Lissabon: Erster Ermittlungsbericht zum Seilbahn-Unglück
7. September 202516 Menschen kamen ums Leben, als am Mittwoch eine von Lissabons drei berühmten Standseilbahnen aus den Schienen sprang. Jetzt haben die Ermittler in Portugals Hauptstadt erste Erkenntnisse zu dem Unfall bekannt gegeben. Der verunglückte Waggon sei entgleist, nachdem sich das Verbindungskabel zu dem anderen Wagen der Bahn gelöst habe. Das teilte die portugiesische Ermittlungsbehörde für Flug- und Bahnunglücke GPIAAF am Samstagabend mit.
Wie bei Standseilbahnen üblich waren auch beim "Ascensor da Glória" in Lissabons Stadtteil Santo António beide Kabinen durch ein im Straßenboden verlaufendes Stahlkabel miteinander verbundenen. Ein Gegengewicht-System: Während der eine Waggon den steilen Hang hinauffährt, gleitet sein Zwilling gleichzeitig hinab. An einer Ausweichstelle auf halber Höhe fahren beide auf separaten Schienen aneinander vorbei.
Aufprall mit 60 Kilometern pro Stunde
Das Unglück ereignete sich am Mittwochabend um kurz nach 18.00 Uhr. Den Ermittlern zufolge waren die beiden Waggons gerade von ihren Stationen am Fuße und am Gipfel des Hanges abgefahren, als sich die Verbindung zwischen ihnen plötzlich löste.
Der am Fuße des Hügels gestartete Waggon sei daraufhin abrupt zurück Richtung Tal gerutscht und der am Gipfel befindliche Waggon trotz Bremsversuchen des Fahrers mit zunehmendem Tempo bergab gerast. In einer Rechtskurve kurz vor der Talstation sei er dann wegen seiner hohen Geschwindigkeit entgleist.
Den ersten Zwischenergebnissen der Untersuchung zufolge ist der Waggon mit einem Tempo von etwa 60 Kilometern pro Stunde aus den Schienen gesprungen. Er sei dabei umgestürzt und mit dem Dach gegen eine Hauswand sowie einen Laternenmast geprallt. Der gesamte Vorfall habe weniger als 50 Sekunden gedauert.
Wenige Stunden vor dem Unglück habe es am Mittwochmorgen eine routinemäßige Kontrolle der Standseilbahn gegeben. Dabei seien jedoch keine Auffälligkeiten an dem Kabel oder am Bremssystem bemerkt worden, betonen die Ermittler.
Weitere Untersuchungen notwendig
Das verwendete Kabel bestand aus sechs Strängen mit je 36 Stahldrähten und einem Faserkern mit einem Gesamtdurchmesser von 32 Millimetern. Die Bruchlast beträgt etwa 68 Tonnen. Der Kabeltyp werde in dieser Standseilbahn seit etwa sechs Jahren verwendet.
Die veranschlagte Lebensdauer eines solchen Drahtseils liege bei 600 Tagen. Das zum Unfallzeitpunkt vorhandene Kabel sei erst seit 337 Tagen im Einsatz gewesen, geht aus dem GPIAAF-Bericht hervor.
Wie es dazu kommen konnte, dass sich das Kabel von dem Wagen löste, müsse bei weiteren Untersuchungen geklärt werden. Einen ausführlicheren Bericht will die Behörde nach Angaben ihres Direktors Nelson Oliveira in etwa 45 Tagen vorzulegen, einen umfassenden Abschlussbericht in einem Jahr.
Elf Ausländer unter den Toten
Wie die portugiesische Kriminalpolizei mitteilte, kamen bei dem Unglück fünf Portugiesen und elf Ausländer ums Leben: drei Briten, zwei Kanadier, zwei Südkoreaner und je ein Bürger aus der Schweiz, der Ukraine, Frankreich und den USA. 21 Menschen wurden verletzt - einige schwer.
Der Ascencor, bei Touristen auch als "Elevador da Glória" bekannt, ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Lissabons. Er ist besonders beliebt, weil er zum Aussichts Miradouro de São Pedro de Alcântara hochfährt. Aber auch Einheimischen nutzten ihn täglich.
Jährlich beförderte die im 19. Jahrhundert in Deutschland gebaute Standseilbahn rund drei Millionen Passagiere. Einen solchen Unfall mit einer der drei Standseilbahnen hatte es in Lissabon bisher nicht gegeben.
AR/al (afp, dpa)