"Kosovo kehrt nicht ins Jahr 1999, 1989 und schon gar nicht ins Jahr 1389 zurück
26. Oktober 2004Bonn, 25.10.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ivica Petrovic
Der britische EU-Minister, Denis McShane, besucht heute Belgrad. Im Mittelpunkt der heutigen Gespräche mit den höchsten Vertretern von Serbien und von Serbien-Montenegro standen die soeben beendeten Wahlen im Kosovo und die Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal, ICTY. Der britische Minister verbarg seine Unzufriedenheit wegen des Wahlboykotts von den Kosovo-Serben nicht. Er betonte, der Wahlboykott bedeute, dass der Dialog und direkte Gespräche mit Pristina abgelehnt würden. Dies führe zu einer weiteren Radikalisierung der Lage im Kosovo und ebne denen den Weg, die sich für die Unabhängigkeit des Kosovo – früher oder später – einsetzten, so McShane. Ferner werde er morgen [Kosovo-Präsident Ibrahim] Rugova mitteilen, dass Europa interdependente und gemeinsame Souveränität erwarte, eher als Unabhängigkeit und Souveränität, bei denen die Bedürfnisse der Nachbarn nicht geachtet würden. Den serbischen Politikern erklärte McShane, das Kosovo kehre nicht ins Jahr 1999, 1989 zurück und schon gar nicht ins Jahr 1389. Die Frage des endgültigen Status des Kosovo sei für die internationale Gemeinschaft dringend zu lösen. Vor einem Jahr habe man noch von Standards vor dem Status gesprochen, und nun wird bereits von Standards und dem Status gesprochen.
Serbiens Präsident Boris Tadic sagte nach dem Gespräch mit McShane, er werde sich dafür einsetzen, dass die internationale Gemeinschaft die Versprechen einlöse, die sie den Serben vor den Wahlen gegeben habe, es fiele jedoch nicht in seine Zuständigkeit, die Legitimität des Kosovo-Parlaments anzuerkennen. Die Einstellung der Serben zu den Kosovo-Wahlen stehe ferner nicht in Verbindung mit seinem Aufruf zur Wahlbeteiligung: "Ich meine, die Antwort der Bürger serbischer Nationalität im Kosovo ist zunächst ihre Art zu antworten und nicht die Folge meines Aufrufs zur Wahlbeteiligung oder der Kampagne für den Boykott dieser Wahlen. Eigentlich ist diese Antwort die Folge ihrer katastrophalen Lage".
In einer Mitteilung aus dem Büro des serbischen Premiers, Vojislav Kostunica, die nach dem Treffen des Premiers mit dem Gast aus London veröffentlicht wurde, heißt es, die geringe Wahlbeteiligung der Serben gebe zum Ausdruck, dass grundlegende Menschenrechte, vornehmlich das Recht auf Leben, im Kosovo nicht vorhanden seien. Nach Kostunicas Einschätzung sollte der Dialog der Kontaktgruppe darüber fortgesetzt werden, dass der Vorschlag aus dem Plan der serbischen Regierung im Hinblick auf die geforderten institutionellen Garantien für die Serben in dieser Provinz fortgesetzt wird.
Denis McShane wiederholte auch bei dieser Gelegenheit, dass Serbien für die europäische Integration die Kooperation mit dem ICTY im Weg stehe. Nach dem Gespräch mit dem Außenminister von Serbien und Montenegro, Vuk Draskovic, kommentierte McShane Thesen darüber, dass die amerikanische Administration die Unterstützung für das ICTY kürzen könne, weil sie es als Hindernis für die Demokratisierung der Region betrachtete: "Ich kann Ihnen versichern, die US-Administration – und ich habe Kontakte auf sehr hohem Niveau – ist entschlossen, den für einige der schwersten Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit 1945 Angeklagten auch den Prozess zu machen". Die misslungene Auslieferung von Ratko Mladic rufe in allen europäischen Hauptstädten tiefe Besorgnis hervor, sagte McShane und fügte hinzu: "Die Tatsache, dass Generäle und einige hohe Offiziere von dieser Liste in Belgrad leben, stößt in London, Paris, Berlin, Brüssel und allen übrigen demokratischen Hauptstädten der Welt auf Unverständnis".
Dazu sagte Serbiens Präsident Boris Tadic, politischer Trug sei im Hinblick auf die Kooperation mit dem ICTY äußerst gefährlich: "Ein Trug wäre, zu glauben, dass die Nicht-Kooperation mit dem ICTY eine Lösung ist. Dies könnte katastrophale Folge nach sich ziehen. Dies könnte zur Folge haben, dass ICTY-Angeklagte aus Serbien für auf dem Territorium des heutigen Kroatien oder Bosnien-Herzegowina begangene Verbrechen sich in Sarajevo oder Zagreb wiederfinden, was absolut inakzeptabel ist, weil es die politischen Verhältnisse im heutigen Serbien heute destabilisieren würde". (md)