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Kunst mit Baby: Museen als Safe Space

7. April 2025

Der Düsseldorfer Kunstpalast bietet Führungen für Eltern mit Babys an. In vielen Museen heutzutage ein gängiges Konzept - aber auch ein Hinweis auf eine Gesellschaft, in der Kinder nicht immer willkommen sind.

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Fünf Mütter posieren vor einer Fotowand im Kunstpalast Düsseldorf mit ihren Babys
Mütter besuchen mit ihren Babys die "MAMA"-Ausstellung im Kunstpalast DüsseldorfBild: Djamilia Prange de Oliveira/DW

Es ist ein sonniger Frühlingstag in Düsseldorf und nach dem langen Winter zieht es die Menschen nach draußen. Die Führung im Düsseldorfer Kunstpalast aber ist trotzdem ausgebucht. "MAMA. Von Maria bis Merkel" heißt die Ausstellung, in der sich heute viele Eltern mit ihren Babys tummeln.

Sie sollen eine "Kunstpause von ihrem Alltag" machen dürfen, so das Konzept der Führung "Kunst mit Baby". Die Teilnehmenden sind leicht zu erkennen: Sie schieben Kinderwagen, tragen Babytragetücher oder stillen zwischendrin. In ihrer Gegenwart riecht es blumig, nach frisch gewaschener Wäsche.

Deutschland Düsseldorf, 2025 *** Kunsthistorikerin Dr. Carola Werhahn
Kunsthistorikerin Dr. Carola Werhahn brachte das "Kunst mit Baby"-Format in den Kunstpalast DüsseldorfBild: Privat

Babys in Museen sonst unerwünscht?

"Waren Sie schon mal bei dem Format?", fragt die Kunsthistorikerin Bettina Zippel, die die Gruppe heute durch die Ausstellung führt. "Nein, es war immer ausgebucht", antwortet eine Mutter. Die anderen pflichten ihr sofort bei. Es könne solche Führungen ruhig öfter geben, sagen sie. Viele hier haben den Termin Monate im Voraus gebucht, einige sind sogar aus anderen Städten angereist.

Das Konzept "Kunst mit Baby" gibt es am Kunstpalast Düsseldorf schon seit zehn Jahren. Eingeführt hat es die  Kunsthistorikerin Dr. Carola Werhahn. Die gebürtige Kölnerin kannte es diese Art von Führung aus ihrer Heimatstadt, sie selbst hat damals mit ihrer neugeborenen Tochter daran teilgenommen - im Museum Ludwig und im Wallraf-Richartz-Museum. Als sie nach Düsseldorf umzog, etablierte sie das Format auch dort. "Ich finde es großartig, wenn man als frisch gebackene Mutter mal wieder etwas für den Geist tun kann", sagt Werhahn.

Eine Frau hält in einer Menschenmenge ein Schild mit der Aufschrift "Hallo Mutti" in die Luft
Angela Merkel bekam während ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin den Spitznamen "Mutti"Bild: Djamilia Prange de Oliveira/DW

Formate wie diese gibt es nicht nur in deutschen Städten, sondern auf der ganzen Welt - im Orange County in den USA über São Paulo bis nach Wien. Eigentlich sollten sie gar nicht notwendig sein, aber vielleicht sind sie gerade deshalb für viele Mütter eine Art Safe Space. 

Das Thema der Ausstellung in Düsseldorf ist passenderweise Mutterschaft. "MAMA" leuchtet in orangenen Großbuchstaben auf einem pinkfarbenen Hintergrund über dem Eingang. Der Titel "Von Maria bis Merkel" deutet die Vielfältigkeit der 120 Exponate an - Mama geht jeden etwas an, schließlich hat jeder Mensch eine Mutter. Kuratiert wird die Ausstellung von Linda Conze, Westrey Page und Anna Christina Schütz. Es geht um Care-Arbeit, Abtreibung, unerfüllte Kinderwünsche, Mutter-Kinder-Beziehungen, Stereotype und Klischees

