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Eine pikante Personalie

Volker Wagener16. Dezember 2013

Langer Koalitionspoker, ein Mitgliederentscheid und zum Schluss noch eine faustdicke Überraschung: Eine Frau wird Verteidigungsministerin. Vielleicht ein Coup mit Hintergedanken, meint Volker Wagener.

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Volker Wagener (Foto: DW)
Bild: DW

Na, das hat doch was! Ursula von der Leyen wird Verteidigungsministerin. Zum erstenmal steht mit ihr eine Frau an der Spitze der deutschen Bundeswehr. Ein Experiment? Sicher nicht! Eher ein genialer Schachzug Angela Merkels.

Viel Profilierungsterrain

Die resolute und ehrgeizige 55-Jährige bekommt ein Schlüsselressort - und was für eins. Ein Männer-Ministerium. Eines, aus dem heraus sich auch eine Neben-Außenpolitk betreiben läßt. Leidtragender wäre dann Frank-Walter Steinmeier (SPD), frisch gekürter Chef des Außenamtes auf Seiten des kleineren Koalitionspartners. Der wird dann neben der Bundeskanzlerin auch noch eine zweite Konkurrentin in seinem Revier dulden müssen. Denn die wahre Außenpolitik wird im Kanzleramt gemacht. Soviel zum taktisch-strategischen Kalkül, das Angela Merkel bei diesem Schachzug auch geleitet haben dürfte.

Hartnäckig und ausdauernd

Ursula von der Leyen darf sich nun uneingeschränkter Aufmerksamkeint sicher sein. Als Frau im Männer-Terrain bewegt sie sich ab sofort auf vermintem Gelände. Frauen in der Bundeswehr, das ist zwar schon lange Alltag, doch sie haben es besonders schwer in der Truppe. Der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages belegt das immer wieder. Übertriebene Ängste, die kleine Frau mit dem Dauerlächeln im Gesicht könnte dem mitunter rauhen Kasernenton nicht gewachsen sein, sind allerdings unnötig. Die approbierte Ärztin gilt als hartnäckig und ausdauernd. Familiäre Erfahrungen waren da sicher eine gute Schule: Wer sich gegen fünf Brüder behaupten musste, dem ist nicht so schnell bange.

Mit dieser Personalie ist Angela Merkel ein echter Coup gelungen. Eigentlich galt die bisherige Arbeitsministerin als ausgemachte neue Gesundheitsministerin. Ein praktischer und eigentlich zwangsläufiger Ressortwechsel für eine Ärztin, die ohnehin nicht die besten Karten in Merkels Ämter-Poker zu haben schien. In der Partei überwiegend unbeliebt aufgrund ihrer oft eigenmächtigen Themenvorstöße, pflegt sie darüberhinaus auch noch ein angespanntes Verhältnis zur CDU-Chefin und Bundeskanzlerin. Dennoch hat Merkel Ursula von der Leyen nun einen Karrieresprung ermöglicht. Die Frage ist: Warum? Immerhin ist der andere Koalitionspartner, die CDU-Schwesterpartei CSU, bei der Ressortverteilung nur mit vergleichsweise unspektakulären Kleinstministerien aus dem Koalitionsdeal hervorgegangen. Es muss ihr also wichtig gewesen sein.

Beförderung für eine Konkurrentin

Die Neue an der Spitze des Verteidigungsministeriums steht innerhalb der Merkel-Partei für ein modernes Frauenbild. Sie spricht Wählerschichten an, in denen die CDU mehr Fuß fassen möchte. Die siebenfache (!) Mutter kann sich souverän auf englisch und französisch bewegen, sie hat mehrere Jahre im Ausland verbracht, wissenschaftlich gearbeitet und pflegt darüberhinaus auch noch ihren dementen Vater. Wie sie das alles schafft, ist vielen ein Rätsel.

Angela Merkel hat sich über viele Jahre sehr erfolgreich männlicher Konkurrenz entledigt. Tatsächlich ist keiner mehr übrig geblieben von den zahlreichen medial hoch geschriebenen Herausforderern und selbst ernannten Kronprinzen. Längst ist sie unumstritten in der Union. Nun aber droht weibliche Konkurrenz.

Ursula von der Leyen kann Kanzlerin, das trauen ihr viele zu. Die neue Verteidigungsministerin ist aus ähnlich hartem Holz geschnitzt wie die Kanzlerin. Angela Merkel ist nie aktiv gegen ihre parteiinternen Widersacher vorgegangen. Sie hat sie einfach ins Leere laufen lassen, bis sie sich selbst beschädigten. Ursula von der Leyen könnte ein paradoxes Beispiel dafür werden, dass eine Beförderung nicht immer zum selbst gesteckten Ziel führt. Denn eines ist gewiss: Verteidigungsminister haben auffällig häufig kurze Amtsperioden. Es kann aber auch alles anders kommen. Vielleicht bestellt Angela Merkel in ihrer dritten Amtszeit einfach nur ihr Haus.