wir es, die leiden."
Doch Mootu betont auch, dass sich die Welt in einigen Punkten in die richtige Richtung bewegt. Dazu gehört, dass diverse, globale Stimmen auf der internationalen Bühne wie der Münchner Sicherheitskonferenz stärker gehört würden. Laut Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, kamen 30 Prozent der Gäste auf der Bühne aus Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.
Auch Gespräche im Rahmen der Konferenz darüber, wie die Vereinten Nationen und andere Institutionen gestärkt werden können, wenn große Geldgeber wie aktuell die USA sich zurückziehen, stimmten sie positiv: "In diesen Diskussionen öffnen wir uns für Diversität, schauen nicht auf die Vergangenheit, sondern auf das, was jetzt passiert. Wir versuchen Lösungen und Gemeinsamkeiten zu finden für eine bessere Welt. Das erfüllt mich mit Freude."
Die USA unter der zweiten Regierung von Präsident Donald Trump und deren Umgang mit der Welt waren immer wieder Thema bei der Konferenz. Sei es im Rahmen eines möglichen Friedensplans der Amerikaner für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Sei es wegen der Differenzen zwischen Europa und den USA, die spätestens seit dem Auftritt von US-Vizepräsident JD Vance bei der Konferenz am Freitag offen zutage getreten ist.
Auch in dieser Krise der Beziehung sieht Aleksandra Uznanska-Wisniewska, die sich als Verfechterin für transatlantische Werte und Kooperation bezeichnet, eine Chance. Was ihr Hoffnung gibt, ist der Gedanke, dass Europa mehr kann: "Multilateralismus, Widerstand und die Verteidigung von Freiheit beginnen und enden nicht in Washington. Wenn der übliche Anführer für globale Demokratie und globale Führung manchmal Fehler macht, dann sind wir bereit vorzutreten und zu führen."