London aus der Sicht (ehemals) obdachloser Fotografen
Das Projekt "Café Art" verteilte über 100 Einwegkameras an Obdachlose in London. Von den 5000 eingesandten Fotos wurden 13 ausgewählt, die jetzt den 2017 Kalender "MyLondon" schmücken.
Ein Dalmatiner namens Banksy
"Ich traute meinen Augen nicht, als ich einen neuen Banksy gefunden hatte", schwärmt Saffron Saidi. In der Nähe eines Wandgemäldes hatte sie einen Barkeeper gebeten, ihren Hund Dotdot festzuhalten. Und der erwiderte: "Banksy mag Hunde." Die geistig behinderte Saidi hat die meiste Zeit ihres Lebens in Pflege verbracht. Ihr Foto, aufgenommen in Hoxton, Ostlondon, ziert das Titelblatt des Kalenders.
Raus aus der düsteren Untergrundstation
Hier ist Jackie Cooks Freundin Mia Lyons beim Verlassen der Londoner Untergrundstation Mansion House zu sehen. Beide besuchen die selbe Dramaklasse des Haringey Recovery Centre, ein Partner des St. Mungo Heims für Obdachlose. Lyons lehrt dort Töpfern und Cook auf ehrenamtlicher Basis Meditation. Das Kalenderprojekt wird von Café Art organisiert und durch Crowdfunding finanziert.
Ein herziger Fahrradstand
"Ich war gerade im Londoner Westen, wo mir dieser ungewöhnliche Fahrradstand mit dem Herz auffiel. Ich dachte, der könnte ein gutes Foto ergeben, also schoss ich schnell eins". Fotografin Ella Sullivan berichtet, sie würde manchmal mit ihrem Handy fotografieren, hätte aber keine richtige Kamera. Sie besucht Kunstkurse und einen Friseurkurs an einer Londoner Friseurfachschule im Stadtteil Camden.
Farbige Strahlen
"Darf ich vorstellen? Das hier ist mein Freund Ray of Light (Farbstrahl), der in der Nähe der Brick Lane als Künstler tätig ist. Ich bat ihn, in der Nähe von ein paar Graffitti zu posieren, weil ich mir dachte, dass das ein tolles Foto werden könnte". Ein Drogenproblem hatte Geraldine Crimmins ihr Haus und ihre Firma gekostet. Jetzt ist sie wieder drogenfrei und arbeitet bei Café Art mit.
Fahrer gesucht
"Das hier ist das einzig vernünftige Foto von den 26, die ich geschossen habe," gesteht der Fotograf Richard Fletcher. "Ich schlafe unruhig. Im Sommer ist das okay. Und im Winter hatte ich eine Unterkunft. Vielleicht kehre ich dahin zurück, falls ich im Oktober/November immer noch in dieser Gegend bin". Fletcher ist ein Mitglied von Arts Fritzovia, eine Londoner Künstlergruppe für Obdachlose.
London ruft
"Das ist Mayfield Lavender, bin gerade im Westen von Croydon. Ich bin gerade herumgeradelt und dachte mir, das hier sieht doch ganz gut aus". Hugh Gary, der ehemals in der Britischen Armee gedient hat, wurde von der "Big House", einem Hostel für obdachlose ehemalige Armeeangehörige, untergebracht. Er sagt, es gebe aber nur wenig Unterstützung für Leute wie ihn.
Londoner Ikonen
"Mir gefiel die Form dieser Skulptur und das Licht. Ich wollte den Bus, weil er eine Ikone von London ist. Und dazu ein bisschen was von der St. Pauls Kathedrale". Als Kind hauste Alana Del Valle mit ihrer Mutter auf der Straße, die vor ehelicher Gewalt geflohen war. Immer wieder wurde sie obdachlos. Jetzt hat sie eine Wohnung gemietet: "Die Fotografie half mir, mein Umfeld neu wahrzunehmen".
Ein selten blauer Himmel
Letztes Jahr hatte Beatrice den ersten Preis eines ähnlichen Fotowettbewerbs für Obdachlose gewonnen. Über ihren diesjährigen Beitrag sagt sie: "Es war ein extrem heißer Tag. Mich faszinierte der knallblaue Himmel über der schneeweißen Mauer. Ich sah mich um und bemerkte die rote Gießkanne. Perfekt! Aber da fehlte noch was. Also hob ich meine Hand, die einen schwarzen Schatten auf die Wand warf."
Wer ist hier wohl das Kunstwerk?
Der Fotograf Keith Norris schoss dieses Foto mit seiner Freundin Louise Danby in Hatton Garden, das er als "eine Art Arkade mit Edelsteinen und Kunst" bezeichnete. Norris war von 1984 bis1992 obdachlos und verbrachte seine Nächte unter einer ausgedienten Zugbrücke. "Damals gab's da keine Bahnlinie, und es war äußerst schwierig, dahin zu gelangen", erinnert er sich.
Blick über die Themse nach einem Regenguss
"Es goss in Strömen. Nach dem Platzregen war die große Wolke immer noch da. Es war Abend und die Sonne verfärbte die Wolke orange. Das sah wunderschön aus", schwärmt Siliana. Zusammen mit 30-40 anderen Leuten harrt sie trotz Räumungsbeschluss in einer Kirche im Süden von London aus. Siliana nimmt an einem Fotografieprogramm von Café Art teil.
Was nun?
Dieses Foto wurde von Laz Ozerden in der Nähe der Station Highbury and Islington aufgenommen. "Für mich bedeutet dieses Bild, dass ich alles und nichts bin", erklärt er. Ozerden wanderte 2004 aus Ungarn in London ein. Alkoholprobleme brachten ihn 2012 für sechs Monate ins Krankenhaus. Jetzt erholt er sich mit Hilfe von Institutionen für Obdachlose, und will selbst Sozialarbeiter werden.
Duftende Kaffeebohnen und ein dufter Kaffeeröster
Schon immer wollte der Fotograf Leo Shaul diese unabhängige Kaffeerösterei in Camden Town aufsuchen. Aber erst der Fotowettbewerb verschaffte ihm einen Vorwand, dies umzusetzen. Dort traf er den Kaffeeröster George. Shaul wird zur Zeit wegen Alkoholismus behandelt. So fasst er seine Kur zusammen: "Alkoholismus ist eine selbstsüchtige Krankheit, also muss die Behandlung auch selbstsüchtig sein."
Das Spiegelbild eines Giganten
Christopher McTavish kam 1971 nach London. Er stammt aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Toronto. Wegen Drogen war er dort aus seiner Wohnung rausgeworfen worden. In London trieb er sich 1998 und 1999 als Obdachloser herum. Jetzt lebt er in einer vergünstigten Wohnung. McTavish, der im Chor "With No Name" ("Namenlos") für Obdachlose singt, fing diese Reflektion der St. Pauls Kathedrale ein.