Eine Barbie-Puppe in einem Karton mit der Aufschrift "Happy Family"
Barbies schwangere Freundin Midge bekam nach Beschwerden von Kunden einen Ehering und einen EhemannBild: Djamilia Prange de Oliveira/DW

Barbies schwangere Freundin Midge

Ein Beispiel für ein solches Klischee: 2002 brachte Barbie-Hersteller Mattel als Teil der "Happy Family"-Serie Barbies schwangere Freundin Midge auf den US-amerikanischen Markt. Doch plötzlich verschwand Midge wieder aus den Regalen. Kundinnen und Kunden hatten sich empört, denn Midge sah aus, als wäre sie alleinerziehend, fanden sie. Sie könne Teenagerschwangerschaften verherrlichen - so die Befürchtung.

Daraufhin brachte Mattel eine neue Version von Midge auf den Markt: Sie trug nun einen Ring am Finger. Mit in der Packung waren Ehemann Allan und Sohn Ryan. Die "Happy Family"-Packung ist jetzt im Kunstpalast Düsseldorf zu sehen und erinnert daran, wie schwer es Gesellschaften auch in diesen Zeiten noch fällt, sich von traditionellen Familienmodellen zu lösen.

Das zeigt sich auch an den ausschließlich weiblichen Teilnehmerinnen der Führung. Von Vätern keine Spur. Die anwesenden Mütter wiederum können sich vor allem für die weniger traditionellen Exponate begeistern. Zum Beispiel die, die Abtreibung, queere und diverse Familienkonstellationen oder das Stillen im öffentlichen Raum thematisieren.

Oberkörper einer schwarzen Frau in einer offenen roten Strickjacke, die ein weißes Baby stillt.
Oliviero Toscanis "Breastfeeding" für die Modemarke United Colors of Benetton ist ebenfalls Teil der Ausstellung im Kunstpalast DüsseldorfBild: Oliviero Toscani/VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Und apropos Stillen: Die Führung macht ebenso deutlich, wie ambivalent die Gesellschaft mit Müttern und Kindern im öffentlichen Raum umgeht. "Es ist entspannt, weil man weiß, man stört nicht", sagt beispielsweise Julia, ihr Neugeborenes mit den roten Haaren auf dem Arm. Eine andere Mutter stimmt ihr zu, auch sie gehe nicht einfach so mit Baby in eine Ausstellung, aus Angst, die Kunstinteressierten zu stören.

Stillen als Indikator für gesellschaftliche Akzeptanz 

Es gibt noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, inwiefern sich Mütter mit Babys im öffentlichen Raum unwillkommen fühlen. Doch Umfragen über das Stillen in der Öffentlichkeit geben Aufschluss. Zwar stillen in Deutschland mittlerweile immer mehr Mütter im öffentlichen Raum, doch rund 40 Prozent der befragten Frauen berichten von gemischten Reaktionen, darunter vor allem missbilligende Blicke.

Mütter mit Babys stehen in einem orangefarbenen Raum vor einem Bücherregal
Ratgeber über Ratgeber: Was macht eine gute Mutter aus? Bild: Djamilia Prange de Oliveira/DW

Stillen in der Öffentlichkeit ist in Deutschland, anders als zum Beispiel in Großbritannien oder Australien, gesetzlich nicht ausdrücklich erlaubt. Es ist ein Beispiel von vielen, die zeigen, dass Mütter nach wie vor unzähligen Erwartungshaltungen der Gesellschaft ausgeliefert sind. Darauf weist auch ein weiteres Ausstellungstück hin: ein drei Meter hohes Bücherregal mit "Handbüchern für Mütter" und Ratgebern zur Mutterschaft. Vielleicht schaut ja der ein oder andere Vater auch mal rein.

DW Volontärin Djamilia Prange de Oliviera
Djamilia Prange de Oliveira Reporterin mit besonderem Fokus auf Frauenrechten, Kultur, Gesellschaftspolitik und Brasilien.