"Kosovo muss weiterhin ein Protektorat bleiben"
24. Juni 2003Anzeige
Köln, 5.6.2003, DW-radio/Serbisch, Filip Slavkovic
Im Rahmen unserer Serie "Quo vadis Kosovo?" haben wir mit Momcilo Trajkovic gesprochen. Trajkovic ist Vorsitzender der Serbischen Wiederstandsbewegung aus dem Kosovo (SPOT) und Koordinator der Bewegung für Kosovo und Metohija. Seine Partei ist als einzige Mitglied der Belgrader Regierungskoalition DOS.
Frage:
Was ist in den vier Jahren seit dem Kriegsende erreicht worden?Antwort:
Nichts ist ereicht worden. Obwohl die Staatengemeinschaft ein multiethnisches Konzept befürwortet, hat sie einer Lösung der albanischen Frage zugestimmt, das ethnische Prinzip angewendet und damit ihre eigene Strategie und Politik verworfen. Wir sind Zeugen von Niederlagen auf allen Gebieten – bei der Stabilisierung, beim Frieden, beim Aufbau demokratischer Institutionen. Die Albaner haben es geschafft, die Kosovo-Institutionen für ihre eigene Zwecke zu nutzen. Was die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen, was die Wirtschaft angeht, überall hat die Staatengemeinschaft Niederlagen erlitten. Wenn es um Friedenssicherung, wenn es um neue Beziehungen auf dem Kosovo geht, muss sie das Prinzip der Koexistenz anwenden. Das ist schon Realität auf dem Kosovo. Denn es ist offensichtlich, dass das multiethnische Konzept heute auf dem Kosovo nur noch Utopie ist. Die Feindschaften sind groß. Die albanische Mehrheit, die die ganze Verantwortung trägt, ist feindlich eingestellt gegenüber der Minderheit. Und UNMIK-Chef Steiner hat alles dafür getan, um Belgrad von der Lösung des Problems fernzuhalten. Doch so eine wichtige Frage kann man ohne Belgrad nicht lösen. Alle damit verbundenen Fragen sind viel zu wichtig. Denn da ist auch die Frage der Privatisierung, über die Herr Steiner alleine entscheidet. Das sind die Probleme, dafür müsste eine neue Strategie, eine Strategie der Integration entwickelt werden.Frage:
Was wären denn die wichtigsten Schritte, die im Kosovo kurzfristig unternommen werden müssten?Antwort:
Als erstes wäre da die Frage der Sicherheit, die Frage der Bekämpfung des Terrorismus. Viele Terroristen haben Unterschlupf beim so genannten Kosovo-Schutzkorps gefunden. Aus dieser Organisation geht auch die terroristische Organisation, die so genannte ANA (Albanische Nationalarmee, alban.: AKSh – MD) hervor. Wir müssen sehen, wie wir den Dialog eröffnen können, einen Dialog innerhalb der Institutionen des Systems. Leider führen die so genannten Interimsmaßnahmen nicht zum Dialog. Sie geben den Albanern die Möglichkeit, mit ihrer Mehrheit die Minderheit zu überstimmen. Und dabei ist Steiner zu tolerant, offensichtlich parteiisch. Es muss also dringend der Sonderbeauftragte ausgewechselt werden. Es muss ein Mensch her, der eine Brücke zwischen beiden Seiten bilden würde. Eine der Hauptfragen ist die Existenzfrage. Zehntausende von Menschen haben keine Arbeit. Sehr wichtig wäre es auch, eine Möglichkeit zu finden, wie die UN-Kosovo-Resolution im Bereich der Rückkehr der serbischen Armee und Polizei umgesetzt werden könnte. Entweder direkt oder indirekt über eine Beteiligung an dem NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden" oder über die europäische Truppe. Das sind einige Dinge, an denen wir sofort arbeiten müssen.Frage:
Und wie sehen Sie den künftigen Status des Kosovo?Antwort:
Ich bin für den Dialog. Ich möchte, dass dieser Dialog so schnell wie möglich beginnt. Und ich unterstütze die Idee, dass er in Thessaloniki beginnt. Ich sehe derzeit keine Lösung für Kosovo. Ich sehe nur einen Prozess zur Lösung dieser Frage. Ich sehe einfach eine langfristige Strategie, die eine Lösung durch Integration finden sollte. Ich glaube vor allem, dass Kosovo weiterhin ein Protektorat bleiben muss. Ich glaube, die Staatengemeinschaft sollte auf dem Kosovo ein vollständiges Protektorat einführen. In dieser Phase müsste sie offensichtlich die so genannten Kosovo-Institutionen eliminieren, weil sie nicht mündig sind und weil das politische Umfeld noch nicht stimmt. Ich sehe nur eine stufenweise Lösung, eventuell kommt es zu einer ungerechten Lösung. Eine ungerechte Lösung wäre ein unabhängiges Kosovo. Denn das ganze Konzept der Staatengemeinschaft ermutigt die Albaner bislang im Glauben, sie werden ein unabhängiges Kosovo bekommen. Es ist eine Infrastruktur für ein unabhängiges Kosovo vorbereitet worden. Dieser Prozess führt zu Konflikten. Wir müssen zu den bewährten Prinzipien, die auf dem Balkan schon angewandt worden sind, zurückkehren. Ich meine damit vor allem den Dayton-Vertrag. Es geht um das Prinzip, dass es keine Änderungen der Grenzen mit Gewalt geben darf. Und es geht um das Prinzip der Integration. Kosovo muss in ein demokratisches Serbien integriert werden und ich bin dafür, dass Kosovo dabei weitgehende Autonomie erhält.(...) (md)
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